Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Kognitionsforschung: Dissonante Gedanken

Ein ausgebliebener Weltuntergang brachte Leon Festinger in den 1950er Jahren auf eine bahnbrechende Idee: Wenn es uns hilft, innere Konflikte zu schlichten, ändern sich unsere Ansichten oft im Handumdrehen.
Der US-Psychologe Leon Festinger (1919–1989) war Sohn russischer Immigranten. In seinem bekanntesten Versuch sollten Probanden einer anderen Person ­weismachen, ein bevorstehender Test sei spannend – dabei war er extrem monoton.

Eine der wichtigsten psychologischen Theorien des 20. Jahrhunderts verdanken wir Aliens. Besser gesagt der Tatsache, dass Außerirdische nicht geneigt sind, sich an Termine zu halten. Das Ganze kam so: Der Psychologe Leon Festinger, der ab 1942 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) nahe Boston arbeitete, wollte herausfinden, was in den Köpfen von Menschen vor sich geht, deren Überzeugungen der Realität ganz offenbar zuwiderlaufen. Deshalb schloss sich der Forscher aus rein wissenschaftlichem Interesse den Seekers an, einer esoterischen Sekte, die behauptete, im Kontakt mit Außerirdischen zu stehen.

Der Kopf der Gruppe, die Hausfrau Dorothy Martin (1900-1992), hatte für die Nacht des 21. Dezember 1954 den Weltuntergang prophezeit. Nur die Anhänger ihrer Sekte würden gerettet und von Außerirdischen in eine bessere Welt gebracht werden. Manche Seekers glaubten so fest daran, dass sie ihre Häuser verkauften und ihre Jobs kündigten, um gemeinsam die Reise anzutreten. Welche natürlich nie stattfand.

Wie Festinger erstaunt feststellte, deuteten die Sektenmitglieder das Ausbleiben der Aliens nach kurzer Verwirrung allerdings als Botschaft um: Die spirituelle Kraft ihrer Gemeinschaft habe die Welt noch einmal vor dem Untergang gerettet. Von diesem Moment an, so der Forscher, begannen die Seekers, die zunächst nicht missioniert hatten, eifrig neue Anhänger zu rekrutieren. Sie vertraten ihre verquere Weltsicht also mit noch mehr Überzeugung als zuvor, obwohl sie so augenfällig widerlegt worden war ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Psychologie – Tabus in der Psychologie

Tabuthemen in der Psychologie – gibt es das wirklich? Die aktuelle Titelgeschichte berichtet über heikle Wahrheiten, Anfeindungen und Selbstzensur. Außerdem geht es in dieser Ausgabe um die richtige Kleiderwahl, den populären Myers-Briggs-Test und eine verrufene Lernmethode.

Gehirn&Geist – Licht - Wie es unser Denken beflügelt

Wenn die dunkle Jahreszeit beginnt, machen wir es uns gern mit Lichterketten und Kerzen gemütlich. Dabei hellt Licht nicht nur die Stimmung auf: Dank seines Einflusses auf die Hirnfunktion kann das Denken profitieren. Daneben berichten wir, wie Einzelkinder wirklich sind, oder wie Blase und Gehirn beim Urinieren zusammenarbeiten und was es mit dem Harndrang auf sich hat. Unser Artikel über Sigmund Freund widmet sich der unrühmlichen Geschichte der Psychologie und Psychotherapie unterm Hakenkreuz. Im Interview gibt die Psychologin Gilda Giebel Einblicke in den Alltag in der Sicherungsverwahrung. Sie behandelte dort als systemische Therapeutin die brutalsten Männer Deutschlands.

Gehirn&Geist – Faszination Gehirn: 38 Infografiken über unser Denken, Fühlen und Handeln

Weil Sprache allein nicht immer das beste Kommunikationsmittel ist, werden seit 2013 ausgewählte Inhalte auf eine andere Art präsentiert: in Infografiken. Denn manches lässt sich in Bildern so viel einfacher darstellen als mit Worten. In dieser Spezialausgabe von »Gehirn&Geist« präsentieren wir ein »Best-of« unserer Infografiken zu Psychologie, Hirnforschung und Medizin. Wie funktioniert unser Orientierungssinn? Was haben Darmbakterien mit der Psyche zu tun? Was macht eine angenehme Unterhaltung aus? Wie wirkt Alkohol im Gehirn? Und warum lassen wir uns im Supermarkt so leicht zu Spontankäufen animieren? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Sie in dieser Spezialausgabe von »Gehirn&Geist«. Jede der 38 Grafiken im Heft widmet sich einem eigenen Thema.

  • Quellen

Fazio, R. H. et al.: Dissonance and Self-Perception: An Integrative View of Each Theory’s Proper Domain of ­Application. In: Journal of Experimental Social Psychology 13, S. 464-479, 1977

Festinger, L., Carlsmith, J. M.: Cognitive Consequences of Forced Compliance. In: Journal of Abnormal and Social Psychology 58, S. 203–210, 1959

Van Veen, V. et al.: Neural Activity Predicts Attitude Change in Cognitive Dissonance. In: Nature Neuroscience 12, S. 1469-1474, 2009

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.