Neurowissenschaft: Warum wir schlafen
Schlafen ist schon etwas Seltsames – blind, stumm, wie gelähmt liegen wir im Bett. Das Gehirn ist jedoch sehr aktiv: Seine Nervenzellen feuern fast so häufig wie im Wachzustand. Wozu dient diese rastlose Aktivität in einer Phase, in der wir uns doch angeblich ausruhen? Und warum entkoppelt sich dabei das Bewusstsein von der Umwelt, während das Gehirn sozusagen Selbstgespräche führt? Auf jeden Fall scheint der Schlaf äußerst wichtig zu sein – schließlich findet er sich nach heutigem Wissen wohl bei allen Tieren in irgendeiner Form. Und dies, obwohl sie im Zustand bewusstloser Reaktionsunfähigkeit dem Angriff eines Feindes leichter zum Opfer fallen können. Vögel schlafen, Leguane schlafen, Kakerlaken schlafen – und sogar Fruchtfliegen, wie wir und andere Forscher bereits Anfangs des neuen Jahrtausends nachwiesen.
Um Schlaf auch unter erschwerten Bedingungen zu ermöglichen, entstanden im Lauf der Evolution einige erstaunliche Anpassungen. So bleibt bei Delfinen und anderen Meeressäugern, die zum Atmen immer wieder an die Wasseroberfläche kommen müssen, abwechselnd jeweils eine ihrer beiden Hirnhälften wach.
Wissenschaftler fragen sich seit Langem, weshalb Schlaf für die unterschiedlichsten Kreaturen so wichtig ist. Schon etwa Anfang der 1990er Jahre, als wir beide gemeinsam an der Scuola Superiore Sant' Anna im italienischen Pisa arbeiteten, kam uns hierzu ein Gedanke: Möglicherweise versetzt die Hirnaktivität beim Schlafen all die Milliarden von Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen, die sich wegen der vielfältigen Ereignisse und Eindrücke eines Tages verändert haben, wieder in eine Art Grundzustand zurück. Dieser Hypothese zufolge ermöglicht Schlafen einem Individuum, sein Leben lang neue Gedächtnisinhalte zu formen, ohne dass sich die Kapazität des Gehirns erschöpft oder ältere Erinnerungen verloren gehen ...
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