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Lernen: »Nicht alles hat unmittelbaren Nutzen«

Laut vielen Bildungsexperten sollen Schulen und Universitäten vor allem praxisnahe Kompetenzen vermitteln. Der ­Philosoph Konrad Paul Liessmann hält das für kurzsichtig.
Konrad Paul Liessmann

Herr Professor Liessmann, in Ihrem Buch »Bildung als Provokation« weisen Sie auf einen sonderbaren Kontrast hin: Einerseits wird Bildung überall gefordert und in den höchsten Tönen gelobt, andererseits gilt der Gebildete inzwischen oft als Witzfigur. Wie erklären Sie sich das?

Ich halte diesen auffälligen Gegensatz für sehr aufschlussreich. Obwohl alle – seien es Politiker, Wirtschaftsführer, Gesundheitsexperten oder Kulturschaffende   die Bedeutung von Bildung unterstreichen und sie zur Lösung fast aller Probleme erheben, wird gleichzeitig der Intellektuelle, der Gebildete in der Öffentlichkeit skeptisch beäugt. Wenn man sich anschaut, wen sich etwa junge Menschen zum Vorbild wählen, dann findet man darunter Sportler, Popstars und Prominente aller Art, doch kaum einen Gebildeten. Ich glaube, ein Grund für diesen Kontrast ist, dass wir heute einen ex­trem weiten, unklaren Bildungsbegriff haben, der alle Interpretationen zulässt. Es gibt keinen Kanon mehr, keinen Konsens darüber, welches Wissen und welche Fertigkeiten inhaltlich Bildung ausmachen. Der Gebildete wird daher häufig auf den blasierten Bildungsbürger reduziert, der seine Belesenheit und sein Allgemeinwissen bloß zur Schau stellt, um sich von anderen abzuheben.

Was verstehen Sie unter einem Gebildeten?

Für mich beinhaltet Bildung neben fundiertem Wissen auf verschiedenen Feldern der Wissenschaft und Kultur vor allem auch eigene ästhetische Erfahrungen, die Fähigkeit zur Selbstdistanz sowie eine gewisse moralische Sensibilität. Und nicht zuletzt Kritikvermögen gegenüber den vielen Verlockungen und Maskeraden des öffentlichen Lebens ...

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