Belohnungsaufschub: "Selbstkontrolle kann man lernen"
Herr Professor Mischel, Sie haben Ihre wissenschaftliche Laufbahn damit verbracht, die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung zu erforschen. Hat das mit Ihrer eigenen Biografie zu tun?
Gut möglich. Als ich acht Jahre alt war, flohen meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern vor den Nazis aus Wien in die USA. Auf einmal verloren wir alles; es ging nur noch ums Überleben. Da habe ich schnell gelernt, auf etwas warten zu müssen.
Warum wurde genau das Ihr Lebensthema?
Ich hatte schon immer den Wunsch, dass mein Leben zu etwas nützlich sein möge. Seit meiner Kindheit als Flüchtling wollte ich anderen Kindern in Not helfen. Als Doktorand verbrachte ich einige Zeit auf der Karibikinsel Trinidad. Dort lebten damals schwarzafrikanische und indische Migranten strikt voneinander getrennt. Die indischstämmigen Einwohner betrachteten die Afrikaner als Taugenichtse, die in den Tag hineinlebten und sich nie Gedanken über die Zukunft machten. Und die Schwarzafrikaner lästerten über die Inder, sie würden immer nur arbeiten und könnten das Leben nicht genießen.
Altbekannte Vorurteile …
Ich stellte in einer Forschungsarbeit Kinder aus beiden Bevölkerungsgruppen vor die Wahl zwischen einem Stück Schokolade jetzt oder zwei Stücken später. Die Probanden waren zwischen 11 und 14 Jahre alt. Es zeigte sich, dass die Kinder, die sich für die sofortige Belohnung entschieden, schon viel öfter in Schwierigkeiten gesteckt hatten – sie waren zum Beispiel häufig mit der Polizei oder mit den Behörden in Konflikt geraten. ...
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