Rausch: Chaos auf Zeit
Gegen fünf Uhr nachmittags merkte der Chemiker, dass etwas mit ihm nicht stimmte. »Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz«, hält er in seinem Protokoll fest. Der Heimweg mit dem Rad erschien ihm beschwerlich: »Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen«, erinnert er sich. Die Nachbarin, Frau R., kam ihm plötzlich vor wie eine »bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze.« Einige Stunden später sei die anfangs unangenehme Erfahrung dann umgeschlagen: »Jetzt begann ich allmählich, das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, das hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig sich verändernd, drangen bunte phantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend, in Farbfontänen zersprühend, sich neu ordnend und kreuzend, in ständigem Fluss.« Sogar Geräusche hätten sich in optische Empfindungen verwandelt, berichtet der Forscher: Aus dem Rauschen eines vorbeifahrenden Autos wurde so ein »in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild«.
Was der Schweizer Albert Hofmann da im Frühling 1943 erlebte, sollte später als der erste dokumentierte LSD-Trip in die Geschichte eingehen. Noch heute feiern Fans der Droge in aller Welt den 19. April in Erinnerung an Hofmanns denkwürdige Radtour als »Bicycle Day«. Dabei hatte der vorsichtige Wissenschaftler eine vermeintlich winzige Dosis von 250 Mikrogramm zu sich genommen – tatsächlich jedoch ein Vielfaches der Wirkdosis dieses hochpotenten Stoffs. Doch was in den folgenden Jahrzehnten damit geschah, war Hofmann zuwider: Der Harvard-Psychologe Timothy Leary propagierte als Guru der Hippiebewegung den Massenkonsum von LSD. Gleichzeitig missbrauchten Geheimdienste die Droge für fragwürdige Militärexperimente ...
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