Was Tiere sich zu sagen haben. Formen und Inhalte der Verständigung
Wer tierisches Verhalten beobachtet, wird immer zuallererst von dem Signalverhalten angesprochen. Die Balzbewegungen waren es auch, die vor fast 100 Jahren die ersten Verhaltensbiologen faszinierten, was die Etablierung einer neuen Wissenschaftsdisziplin entscheidend gefördert hat.
Wally und Horst Hagen, Mediziner aus Lübeck-Travemünde und seit Jahren für die Erhaltung bedrohter Tierarten engagiert, haben besonders in Afrika umfangreiches Material zusammengetragen und stellen es in ansprechender Form dem Leser vor. Der Begriff „Verständigung“ im Untertitel ist allerdings eindeutig zu eng; denn zwischen einem Beutegreifer und seinem Opfer spielt sich keine Verständigung ab. Hier vermißt man eine saubere Unterscheidung zwischen Informationsgewinn und Kommunikation.
Letztere setzt Sender voraus, die ihre Nachricht adressieren; im Normalfall dient sie ja dem Zusammenleben und -wirken von Artgenossen. Insofern ist die Formulierung, geruchliche Signale seien nie zielgerichtet, eher unpassend. „Ziel“ heißt bei solchen Signalen „Adressat“ und bezieht sich bespielsweise auf den Fortpflanzungspartner, der angelockt werden soll. Bei Schall (Seite 41) ist die Formulierung „elektromagnetische Wellen“ verfehlt.
Diese kleinen Anmerkungen sind als Hilfe gemeint, denn das Buch liest man mit Gewinn, weil es in anschaulicher Form die erstaunliche Vielfalt der Nachrichtenübertragung zwischen Tieren vermittelt. Dabei werden auch die gegenwärtigen Forschungstrends erwähnt, etwa wenn die Autoren darauf verweisen, daß Tiere, die Warnsignale äußern, sich selbst in Gefahr bringen. Aufwand und Nutzen sind gewissermaßen zu bilanzieren. So wird bei Gruppen das Warnen „organisiert“, was noch einen zusätzlichen Bindungseffekt zwischen den Angehörigen der Gruppe zur Folge hat. Oder wir erfahren, daß beim Blaubarsch die Männchen andere Männchen an der Farbe, Weibchen aber am Geruch erkennen. Und es macht auch keine Mühe, die modernen Konzepte der r- und der K-Strategie kennenzulernen: Ab Seite 242 wird aus diesen Kürzeln ein hochinteressantes und leicht verständliches Thema mit Variationen.
Das alles und vieles mehr kann man in diesem Buch erfahren. Zusätzlich nutzen Wally und Horst Hagen die angesprochenen Zusammenhänge, um Bedrohungen der Tierwelt durch den Menschen und mögliche Folgerungen daraus für unseren Umgang mit der Natur vorzustellen. Es ist ein engagiertes, aber unaufdringliches Buch, das seine Leser zu fesseln vermag – und das, obgleich es keine Bilder enthält. Damit kann es auch helfen, die oft komplizierten Verhaltensweisen besser zu verstehen und den inneren Reichtum der sinnlichen Erfahrung mit ihrer Welt als eine humane Lebensqualität zu erfahren.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1993, Seite 130
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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