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Persönlichkeit: Digitale Spuren des Selbst

Die Daten, die wir im Netz hinterlassen, gewähren tiefe Blicke in unser Innerstes: Computeralgorithmen ­können selbstunseren Charakter inzwischen ­genauer einschätzen als unser Ehepartner.
Frau: Biometrische Gesichtserkennung

Wer wissen möchte, was für ein Typ er ist, sollte die Internetseite applymagicsauce.com besuchen. Dort kann man beliebige Texte von sich eingeben – Auszüge aus E-Mails, Tweets oder von der ­eigenen Website. Nach einem Klick auf »predict« erscheint auf dem Bildschirm ein detailliertes Psychogramm: vermutliches Alter und Geschlecht des Ver­fassers, ob er sich schnell stressen lässt, wie leicht er spontanen Impulsen nachgibt und ob er konservativ ist oder eher liberal.

200 Wörter genügen dem Computeralgorithmus für die Auswertung, eine drittel DIN-A4-Seite Text. Bis vor wenigen Monaten war es auch möglich, der Website den Zugriff auf das eigene Facebook-Profil zu gestatten. Auf Basis der »Gefällt mir«-Angaben (»Likes«) und der verfassten Beiträge erstellte die Software dann ebenfalls eine detaillierte Persönlichkeitsanalyse. Momentan ist diese Option aber deaktiviert.

Dabei geben gerade unsere Likes augenscheinlich sehr gut Aufschluss darüber, wie wir ticken. 2015 legte ein Team um David Stillwell von der University of Cambridge dar, wie treffsicher Algorithmen anhand der ­digitalen Sympathiebekundungen eines Facebook-Nutzers die »Big Five« seiner Persönlichkeit einschätzen können: Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus. Diese fünf Eigenschaften gelten als die »Grundfarben« des menschlichen Wesens. Ihr individuelles Mischungsverhältnis beschreibt also, wie wir sind.

Die Psychologen »trainierten« ihren Algorithmus zunächst mit Daten von mehr als 70 000 Facebook-Nutzern. Alle Teilnehmer hatten zuvor einen Persönlichkeitsfragebogen ausgefüllt; ihr »Big Five«-Profil war also bekannt. Der Computer suchte nun in den Facebook-Konten dieser Versuchspersonen nach Likes, die oft mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen assoziiert sind. Dabei ergab sich beispielsweise, dass extravertierte User häufig für Aktivitäten wie »feiern« oder »tanzen« den Daumen hoben. Nutzer, die laut Test besonders offen waren, bekundeten dagegen überdurchschnittlich oft Sympathie für den spanischen Maler Salvador Dalí (1904–1989) ...

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  • Quellen

Azucar, D. et al.: Predicting the Big 5 Personality Traits from Digital Footprints on Social Media: A Meta-Analysis. In: Personality and Individual Differences 124, S. 150–159, 2018

Boyd, R. L., Pennebaker, J. W.: Language-Based Personality: A New Approach to Personality in a Digital World. In: Current Opinion in Behavioral Sciences 18, S. 63–68, 2017

Coppersmith, G. et al.: Exploratory Analysis of Social Media prior to a Suicide Attempt. In: Proceedings of the Third Workshop on Computational Lingusitics and Clinical Psychology. S. 106-117, 2016

Matz, S. C. et al.: Psychological Targeting as an Effective Approach to Digital Mass Persuasion. In: PNAS 114, S. 12714–12719, 2017

Torfason, R. et al.: From face Images and Attributes to Attributes. In: Asian Conference on Computer Vision, S. 313-329, 2017

Wang, Y., Kosinksi, M.: Deep Neural Networks are more Accurate than Humans at Detecting Sexual Orientation from Facial Images. In: Journal of Personality and Social Psychology 114, S. 246–257, 2018

Youyou, W. et al.: Computer-Based Personality Judgments are more Accurate than those Made by Humans. In: PNAS 112, S. 1036–1040, 2015

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