Klimawandel: Wellen als arktische Eisbrecher
Der Sommer 2014 war in der Tschuktschensee höchst ungewöhnlich. Normalerweise bleiben die arktischen Gewässer nördlich der Beringstraße fast das ganze Jahr über zugefroren. Doch diesmal gab es dort so gut wie kein Eis. Den 35 000 Walrossen in der Region blieb deshalb nichts übrig, als sich am Strand im Nordwesten Alaskas niederzulassen; denn Eisschollen, von denen aus sie sonst auf Nahrungssuche gehen, waren weit und breit keine zu finden.
Und noch etwas Seltsames fiel dem Ozeanografen Jim Thomson von der University of Washington in Seattle bei einer Fahrt mit dem Forschungsschiff Norseman II eines Morgens im September auf: Ein großer Teil der Besatzung war seekrank. Mitten im Ozean mag das nicht ungewöhnlich erscheinen, doch in dieser Region, wo die Tschuktschen- an die Beaufortsee grenzt, war es schon merkwürdig. Da das Meer hier gewöhnlich eisbedeckt ist, können sich nämlich normalerweise keine Wellen bilden. Nun aber gab es weite offene Wasserflächen – und riesige Wogen: Fünf Meter hohe Brecher schubsten das Schiff hin und her und krachten auf das Deck. Die See war so rau, dass der Kapitän, um ein Kentern zu vermeiden, nicht gegen die Wellen ansteuern konnte, sondern vor ihnen herfahren musste. Während Thomson, ein erfahrener Seemann, seine Forscherkollegen kreidebleich über das Schiff wanken sah, genoss er selbst das stürmische Wetter. Er war hergekommen, um nach Wellen zu suchen – und hatte sie gefunden.
"Sie übertrafen alles, was je gemessen, berichtet oder auch nur für möglich gehalten worden war", erinnert er sich. Einige Monate vorher hatte er eine kleine Flotte von Tauchbojen ausgesetzt, und jetzt wollte er eine davon wieder einholen. "Rund sechs Stunden vor ihrer Bergung gab es die höchsten jemals von uns registrierten Wellen", erzählt er. ...
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