Who is who der Wissenschaften. Von Archimedes bis Hawking. Von Gauß bis Lorenz
Aus dem Englischen von Karl H. Ebnet. Bettendorfsche Verlagsanstalt, München 1997. 600 Seiten, DM 58,–.
Die Namen großer Wissenschaftler leben fort in Bezeichnungen für Maßeinheiten von Ampere bis Watt und in den wissenschaftlichen Namen mancher Tier- und Pflanzenarten. Fallweise trägt auch eine Struktur wie die Langerhansschen Inseln in der Bauchspeicheldrüse oder eine Theorie wie das Bohrsche Atommodell den Namen ihres Entdeckers beziehungsweise Urhebers. Aber davon abgesehen wird die Person des Forschers kaum wahrgenommen. Der Konstanzer Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer beklagt zu Recht, daß Biographien von Künstlern durchaus ihre Käufer finden, kaum aber die von Wissenschaftlern.
Diese unverdiente Verschwiegenheit durchbricht der vorliegende Band mit seinen Kurzmonographien von 100 ausgesuchten Personen, die – so ein erläuternder Nachsatz im Anhang – "nicht nur experimentieren, beobachten und Beweise aufstellen, sondern unsere Wahrnehmung der Welt gestalten". John Simmons, Mitglied der New Yorker Akademie der Wissenschaften und langjähriger Mitarbeiter am Referenzwerk "Current Biography", hat sich eingehend mit dem Leben vor allem der Nobelpreisträger befaßt und für dieses Werk Ausschau gehalten nach Forscherpersönlichkeiten, "deren leidenschaftliche Beschäftigung mit der Natur weit über die Laborarbeit und den Elfenbeinturm hinausgeht".
Der deutsche Titel (im amerikanischen Original "The Scientific 100") ist irreführend, denn die Auswahl der Porträtierten ist keineswegs enzyklopädisch, sondern durchaus subjektiv. Es finden sich große Namen, zum Beispiel aus der Physik Michael Faraday, Enrico Fermi und Richard Feynman, aus der Mathematik Euklid, Leonhard Euler und Carl Friedrich Gauß, aus der Astronomie John Herschel, Edwin Hubble, Johannes Kepler und Nikolaus Kopernikus, aus der Biologie Jean Baptiste de Lamarck, Konrad Lorenz, Lynn Margulis, Ernst Mayr und Gregor Mendel. Simmons hat auch Forscher außerhalb der klassischen Disziplinen in seinen Tempel mit aufgenommen, so den Linguisten Noam Chomsky, den Entomologen und späteren Sexualwissenschaftler Alfred Kinsey und den Entwicklungspsychologen Jean Piaget. Ob der Beitrag des Atombombenkonstrukteurs Edward Teller zum Verständnis der Natur gleichrangig neben dem von Max Planck oder James Watson steht, wage ich zu bezweifeln.
Kaum nachvollziehbar ist allerdings der reichlich alberne Versuch, die Beschriebenen "in der Reihenfolge ihres Einflusses anzuordnen". Die höchst fragwürdige Hitliste beginnt mit Isaac Newton und endet mit Archimedes, obwohl letzterer ausdrücklich mit dem Anfang der Wissenschaft assoziiert wird. Eher peinlich mutet auch die im Anhang geführte Diskussion darüber an, warum Simmons etliche ausdrücklich Benannte wie Josiah Gibbs, Wolfgang Pauli oder Salvador Luria nicht aufgenommen hat. Diese Debatte ist müßig, denn eine begrenzte biographische Zusammenschau kann logischerweise keine Vollständigkeit bieten, und eine ohnehin subjektiv begründete Auswahl bedarf eigentlich keiner vertiefenden Ausreden.
Abgesehen davon sind die 100 Einzeldarstellungen, die jede einzelne Persönlichkeit auf etwa vier bis fünf Druckseiten präsentieren, wirklich lesenswert. Sie beschränken sich nicht auf Anekdotisches oder Episodisches, sondern zeichnen einfühlsam und kenntnisreich die menschliche Dimension des Abenteuers Wissenschaft nach, das neben Sternstunden auch sehr viel Tragik enthält.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 118
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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