Porträt: »Ich reduziere Ungewissheit«
Montagnachmittag, in einem Büro am University College in London trifft sich die Forschungsgruppe von Karl Friston. Man diskutiert eine geplante Schizophrenie-Studie. Im dunkelblauen Anzug, die Hände vor dem Bauch gefaltet, lauscht Friston den Ausführungen seiner Mitarbeiter. Nur ein gelegentliches Stirnrunzeln verrät, dass es hinter halb geschlossenen Lidern arbeitet. Als die Diskussion verebbt, richtet sich Friston auf. Er lächelt großväterlich in die Runde und sagt: »Jetzt müssen wir uns eine Frage stellen: Könnte alles, was wir über das Thema bislang glaubten, falsch sein?«
Friston gilt als einer der einflussreichsten Neurowissenschaftler unserer Zeit. In den letzten Jahren machte er vor allem mit einer Theorie Furore, die buchstäblich alles erklären soll, was im Gehirn passiert. Das »Prinzip der freien Energie« (englisch: »free energy principle«), das Friston vor gut zehn Jahren erstmals vorstellte, basiert auf zwei Grundannahmen. Erstens: Das Gehirn stellt permanent Prognosen über die Welt auf. Zweitens: Es bedient sich dazu der Regeln der bayesianischen Statistik. Laut Friston lässt sich somit die gesamte Tätigkeit des Gehirns auf ein einziges Ziel reduzieren: Vermeide Überraschungen, so gut es geht …
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