Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Porträt: »Ich reduziere Ungewissheit«

Der Brite Karl Friston glaubt, die Arbeitsweise des Gehirns entschlüsselt zu haben. Manche halten ihn deshalb für ein Jahrhundertgenie – andere für egoman.
Karl J. Friston

Montagnachmittag, in einem Büro am University College in London trifft sich die Forschungsgruppe von Karl Friston. Man diskutiert eine geplante Schizophrenie-Studie. Im dunkelblauen Anzug, die Hände vor dem Bauch gefaltet, lauscht Friston den Ausführungen seiner Mitarbeiter. Nur ein gelegentliches Stirnrunzeln verrät, dass es hinter halb geschlossenen Lidern arbeitet. Als die Diskussion verebbt, richtet sich Friston auf. Er lächelt großväterlich in die Runde und sagt: »Jetzt müssen wir uns eine Frage stellen: Könnte alles, was wir über das Thema bislang glaubten, falsch sein?«

Friston gilt als einer der einflussreichsten Neurowissenschaftler unserer Zeit. In den letzten Jahren machte er vor allem mit einer Theorie Furore, die buchstäblich alles erklären soll, was im Gehirn passiert. Das »Prinzip der freien Energie« (englisch: »free energy principle«), das Friston vor gut zehn Jahren erstmals vorstellte, basiert auf zwei Grundannahmen. Erstens: Das Gehirn stellt permanent Prognosen über die Welt auf. Zweitens: Es bedient sich dazu der Regeln der bayesianischen Statistik. Laut Friston lässt sich somit die gesamte Tätigkeit des Gehirns auf ein einziges Ziel reduzieren: Vermeide Überraschungen, so gut es geht …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Ein alter KI-Ansatz für wahre maschinelle Intelligenz?

Wahre maschinelle Intelligenz – Transparenz und feste Regeln zeigen einen Weg, die KI die Fähigkeit geben könnte, logische Schlüsse zu ziehen. Außerdem: Eisen für die Energiewende verbrennen, das Paradoxon fehlender Information im Universum und Schaden Energydrinks dem Gehirn Jugendlicher?

Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigen Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Pauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Spektrum der Wissenschaft – Innerer Dialog – Wie Kopf und Körper miteinander kommunizieren

Über ein fein abgestimmtes System aus neuronalen Netzwerken via hormonelle Steuerung bis hin zu zellulären Dialogen stehen Kopf und Körper in ständigem Austausch. Denn wie in jeder funktionierenden Gesellschaft gilt auch hier: Ohne Kommunikation geht nichts. Dieser innere Austausch ist ebenso komplex wie der soziale – und er läuft rund um die Uhr, meist, ohne dass wir ihn bewusst wahrnehmen. Er spielt auch eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit.

  • Quellen

Friston, K.: The free-energy principle: a unified brain theory? . Nature Reviews Neuroscience 11, 2010

Kirchhoff, M. et al.: The Markov blankets of life: autonomy, active inference and the free energy principle. Journal of the Royal Society Interface 15, 2018

Solms, M., Friston, K.: How and why consciousness arises: Some considerations from physics and physiology. Journal of Consciousness Studies 25, 2018 

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.