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Wie eine Balkengalaxie ihr Schwarzes Loch füttert

Gemeinhin gelten Schwarze Löcher, wie man sie im Zentrum von Galaxien vermutet, als kosmische Kannibalen, die sich mit Vorliebe kleinere Sternsysteme aus ihrer Umgebung einverleiben. Magnetfeldmessungen in der Balkengalaxie NGC1097 zeigen jedoch, daß deren mutmaßliches Schwarzes Loch seinen relativ bescheidenen Hunger mit Gas aus dem eigenen Sternsystem stillen kann.

Schwarze Löcher brauchen ständig Zufuhr an frischer Materie, sonst käme die Strahlung aus ihrer Umgebung rasch zum Erliegen. Das Bild vom überdimensionalen „kosmischen Staubsauger“, der alles in seiner Nähe einfach verschlingt, stimmt aber nur zum Teil. Tatsächlich reicht zuweilen eine Sonnenmasse pro Jahr, um den Bedarf eines Schwarzen Lochs zu decken – verschwindend wenig im Vergleich zum Gesamtinhalt einer Galaxie.

Dennoch ist bislang nicht klar, wie diese Materie in das Loch gesogen wird; denn kreisende Massen lassen sich nicht ohne weiteres so stark abbremsen, daß sie in ein Gravitationszentrum hineinstürzen, auch wenn dieses noch so stark ist. Reibung reicht bei den geringen interstellaren Dichten nicht aus; ein zusätzlicher Mechanismus ist nötig, der Drehimpuls von der rotierenden Materie abzieht. In der Galaxie NGC1097 konnten wir zusammen mit unseren russischen Kollegen Vladimir Shoutenkov, Anvar Shukurov und Dmitry Sokoloff jetzt einen solchen Mechanismus aufdecken.

NGC1097 erscheint wie viele andere Galaxien im sichtbaren Spektralbereich als Spirale mit einem ausgeprägten zentralen Balken (Bild unten). Das unsymmetrische Schwerkraftfeld einer solchen Balkengalaxie führt zu stark elliptischen Umlaufbahnen für die Sterne und das Gas um das Zentrum. Im Balken kommt es dadurch zu Stauungen des Gases, sogenannten Stoßwellen. Anders als ein Auto in einem Verkehrsstau wird das in den Balken stürzende Gas aber nicht abgebremst, sondern nur stark abgelenkt, so daß es am Rand des Balkens nach innen strömt. Dabei erreicht es Geschwindigkeiten von etwa 100 Kilometern pro Sekunde.

Diese Strömung konnten wir nun erstmals anhand der Stärke und Richtung der Magnetfelder in NGC||1097 ermitteln (Bild rechts). Da die Magnetfelder in der Gasströmung eingefroren sind, zeigen sie zugleich deren Bewegung an. Wie aber kann man kosmische Magnetfelder von der Erde aus messen? Das ist auf indirekte Weise möglich, weil Elektronen der kosmischen Strahlung darin eingefangen werden und fast mit Lichtgeschwindigkeit spiralartig um die Feldlinien rotieren. Dabei emittieren sie Synchrotronstrahlung im Radiobereich, die in Abhängigkeit von der Feldrichtung polarisiert ist.

Über die Magnetfelder von Balkengalaxien war bisher fast nichts bekannt. Daher begannen wir zusammen mit Kollegen aus Rußland und Australien im Jahre 1996, jene 20 Balkengalaxien zu beobachten, von denen die stärksten Radiosignale auf der Erde empfangen werden. Je nach ihrer Größe und Lage am Himmel benutzten wir außer

dem Effelsberger 100-Meter-Radioteleskop auch das Very Large Array in New Mexiko (USA) und das Australia Telescope Compact Array in Narrabri.

Eindeutig am stärksten polarisiert war die Radiostrahlung der Balkengalaxie NGC1097, die sich am Südhimmel befindet und rund 50 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Die üblichen Doppler-Messungen zur Bestimmung der Gasströmung sind im Fall von NGC1097 praktisch unmöglich: das Gas ist zwar mit einer Temperatur von weniger als 40 Kelvin (–233 Grad Celsius) so kalt, daß es fast ausschließlich in Form von Molekülen vorliegt, die Strahlung im Radiobereich aussenden. Ihre Bewegung sollte sich deshalb anhand der Doppler-Verschiebung ihrer Radio-Emissionslinien ermitteln lassen – aber nur sofern sie entlang der Sichtlinie zur Erde erfolgt; das ist jedoch nicht der Fall, weil der Balken von NGC||1097 genau quer dazu liegt.

Diese räumliche Anordnung ist nun

aber für Polarisationsmessungen geradezu ideal. Mit ihnen konnte unser Team nicht nur den Gasstrom entlang des Balkens, sondern erstmals auch die Stoßfront selbst direkt erkennen; zuvor war sie lediglich indirekt erschlossen oder aus Computersimulationen abgeleitet worden. Auf einer Länge von etwa 30000 Lichtjahren ändert sich hier die Richtung der Magnetfeldlinien abrupt um fast 70 Grad. Allerdings befindet sich die Stoßfront in der Mitte des Balkens, während sie nach Computersimulationen der Gasströmungen in Balkengalaxien an der Vorderkante (in Bezug auf die galaktische Rotation, hier also am linken Rand) auftreten sollte. Möglicherweise beruht die Diskrepanz darauf, daß die bisherigen Rechnermodelle keine Magnetfelder berücksichtigen.

Die im Balken nach innen strömenden Gase sammeln sich schließlich in einem Ring von rund 5000 Lichtjahren Durchmesser um das Zentrum der Galaxie. Teilweise verdichten sie sich dort zu neuen Sternen.

Das mutmaßliche Schwarze Loch im Innern des Rings macht sich durch eine starke Radio- und Röntgenstrahlung aus seiner Umgebung bemerkbar. Die überzeugendsten Hinweise auf seine Existenz lieferten Aufnahmen mit dem Satelliten ROSAT. Sie zeigen eine intensive Röntgenquelle im Zentrum von NGC1097; schwächere Röntgenstrahlung geht allerdings auch von einer dünnen Gashülle um die gesamte Galaxie aus – ein Indiz für einen starken Wind aus heißem Gas vom Zentrum nach außen, entgegengesetzt zum Strom der kalten Gasmassen nach innen.

Ohne einen wirksamen Bremsmecha-

nismus zum Abtransport des Drehimpulses würde das Gas im inneren Ring praktisch endlos auf einer stabilen Bahn um das Schwarze Loch kreisen. Wie unsere Radiobeobachtungen zeigen, nimmt das Magnetfeld innerhalb des zentralen Rings jedoch die Form einer Spirale an. Wir erklären diese besondere Struktur mit einer Art Dynamo, der von turbulenten Gasströmungen angetrieben wird und im größeren Maßstab auch bei Spiralgalaxien vorhanden zu sein scheint (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1996, S. 28).

Dieser Dynamo erzeugt ein Magnetfeld, das – anders als im Balken – nicht mehr direkt der Bewegung des Gases folgt, sondern in einem Winkel dazu orientiert ist. Das schräg zum Gasstrom gerichtete Feld ist stark genug, etwa eine Sonnenmasse an Gas pro Jahr Richtung Schwarzes Loch abzulenken. Gestützt wird dieser Befund von Aufnahmen des Weltraumtelekops Hubble, die dünne, spiralförmige Staubstreifen innerhalb des Rings zeigen.

Bisher wurde vermutet, daß das Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie vor allem durch Materie gespeist wird, die von außen in das Sternsystem gelangt – etwa beim Verschlingen kleinerer Nachbargalaxien. Unsere Arbeiten haben gezeigt, daß zumindest Balkengalaxien nicht auf solche seltenen Akte eines kosmischen Kannibalismus angewiesen sind. Sie können ihr Schwarzes Loch mit eigener Materie füttern.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1999, Seite 34
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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