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Sozialforschung: Wie klein ist die Welt wirklich?



"Die Welt ist ein Dorf", sagt man, wenn man bei-spielsweise im Urlaub neue Bekanntschaften schließt und feststellt, dass man gemeinsame Freunde hat. Im Jahre 1967 machte der Psychologe Stanley Milgram mit einer Studie Furore, aus der angeblich hervorging, dass zwei beliebige Menschen im Durchschnitt nur über sechs Bekanntschaften miteinander in Verbindung stehen. Nun wies Judith Kleinfeld von der Universität von Alaska in Fairbanks jedoch schwere Mängel in der damaligen Untersuchung nach, die deren Ergebnis praktisch entwerten. In Milgrams Experiment sollten zufällig ausgewählte Personen in Nebraska Briefe an ihnen unbekannte Menschen in Boston verschicken, von denen sie keine Adresse besaßen. Die meisten Schreiben erreichten dennoch ihr Ziel, indem sie jeweils an Bekannte weitergeleitet wurden. Die ausgewählten Personen bildeten jedoch keineswegs, wie von Milgram behauptet, einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Vielmehr handelte es sich überwiegend um gut verdienende, sozial aktive Menschen, die sich mit ihrem großen Bekanntenkreis brüsteten. Die Anzahl der Versuchsteilnehmer war überdies zu klein, um repräsentativ zu sein, die Erfolgsquote von dreißig Prozent zu gering für die gezogenen Schlussfolgerungen. Kleinfeld vermutet, dass die Studie trotz dieser und anderer Mängel so dankbar angenommen und nie in Frage gestellt wurde, weil sie einer allgemeinen Sehnsucht entgegenkommt, in einer überschaubaren Welt zu leben.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2001, Seite 28
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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