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Interview: Wir können auf die Kernenergie nicht verzichten

Auch die Energiewirtschaft muß sich der Herausforderung stellen, den CO2-Ausstoß zum Zwecke des Klimaschutzes zu mindern. Sie will jedoch keine staatliche Regulierung, sondern baut auf freiwillige Selbstverpflichtung. Dr. Werner Hlubek, Vorstandsmitglied bei RWE und RWE Energie, erläutert die Strategie seines Unternehmens.

Herr Doktor Hlubek, Klimamodelle eröffnen uns einen erschreckenden Blick in eine mögliche Zukunft. Die Bundesregierung hat deshalb schon vor Jahren das politische Ziel für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes formuliert. Wie schätzen Sie als Vorstandsmitglied eines der größten Energieversorgungsunternehmen in Deutschland die Einsparziele ein? Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, daß es einen anthropogenen Treibhauseffekt gibt. Deshalb müssen wir aus Vorsorgegründen handeln. Die Zielvorstellung der Bundesregierung ist sehr ehrgeizig. Sie durchzusetzen, ist nur möglich, wenn alle CO2-Emittenten in den Bereichen Verkehr, Haushalt, Industrie und Kraftwirtschaft gemeinsam ihren Beitrag leisten. Wir haben unseren Anteil im Rahmen einer Selbstverpflichtung festgelegt: Wir wollen, unter bestimmten Voraussetzungen, bis zum Jahre 2015 die CO2-Emissionen der Kraftwirtschaft bundesweit absolut um 25 Prozent senken. Welche Voraussetzungen sind das? Wesentlich ist, daß wir an den bestehenen Kernkraftwerken ohne politische Störungen festhalten können. Die Kernenergie in ihrem jetzigen Bestand ist ein wesentlicher Teil der Energieversorgung; wenn wir auf sie verzichten, bedeutet dies, daß jährlich zusätzliche 150 Millionen Tonnen CO2 aus fossilen Energieträgern freigesetzt werden. Unsere Selbstverpflichtung ist an die Voraussetzung der Kernenergie-Nutzung geknüpft. In Deutschland stößt die Kernenergie auf Widerstand, weil die Bevölkerung an der Sicherheit der Anlagen und der Entsorgung Zweifel hat. Ist in Entwicklungsländern oder den Staaten Osteuropas die Sicherheit nicht ein noch größeres Problem als bei uns? Würden Sie auch dort die Kernenergie als Perspektive zur Lösung des CO2-Problems empfehlen? Von den Gefährdungen, die in der Welt auf uns zukommen, halte ich die Kernenergie für eine der geringsten. Auch die Entsorgung ist technisch gelöst. Es ist ein Abwägungsprozeß, den jede Gesellschaft für sich treffen muß. Welches Risiko ist größer: das einer Klimaänderung oder das, Kernenergie mit westlichen Sicherheitsstandards zu nutzen? Gegenwärtig sind weltweit mehr als 400 Kernkraftwerke am Netz, und wollte man auf sie verzichten, wäre man auf fossile Energieträger als Ersatz angewiesen. Ich bin nicht der Meinung, daß Reaktoren wie die in Tschornobyl weiterbetrieben werden sollten; aber man muß vor Ort eine Alternative anbieten. Dies wäre entweder ein Neubau von Kernkraftwerken nach westlichen Sicherheitsstandards – dazu fehlt in vielen Ländern das Geld –, oder es muß ein anderer Ersatz für diese Anlagen geschaffen werden, also etwa durch Kraftwerksblöcke für fossile Brennstoffe, beispielsweise auf der Basis von Gas oder Kohle – was allerdings wiederum negativ in der CO2-Bilanz zu Buche schlägt. Ich bin nicht der Meinung, daß wir Kernkraftwerke in Entwicklungsländer exportieren sollten; denn dort sind die erforderliche Infrastruktur, der nötige Ausbildungsstand, das technische Know-how sowie die Unterstützung von den Behörden und eine technische Überwachung durch Institutionen wie etwa unseren TÜV nicht vorhanden. Wir haben eine explodierende Weltbevölkerung, die insgesamt selbst bei größter Entwicklungsanstrengung wohl nicht den Pro-Kopf-Energieverbrauch eines westlichen Industriestaates erreichen wird. Wenn wir nun hierzulande unseren Energieverbrauch reduzieren und damit auch den CO2-Ausstoß, müssen wir dennoch gerade in den Schwellenländern einen immensen Zuwachs befürchten, der mögliche Einsparungen bei uns im globalen Ergebnis wieder mehr als aufwiegt. Sollten nicht deshalb in Entwicklungs- und Schwellenländern verstärkt und mit unserer Hilfe die regenerativen Ressourcen Wasser-, Wind- und Solarenergie eingesetzt werden? Ja, ich sehe dort für die erneuerbaren Energien durchaus einen Ansatz. Etwa in Indonesien zum Beispiel Wasserpumpen zur Bewässerung von Feldern mit einer Solaranlage zu betreiben, was wir von RWE ja derzeit verfolgen, ist bestimmt der richtige Weg. Die Länder der Dritten Welt, die in der Regel im Sonnengürtel der Erde liegen, haben letztlich gar keine andere Möglichkeit. Deshalb ist die Förderung der Sonnenenergie nicht nur eine Angelegenheit der Energie-, sondern auch der Entwicklungshilfepolitik. Nur darf keinesfalls der Eindruck entstehen, daß die Anwendung alternativer Energien bei uns in der Grundlast große mit fossilen Energieträgern beheizte oder nukleare Kraftwerksblöcke ersetzen könnte. Wenn wir die gewohnte Versorgungssicherheit erhalten wollen, dann brauchen wir unsere traditionellen Kraftwerke. Das betriebswirtschaftlich Unangenehme für die regenerativen Energien wie Wind und Sonne ist, daß sie sich gegenüber dem Betrieb eines ohnehin aus Gründen der Versorgungssicherheit vorzuhaltenden konventionellen Kraftwerksblockes rechnen müssen – im Prinzip also nur gegenüber den variablen Kosten. Und dadurch stehen sie ökonomisch hoffnungslos im Abseits. Kann sich dies nicht einmal ändern? Warum investiert ein Unternehmen wie RWE in die Photovoltaik, wenn sie sich so schlecht rechnet? Ihr Engagement soll doch wohl mehr sein als ein Alibi für die Öffentlichkeit? Wenn wir die Hoffnung auf eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nicht hätten, würden wir nicht forschen. Zumindest für die Windenergie gilt, daß ihr Einsatz in Deutschland auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten vernünftig ist. Für diesen Energieträger sehe ich Chancen. Ob uns dies bei der Nutzung der Solarenergie mittels Photovoltaikzellen gelingen wird, weiß ich nicht. Aber wir sehen – wie andere auch – unsere Verpflichtung, einen Beitrag zur Weiterentwicklung dieser Stromerzeugungstechnologie zu leisten. Über unsere Tochtergesellschaft Nukem sind wir an der Entwicklung und am Vertrieb von Photovoltaikzellen durch die Angewandte Solarenergie (ASE) beteiligt. Allerdings produziert die ASE inzwischen aus Kostengründen in den USA. Der Absatzmarkt für Photovoltaik-Anlagen liegt außerdem eher im südamerikanischen Raum als hier. Wenn es uns gelingen würde, die Produktionskosten in beachtlichem Maße zu senken, hätte die Photovoltaik sicherlich mehr Anwendungsmöglichkeiten als heute. Regenerative Energien sind in Deutschland gegenwärtig etwa zu 4 Prozent am Energiemix beteiligt, davon entfällt der größte Teil auf die Wasserkraft. Dieser Teil wird sich bis 2005 auf 6 Prozent gesteigert haben, im Jahre 2020 vielleicht auf 10 Prozent. Und immer noch müssen dann 90 Prozent anders gedeckt werden, das ist zu bedenken. Würde es sinnvoll sein, am Technologiestandort Deutschland die Photovoltaik im großindustriellen Maßstab herzustellen und weltweit zu exportieren? Die Forschung ist in der Bundesrepublik schließlich sehr gut. Oder gibt es in Deutschland bei der Förderung der Technologieentwicklung durch den Staat aus Ihrer Sicht Versäumnisse? Wir befinden uns mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, aber auch mit der Bundesregierung in einer intensiven Diskussion. Der Bund will den Sektor der regenerativen Energien stark fördern, und auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist sehr darum bemüht. Durch eine Anschubfinanzierung ließe sich auf jeden Fall erst einmal ein Markt schaffen. So machen es die USA. Ein Unternehmen wie RWE Energie muß bei seinen Investitionsentscheidungen aber irgendwann Licht am Ende des Tunnels sehen. Denn wenn sich einmal der Staat zurückzieht – und irgendwann wird er es tun – müssen die Produkte, die wir verkaufen wollen, konkurrenzfähig sein. Um dies anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: Heute müssen wir für Strom aus Sonne oder Wind dem Lieferanten als Einspeisevergütung 17,21 Pfennig pro Kilowattstunde bezahlen. Das ist aber letztlich eine Quersubventionierung, deren Kosten wir an unsere Kunden weitergeben müssen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht die Stromerzeugung aus Sonne und Wind zu diesem Preis keinen Sinn. Denn da der Wind nicht unablässig bläst und die Sonne nicht immer scheint, müssen wir trotzdem eine entsprechende traditionelle Kraftwerkskapazität vorhalten. Die 17,21 Pfennig pro Kilowattstunde stehen also gegen 2 bis 3 Pfennig, die uns die Kilowattstunde kostet, wenn zum Beispiel ein Kohlekraftwerk als Ersatz für regenerativ zu erzeugenden Strom hochgefahren werden muß. Auf Dauer kann die jetzige Quersubventionierung durch unsere Stromkunden wohl nicht die Lösung sein. Aber es gibt ja sogar die Forderung, die Energieversorgungsunternehmen sollten dem Einspeiser die zwei Mark vergüten, die eine Kilowattstunde aus Photovoltaikanlagen hierzulande tatsächlich kostet. Woher sollen die Energieversorger das Geld für so teuren Strom nehmen? Wenn wir in Deutschland photovoltaische Energie wollen, muß unbedingt der Staat dafür eine Anschubfinanzierung vorsehen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich die Photovoltaik in unseren Breiten mit ihrer geringen Sonneneinstrahlung so rechnet, daß sie auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten konkurrenzfähig ist. Deutschland als Exportland für Photovoltaikanlagen – das ist allerdings durchaus eine wünschenswerte Idee. In den sechziger Jahren gab es keine kritische Distanz zur Kernenergie. Derzeit haben wir immer noch keine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernspaltung, wir haben die Sicherheitsproblematik, die Kostenproblematik – auch was die Endlagerung betrifft – und heftige, teils gewaltsame Auseinandersetzungen. Wenn man sich die Aufbruchstimmung aus der Anfangszeit der Kernenergie in Erinnerung ruft, stellt sich die Frage, warum es nicht möglich sein sollte, heute mit gleichem Elan die regenerativen Energien zu fördern und zu entwickeln? Schließlich sind wir – weltweit – darauf angewiesen, sie künftig zur Verfügung zu haben, wenn die fossilen Brennstoffe letztlich doch zur Neige gehen. Ich denke, es gibt dabei zwei wesentliche Aspekte zu bedenken. Zuerst der physikalische: Die Energiedichte ist bei den erneuerbaren Energien sehr gering, so daß sie nicht so leicht mit der geballten Leistung eines Kernkraftwerks konkurrieren können. Die Solarenergie benötigt riesige Flächen, um eine adäquate Strommenge liefern zu können. Der andere Aspekt ist betriebswirtschaftlicher Art. Damals wie heute gilt, daß Kernspaltung eine vergleichsweise billige Form der Energiegewinnung ist. Ein Beleg dafür sind die niedrigen Strompreise in Frankreich, dessen Energieerzeugung zu rund 75 Prozent auf Kernkraft beruht. Ob die Preise so bleiben, ist eine andere Frage; die Investitionskosten für ein neues Kernkraftwerk werden sicherlich wesentlich höher liegen als zum Beispiel für ein neues Kraftwerk, das mit Erdgas betrieben wird. Dennoch erkunden wir die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien und betreiben zum Beispiel drei große Photovoltaikanlagen – eine im spanischen Toledo und zwei in Deutschland, an der Mosel und im rheinischen Braunkohlerevier. Wir wissen aus den Betriebsdaten dieser Solaranlagen, daß wir in unseren Breiten die Kilowattstunde zu zwei Mark erzeugen. Das stimmt uns nicht gerade euphorisch. Ich meine, die Euphorie für die Kernenergie in den sechziger Jahren war anders begründet: Plötzlich konnte man auf kleinem Raum mit relativ billigen Anlagen eine riesige, im Prinzip sogar unbegrenzte Menge Strom erzeugen; denn die Perspektive war, über Brutreaktoren den Brennstoff der Kraftwerke gewissermaßen zu recyceln. Von der technischen Konzeption her ist das heute noch richtig. Nicht zu rechnen war damit, daß die Kernenergie so starke Ängste in der Bevölkerung erwecken würde. Darauf müssen wir nun Rücksicht nehmen. Glauben Sie denn, in dieser Frage überhaupt noch zu einem Konsens mit der Bevölkerung kommen zu können? Wir müssen uns als großes Energieversorgungsunternehmen in unserer Öffentlichkeitsarbeit auf die Befürchtungen der Bevölkerung gegenüber der Kernenergie einstellen und sie ernst nehmen. Wir müssen letztlich den Nachweis erbringen, daß die hypothetischen Störfälle, selbst wenn sie eintreten sollten, auf die Kernkraftwerksanlagen begrenzt bleiben. Es war ein Fehler – und auch zu kurz gedacht –, auf das Gefühl der Angst in der Bevölkerung zum Beispiel mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu antworten. Wir haben Menschen, die sich sorgten, gesagt, ihre Sorgen seien grundlos, denn ein Störfall mit Auswirkungen auf die Umgebung könne höchstens alle 100 000 Jahre auftreten. Wir mußten uns zu Recht fragen lassen, ob dieses statistische Ereignis nicht auch schon morgen geschehen könnte. Ich sehe aber – das möchte ich doch betonen – unser Heil und die Zukunft unserer Energieversorgung nicht allein in der Nutzung der Kernenergie. Wenn ich allerdings die CO2-Diskussion ernst nehme, kann ich auf die einzige nennenswerte Energiequelle, die kein CO2 verursacht und verfügbar ist, nicht verzichten. Andere Strategien zur Minderung des CO2-Problems sind rationellere Verfahren der Energieerzeugung und Sparmaßnahmen beim Verbraucher. RWE unterstützt auch das Energiesparen; wie verträgt sich das eigentlich mit den wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens, das doch am größtmöglichen Absatz von Strom am meisten verdient? Verstehen Sie sich als Klima-Sponsor? Richtig ist, daß wir versuchen, den spezifischen Stromverbrauch, zum Beispiel der besonders energiehungrigen Gefriergeräte, zu reduzieren. Das heißt aber nun nicht, daß wir eine Minderung im Gesamtstromverbrauch erreichen möchten. Es wird immer mehr Anwendungen für Strom geben, aber jede einzelne Anwendung wird weniger Strom erfordern. Dennoch kann diese Entwicklung auch mit einer CO2-Reduktion einhergehen. Der Mehreinsatz von Strom aus Kernenergie kann Strom aus fossilen Energieträgern ersetzen. Wir treten nicht mehr nur als Energieversorgungsunternehmen auf, sondern fühlen uns inzwischen auch als Energiedienstleister. In fast jeder größeren Stadt unseres Versorgungsgebietes haben wir eine Energie-Beratungsstelle eingerichtet, und beraten werden dort nicht nur Haushaltskunden, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen denen wir Energiesparkonzepte vorschlagen. Rechnen wird sich diese Aktivität nicht unbedingt kurzfristig; wir hoffen aber, daß sich solch ein Angebot mit Kundennutzen langfristig auszahlt. In diesem Zusammenhang entwickelt sich seit einiger Zeit eine Diskussion um das sogenannte Least-Cost-Planning, eine unternehmerische Methode, die darauf setzt, in das Energiesparen statt in neue Anlagen für den Mehrverbrauch von Strom zu investieren. Was halten Sie von einer solchen Strategie? Ohne es zu wissen, haben wir wohl längst Least-Cost-Planning betrieben. Denn wenn wir den Energieverbrauch so reduzieren, daß sich letztlich der Aufwand für das Sparen im Vergleich zu den Investitionskosten eines zusätzlichen Kraftwerkes rechnet, ist das in meinen Augen Least-Cost-Planning. Wir wollen uns gegenüber den Aufgaben des Umweltschutzes nicht verschließen. Wir haben kürzlich einen Umwelttarif eingeführt, mit dem wir RWE-Kunden, welche die Entwicklung der erneuerbaren Energien aus privater Initiative fördern möchten, in die Lage versetzen, dies auch zu tun. Wenn unsere Kunden bereit sind, dafür 20 Pfennig pro Kilowattstunde zusätzlich zu zahlen, unterstützt RWE dieses Anliegen und verdoppelt den Einsatz, legt also noch einmal 20 Pfennig drauf. Auch bei der Energieerzeugung lassen sich Einsparpotentiale nutzen. Haben Sie dabei schon das Optimum erreicht? In unseren konventionellen Kraftwerken wollen wir mit möglichst geringem Einsatz fossiler Brennstoffe möglichst viele Kilowattstunden Strom erzeugen. Dazu verbessern wir bei RWE Energie die Wirkungsgrade unserer Braunkohlekraftwerke. Durch den Einbau strömungstechnisch optimierter Turbinenschaufeln und -gehäuse werden ab 1997 jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO2 bei gleicher Stromerzeugung vermieden. Die Verbesserung des Wirkungsgrades gebietet sich auch aus wirtschaftlichen Überlegungen. In den fünfziger Jahren haben Kraftwerke zur Erzeugung einer Kilowattstunde im Vergleich zum heutigen Stand der Technik das Doppelte an Ressourcen verbraucht. Die Tendenz ist positiv, und wir denken weiter über Stromerzeugungstechniken nach, mit denen wir noch höhere Wirkungsgrade erzielen können. So haben wir gemeinsam mit den Herstellerfirmen ein Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik entwickelt. Dabei handelt es sich um die nach heutigem Kenntnisstand modernste konventionelle Braunkohlekraftwerksanlage, die kurzfristig in großtechnischem Maßstab realisiert werden kann. Wir wollen durch den Bau dieses neuen Kraftwerksblocks mit einem Wirkungsgrad von mehr als 43 Prozent Altanlagen mit weitaus höheren spezifischen CO2-Emissionen ersetzen. Aber auch durch den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung in unseren fossil befeuerten Kraftwerken wollen wir die Brennstoffausnutzung erhöhen. Die Verbesserung der Kraftwerkstechnik ist zudem unter dem Aspekt relevant, auch weltweit die Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren. Mit relativ einfachen Mitteln und vergleichsweise konstengünstig läßt sich der Wirkungsgrad älterer Kraftwerksanlagen in China oder in Osteuropa verbessern. Aus der Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro hat sich ein Instrument für transnationale Kooperationen ergeben: Industrieländer, die in Entwicklungsländern etwa auf die von Ihnen beschriebene Weise Emissionsminderungen erreichen, können diese auf die eigene Pflicht zur Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen anrechnen. Müßte aber nicht eigentlich, aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den armen Ländern und des Klimaschutzes, die Verpflichtung zur Reduktion im eigenen Land unbeschränkt bestehen bleiben? Nein, denn die Anrechnung ist ja gerade der Sinn dieses Instruments. Wir müssen auf der ganzen Welt die Emission von Treibhausgasen, besonders die des CO2, reduzieren. Wir wollen es dort tun, wo wir es am leichtesten und schnellsten erreichen können und wo solche Investitionen im Ausland auch in irgendeiner Form belohnt werden. Das CO2-Problem kann nicht in einem Land allein gelöst werden. Wenn wir nur in den Industrieländern durch Optimieren der Technik den Energieverbrauch reduzieren, wird diese Einsparung innerhalb kurzer Zeit wieder aufgezehrt durch den erhöhten Energieverbrauch einer wachsenden Weltbevölkerung und das Wirtschaftswachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Wenn ich eine weltweite Klima-Vorsorgestrategie entwickle, ist es wichtig, daß sie überall realisiert wird. Welche Wünsche hätten Sie denn dabei an die Politik? Soll alles, was zum Schutz des Klimas getan werden muß, auf freiwilliger Basis geschehen? Eine Energie- oder CO2-Steuer lehnen Sie ja kategorisch ab. Was soll der Staat denn überhaupt in dieser Frage tun? Wir brauchen bei den Problemen öffentlicher Akzeptanz der Kernenergie die Rückendeckung der Politik, auch der Landesregierungen. Wir müssen Investitionen so lange nutzen können, daß sie sich rechnen; sonst gibt es hier auch keinen Investitionsstandort für derartige Technologien mehr. Aber ich habe trotz allem große Hoffnung auf einen Energiekonsens. Ich glaube, daß wir vom Grundsatz her kluge Politiker haben. Die künftige Energieversorgung ist doch eine entscheidende, überparteiliche Frage. Das große Signal jetzt in einer Energie- oder CO2-Steuer zu sehen, halte ich allerdings für ausgesprochen falsch. Was sollte sie bewirken? Die Kraftwerke stehen, und wenn man sie mit einer Steuer belegt, dann wird unser Produkt lediglich teurer, und die Industrien mit energieintensiven Anlagen werden Deutschland über kurz oder lang verlassen. Diese Unternehmen werden zum Beispiel in Dänemark zu ihrer Entlastung staatlich unterstützt. Und der Verbraucher subventioniert sie dann quer? Das kann nicht der Sinn sein. Vielleicht kann eine Energiesteuer zum Bau besserer Kraftwerke motivieren und die weitere Entwicklung regenerativer Energien fördern; das braucht allerdings Zeit. Inzwischen würden höhere Energiekosten jedoch unsere Produktion verteuern. Wenn andere Länder eine solche Steuer nicht einführen, wird dadurch der Wettbewerb verzerrt. Auf der europäischen Ebene ließe sich eventuell darüber reden, aber über den globalen Effekt einer solchen Steuer kann es keine sichere Aussage geben. Läßt sich das CO2-Problem überhaupt lösen? Es wäre vermessen zu behaupten, ich hätte Hoffnung, das Problem wäre zu lösen, denn wir werden immer anthropogene Kohlendioxid-Emissionen haben. Aber wir sollten alle Anstrengungen unternehmen, um es in Grenzen zu halten. Einen Königsweg, der uns weltweit aus dem Kohlendioxid-Problem herausführt, kenne ich nicht.

Die Gespräche führten Dieter Beste und Marion Kälke.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 44
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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