Interview: "Wir müssen die Möglichkeiten der Selbstversorgung armer Länder fördern"
Zwei kritische Problemfelder beschäftigen heute alle, die mit Landwirtschaft und Ernährung befaßt sind: Weltweit sind 800 Millionen Menschen chronisch unterernährt, und die pflanzengenetischen Ressourcen gingen und gehen dramatisch zurück. Schon in der Agenda 21 der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 wurde einerseits eine Steigerung der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefordert, andererseits eine nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen und die Erhaltung der Artenvielfalt. Wie sollen der Kampf gegen Hunger und Unterernährung und der Schutz der Biodiversität zusammengehen? Zwischen den Anstrengungen zur Verbesserung der Ernährungslage von Millionen Menschen und der Bewahrung der natürlichen Grundlagen für die Nahrungsmittelproduktion und damit der biologischen Vielfalt bei Nutzpflanzen und -tieren sehe ich keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Sollen die Ertragsfähigkeit im Ackerbau und das Leistungsvermögen in der Tierhaltung nachhaltig gesteigert werden, müssen Pflanzen- und Tierzüchter auf eine möglichst breite genetische Basis zurückgreifen können. Landwirte und Züchter wissen heute, daß zusätzliche Nahrungsmittel und agrarische Rohstoffe für die wachsende Weltbevölkerung nur auf einer dauerhaft sicheren Basis gewonnen werden können, also bei schonender Nutzung der natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser, Klima und auch biologischer Vielfalt sowie mit Rücksicht auf die kommenden Generationen. In den Entwicklungsländern ist noch ein Potential für höhere Ernten sowie mehr Tierprodukte und Fleisch vorhanden. Allerdings sind der Ausweitung von Ackerflächen Grenzen gesetzt. Somit bleibt als Hauptstrategie, um die Erntemengen im erforderlichen Umfang zu steigern, eine umweltschonende Intensivierung des Ackerbaus durch eine ökonomisch und ökologisch vertretbare künstliche Bewässerung, Mineraldüngung und integrierten Pflanzenschutz. Dazu gehört auch die Nutzung von ertragreicheren Pflanzensorten. Gerade mit der Bevorzugung von Hochertragssorten ging die Biodiversität doch auch zurück. Muß man nicht folgern, mit dem Artenschwund wachse der Hunger? Ich glaube nicht, daß sich der Rückgang der Artenvielfalt bisher entscheidend auf die Welternährungslage ausgewirkt hat. Die meisten Arten, die bedroht sind, dienen nicht der menschlichen Ernährung. Langfristig kann der Artenschwund allerdings ganze Ökosysteme destabilisieren und somit auch die menschlichen Lebensgrundlagen gefährden. Mit jeder aussterbenden Art verlieren wir zudem genetisches Potential für künftige Züchtungsarbeiten. Diesen Entwicklungen ist durch eine nachhaltige Landbewirtschaftung entgegenzuwirken, die auch genügend Raum für den Erhalt wildlebender Arten läßt. Die FAO hat in den sechziger Jahren die Grüne Revolution initiiert, die vor allem in Asien gewaltige Steigerungen der Erträge bewirkte. In den letzten 30 Jahren hat sich die Agrarproduktion in der Welt verdoppelt. Heute hingegen werden die Methoden der intensiven Landwirtschaft angeprangert: Außer der Uniformität ertragsstarker Kulturpflanzen sind ausgelaugte Böden, unfruchtbare Flächen, gegen Pflanzenschutz resistente Schädlinge und nun auch besonders anfällige Anbauarten die Folge. Die Grüne Revolution konnte den Hunger nicht besiegen – doch was kommt danach? Leider ist der Hunger in der Welt noch nicht besiegt. Trotzdem ist schon viel erreicht worden. Anfang der sechziger Jahre bevölkerten rund 3,1 Milliarden Menschen die Erde, mittlerweile sollen 5,7 Milliarden satt werden. Wenn heute der größte Teil der Weltbevölkerung ernährt werden kann, so ist dies auch auf die intensivere Landbewirtschaftung in den Entwicklungsländern zurückzuführen. Dabei wurden, wie Sie richtig anmerken, durch die Einführung neuer Sorten zum Beispiel bei Reis, Weizen und Mais erstaunliche Ertragssteigerungen erreicht. Bevölkerungsreiche Länder in Asien wie Indien und Indonesien wurden dadurch zum Teil Selbstversorger. Die Erfahrungen haben nun aber gezeigt, daß die Grüne Revolution der sechziger Jahre zu einseitig auf Technologie ausgerichtet war. Schäden an den natürlichen Grundlagen der Agrarproduktion sind nicht ausgeblieben. Bei der Einführung der neuen Methoden und Betriebsmittel wurden zum Teil die sozialen, ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen nicht berücksichtigt, die für ihre erfolgreiche Nutzung gegeben sein müssen. Dazu gehören außer der bloßen Verfügbarkeit von Produktionsmitteln auch Kredite und Wissen, Beratung und andere Dienstleistungen ebenso wie Produktionsanreize für die Bauern durch eine entsprechende Preis- und Steuerpolitik. Aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit hat man aber gelernt. Und was hat man gelernt? Inzwischen gehen die FAO, die internationalen Agrarforschungszentren wie auch nationale Regierungen an die in den meisten Entwicklungsländern unerläßliche Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion anders heran. Die Maßnahmen werden in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung und im Zusammenspiel mit den sozialen und ökonomischen Bedingungen im ländlichen Raum angewandt. Man konzentriert sich nicht mehr einseitig auf wenige Nahrungs- und Industriepflanzen. Integrierter Pflanzenschutz, Mischkulturen, Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion, standortgerechte Anbaumethoden und umweltgerechter Einsatz von modernen Betriebsmitteln werden stärker gefördert. Gibt es einen Weg zurück zur extensiven, kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Ländern, wo sie nicht mehr existiert? Und sollte sie dort, wo sie noch dominiert, nicht erhalten werden? Die kleinbäuerliche, auf Eigenversorgung und die Belieferung lokaler Märkte ausgerichtete Landwirtschaft wird in den meisten Entwicklungsländern auch weiterhin vorherrschen. Acker- und Weideflächen lassen sich jedoch nur begrenzt zur Produktionssteigerung ausdehnen. Vor allem in den Ländern mit weiterhin wachsender Bevölkerung, die zudem vermehrt in urbane Zentren drängt, wird deshalb eine rein extensive Bewirtschaftung nicht möglich sein. Eine Intensivierung im Sinne guter landwirtschaftlicher Praxis zur nachhaltigen, standortgerechten Nutzung der natürlichen Ressourcen ist unumgänglich, wenn die bis zum Jahr 2010 auf mehr als sieben Milliarden Menschen wachsende Weltbevölkerung ausreichend ernährt werden soll. Die Internationale Technische Konferenz über pflanzengenetische Ressourcen der FAO im Juni 1996 in Leipzig hat einen Globalen Aktionsplan und die sogenannte Deklaration von Leipzig verabschiedet. Nichtregierungsorganisationen kritisieren, daß mit den darin formulierten Vorschlägen nicht die Ursachen der Gen-Erosion bekämpft würden, und sie befürchten, daß ein unverbindlicher Plan noch keine Handlungen forciere. Ich sehe es als großen Erfolg an, daß in Leipzig ein Weltaktionsplan und die Leipziger Erklärung verabschiedet werden konnten. Dem Plan müssen selbstverständlich Taten folgen. Doch gerade in der heutigen Zeit, bei weltweit knappen finanziellen Ressourcen, ist abgestimmtes internationales Handeln, das auf einem gemeinsamen Plan aufbaut, die beste Voraussetzung, langfristig erfolgreich zu sein. Mit welcher politischen Strategie geht die deutsche Bundesregierung an den Welternährungsgipfel in Rom in diesem November heran? Was ließe sich denn dort erreichen, um langfristig erfolgreich zu sein? Das Ziel der Welternährungskonferenz von 1974, Hunger, Mangelernährung und Ernährungsunsicherheit innerhalb von zehn Jahren zu beseitigen, ist trotz des gestiegenen Nahrungsmittelaufkommens nicht erreicht worden. Deshalb soll der Welternährungsgipfel in Rom nicht nur abermals das Problembewußtsein, sondern auch die Bereitschaft erneuern, Hunger und Mangelernährung zu beseitigen und Ernährungssicherheit für alle Menschen zu jeder Zeit zu gewährleisten. Dazu bedarf es abgestimmter Politiken und Strategien auf globaler, nationaler und regionaler Ebene. Diese müssen sich aus meiner Sicht am Prinzip der Ernährungssicherung aus eigener Kraft orientieren. Dies entspricht auch dem von der Bundesregierung in der Entwicklungszusammenarbeit verfolgten Grundsatz, die wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen – vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern – durch Förderung der Hilfe zur Selbsthilfe zu verbessern. Ernährungssicherung und Armutsbekämpfung sind eng miteinander verknüpft. Deshalb bedarf es der Entwicklung und Stärkung der Kaufkraft. Die Regierungen aller Staaten tragen die Verantwortung für die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihres jeweiligen Landes, die eine effiziente, sozial und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft und die Entwicklung der ländlichen Gebiete ermöglichen. Staatliches Handeln muß entwicklungsorientiert sein. Dazu gehören unter anderem eine aktive Bevölkerungspolitik, die Sicherung einer adäquaten Gesundheitsversorgung, Bildungsleistungen ebenso wie das Vermeiden unproduktiver Ausgaben und die Bekämpfung von Korruption. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, daß diese und weitere Elemente in den sieben Verpflichtungen des Aktionsplans ausgewogen ihren Niederschlag finden. Wichtig ist, daß nach dem Welternährungsgipfel konkrete Aktionen zur Umsetzung der Beschlüsse von Rom eingeleitet werden. Nun gibt es Vorwürfe an die Welternährungsorganisation, die unterstellen, sie bekämpfe nicht den Hunger, sondern verwalte ihn. Wie sehen Sie die Rolle und die Effizienz der FAO? Die Arbeit der FAO kann man gewiß noch verbessern; sie aber mit dem Schlagwort "Verwaltung des Hungers" abzutun, halte ich für unzutreffend und unangemessen. Es liegt weder in der Kraft noch im Mandat dieser Organisation, das Problem des Hungers global zu lösen. Sie hat die Aufgabe, zur besseren Ernährung und Überwindung des Hungers, zur verbesserten Erzeugung und Verteilung von Agrarerzeugnissen sowie zur Gestaltung günstigerer Lebensbedingungen für die ländliche Bevölkerung beizutragen. Eine besondere Rolle spielt die FAO für mich bei der Beratung der Entwicklungsländer. Überdies erfüllt sie die wichtige Aufgabe, statistische Daten und Fachinformationen zu sammeln, zu analysieren und nutzergerecht zu verbreiten. Auch die Erarbeitung und Umsetzung internationaler Normen und Vereinbarungen etwa zum Schutz der Fischereiressourcen oder bei der Bewahrung der biologischen Vielfalt landwirtschaftlicher Nutzpflanzen und -tiere bedarf der koordinierenden Rolle oder Mitwirkung der FAO. Schließlich kann sie auf einen über Jahrzehnte gewachsenen Informations- und Wissensfonds zurückgreifen. Die Bundesregierung drängt allerdings darauf, daß die dem FAO-Sekretariat bereitgestellten Mittel durch effizientere Verwaltung, Konzentration auf Schwerpunktaufgaben sowie verbesserte Abstimmung und Arbeitsteilung im Rahmen der Vereinten Nationen optimal eingesetzt werden. Warum will Deutschland keine höheren Beiträge zahlen? Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß Deutschland mit einem Anteil von rund zehn Prozent am FAO-Etat der drittgrößte Beitragszahler nach den USA und Japan ist. Der Haushaltsansatz für die Jahre 1996 und 1997 ist erstmals in der Geschichte der FAO im Vergleich zu den Vorjahren real verringert worden. Damit ist man dem Trend in zahlreichen internationalen Organisationen gefolgt. Der größte Beitragszahler – die USA – war aufgrund nationaler Haushaltszwänge nur bereit, seinen Anteil am Beitragsaufkommen im Rahmen eines stark reduzierten FAO-Haushalts zu erfüllen. Die Zustimmung der Bundesregierung zu einem höheren FAO-Haushalt und damit einem höheren nationalen Beitrag hätte für Deutschland und auch für andere EU-Staaten ein noch stärkeres Ungleichgewicht in der Lastenverteilung mit sich gebracht. Nachrichten aus diesem Jahr lauten: Die weltweiten Nahrungsmittelreserven schrumpfen. Dürren und Überschwemmungen hatten in weiten Regionen Mißernten zur Folge. Da jedoch unsere früheren Getreideüberschüsse, die billig in arme Länder abgegeben wurden, dort die Eigenproduktion zurückgehen ließen, ist deren Versorgung mit Nahrungsmitteln heute besonders gefährdet. Hoher Weltmarktpreise wegen können solche Länder aber die Getreideimporte nicht bezahlen. Ein Preisverfall ist wiederum nicht im Interesse der europäischen Bauern, und Subventionen für Exporte verbieten die jüngsten Beschlüsse zum GATT, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen. Jedes Dilemma ist mit weiteren verklammert. Welche Wege führen heraus? Wir haben es mit einer relativ kurzzeitigen Verknappung zu tun, unter anderem wegen der zeitweiligen Probleme der Übergangsländer in Mittel- und Osteuropa sowie in der ehemaligen Sowjetunion. Nach FAO-Schätzung ist für das Erntejahr 1996/97 mit 1,828 Millarden Tonnen Getreide zu rechnen, das wären 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Steigerung des Aufkommens in den entwickelten Ländern bestätigt, daß durch die nachfragebedingte Erweiterung der Anbauflächen in den Hauptanbauregionen Nordamerikas, Westeuropas und Australiens der kurzzeitige Abwärtstrend ausgeglichen werden kann. Richtig ist, daß die zeitweilige Verteuerung auf den internationalen Märkten es den Nahrungsdefizitländern mit unzureichenden Deviseneinkünften und geringer Kaufkraft erschwert, Getreide zu importieren. Deshalb sollen für solche Länder besondere Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden, um die mit der allmählichen Liberalisierung im Agrarhandel einhergehenden Preisbelastungen bei Getreide zu dämpfen. Billige Exporte aus den Überschüssen Europas können kurzfristig Not lindern, aber nicht die von Ihnen angesprochene Selbstversorgung armer Länder langfristig fördern. Ebenso verhält es sich mit Nahrungsmittelhilfe. Internationale Nahrungsmittelhilfe sollte eben deshalb auf die Behebung akuter Mangelsituationen beschränkt bleiben. Sie wird trotzdem auch weiterhin unerläßlich sein – als ergänzende Maßnahme zur Gewährleistung der regionalen Ernährungssicherheit. Einkommensschwache Länder, die selber zu wenig Getreide ernten, werden wohl auch künftig ihren Mehrbedarf nicht aus eigener Kraft durch kommerzielle Importe decken können. Nahrungsmittelhife wird jedoch vor allem erforderlich sein, um Notsituationen infolge von Naturkatastrophen sowie – leider immer noch – von Kriegsereignissen zu überbrücken. Dabei greift man aber zum Beispiel im Rahmen des Welternährungsprogramms auch auf Bestände zurück, die in Überschußregionen der Entwicklungsländer selbst anfallen. Latente Hungerprobleme lassen sich mit Nahrungsmittelhilfe allerdings nicht lösen. Dazu ist eine auf Armutsbekämpfung und landwirtschaftliche Entwicklung ausgerichtete Politik der jeweiligen Regierungen erforderlich, die durch geeignete internationale Rahmenbedingungen und durch gezielte Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit ergänzt werden sollte. Besteht die Gefahr von Konflikten, wenn etwa das bevölkerungsreiche China die internationalen Getreidemärkte leerkauft? Der Importbedarf von China bei Getreide wird vermutlich weiter steigen. Das hängt nicht nur mit dem Bevölkerungszuwachs, sondern vor allem mit dem steigenden Fleischverzehr zusammen: Die höhere Nachfrage nach Futtergetreide kann das Land aus eigener Erzeugung nur zum Teil decken. Des weiteren dürfte die Ackerfläche Chinas im Zuge der weiteren Industrialisierung und Urbanisierung abnehmen. Trotz dieser Entwicklungen glaube ich aber nicht, daß die Versorgungslage in China Konflikte auf dem Weltgetreidemarkt heraufbeschwört. China produzierte 1995 etwa ein Viertel des gesamten Getreides in der Welt. Einerseits hat sich der Import des Landes in den letzten Jahren verdreifacht. Andererseits steigt auch die Eigenproduktion. Mithin könnte China als Importeur im nächsten Jahrzehnt ähnlich bedeutsam werden, wie es in der Vergangenheit die Sowjetunion war – und bedrohliche Konflikte gab es deswegen nicht. Sie erwähnten den zunehmenden Fleischverzehr der Chinesen. Fleischkonsum ist in vielen Ländern ein Merkmal von Wohlstand. Das Viehfutter verschlingt aber nun einen erheblichen Teil des Getreides der Welt, der auch direkt Menschen ernähren könnte. Die Eßkultur wird trotz mancher Veränderungen stark durch traditionelle Verhaltensweisen geprägt. Der Staat kann dafür sorgen, daß die Verbraucher wissenschaftlich fundiert über gesunde Ernährung informiert werden. Letztlich muß es aber jedem freistehen, sich so zu ernähren, wie er möchte. Bei Fleisch sind zudem unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten. So ist der Verzehr in der Europäischen Union und besonders in Deutschland seit einigen Jahren rückläufig. Entsprechend ist der Futtermittelbedarf insgesamt gesunken. Andererseits steigen nun Fleischkonsum und der Verbrauch von Futtergetreide in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländern. Welche Forschung müßte betrieben und gefördert werden, um die besorgniserregende Lage der Welternährung besser in den Griff zu bekommen? Eine breit angelegte Agrarforschung ist auf eine größere Vielfalt von Nutzpflanzen und Nutztieren einschließlich standortangepaßten Anbaus beziehungsweise tierartgerechter Haltung auszurichten. Biologische und geophysikalische Gegebenheiten des Standortes müssen im Rahmen integrierter Produktionsverfahren verstärkt berücksichtigt werden. Eine entsprechende Umorientierung ist bereits im Gange. Wissenschaft und Technologie allein werden die Probleme der Ernährungssicherheit von Entwicklungsländern allerdings nicht lösen können. Es bedarf geeigneter sozialer, ökonomischer und institutioneller Voraussetzungen, um das zu erhalten und weiterzuentwickeln, was bislang erreicht worden ist. Ist Biotechnologie Ihrer Ansicht nach verstärkt zu fördern? Halten Sie die Gentechnik für eine vertretbare Option, um Positives zu bewirken? Ich bin überzeugt davon, daß – innerhalb eines angemessenen Schutz- und Sicherheitsrahmens – auf die Bio- und Gentechnologie nicht verzichtet werden kann. Ihr kommt bei der Sicherung der Welternährung mittels nachhaltiger Landwirtschaft große Bedeutung zu. Beispielsweise können widerstandsfähigere Pflanzen die Ertragssicherheit eher gewährleisten, der Anbau bestimmter Arten auf bislang ungünstigen Flächen wird ermöglicht, und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln kann reduziert werden. Einige Entwicklungsländer und internationale Forschungszentren haben diese Chancen erkannt und fördern entsprechende Anstrengungen. Die sich abzeichnenden Möglichkeiten sind allerdings immer noch Gegenstand heftiger Diskussionen. Die Bauern in den Entwicklungsländern werden die für den Agrarsektor relevanten neuen Technologien erst mittelfristig voll nutzen können.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1996, Seite 87
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