Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Selbsttäuschung: Wir wissen viel weniger, als wir glauben

Wir überschätzen unser Wissen systematisch – eine Illusion mit vielen guten Seiten, die uns Selbstvertrauen und Wagemut schenkt.
Slotins Experiment (Rekonstruktion)

Acht Männer befanden sich im Werkraum des Laboratoriums des damals hochgeheimen Kernforschungszentrums Los Alamos, als ein junger Physiker namens Louis Slotin dort 1946 ein riskantes Experiment durchführte, das der später weltberühmte Physiker Richard Feynman als »den ­Drachen am Schwanz kitzeln« bezeichnete. Slotin hatte im Jahr zuvor den Kern der ersten Atombombe, der ­Hiroshima-Bombe, montiert. Nun wollte er seinen Kollegen zeigen, wie sich Plutonium verhält, wenn man es mit dem Leichtmetall Beryllium zusammenbringt. Pluto­nium ist die wichtigste radioaktive Substanz in Atombomben. Slotin hatte vor, zwei Halbkugelschalen aus Beryllium, die um einen Plutoniumkern angeordnet waren, so dicht zusammenzubringen, dass eine Kettenreaktion ausgelöst würde. Beryllium reflektiert die Neutronen und verstärkt so die Kettenreaktion.

Es handelte sich allerdings um ein gewagtes Experiment. Falls die beiden Halbkugelschalen einander zu nahe kämen, konnte es zu einer unkontrollierten Kettenreaktion und damit zum Austritt von Strahlung kommen. Der damals 36-jährige Slotin war zwar ein erfahrener Experimentator, aber zum Auseinanderhalten der beiden Berylliumschalen verwendete er nur seine linke Hand, welche die eine Halbschale mittels eines Daumenlochs im Griff hatte, und einen Schraubenzieher in der rechten Hand, mit dessen Hilfe er die beiden Schalen noch auf Abstand hielt. Dabei rutschte der Schraubenzieher aus Versehen aus dem Spalt, die ­beiden Halbschalen krachten aufeinander, wodurch prompt eine überkritische Reaktion ausgelöst wurde ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Selbstüberschätzung: Wie Unwissenheit zu falschem Selbstvertrauen führt

Laut dem Dunning-Kruger-Effekt führt Unwissenheit zur Selbstüberschätzung, weil die Kompetenz fehlt, seine Grenzen zu erkennen. Andere Fachleute bezweifeln die psychologische Erklärung, manche halten den Effekt sogar für ein reines statistisches Artefakt. Ist dem wirklich so? Daneben geht David Dunning im Interview auf seine Studien über Selbstüberschätzung, Wunschdenken und leichtfertiges Vertrauen ein. Darüber hinaus erfahren Sie in dieser Ausgabe, wie künstliche Intelligenz die Analyse von Hirnaktivitäten auf ein neues Niveau hebt und damit neue Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ermöglicht. Lähmungen oder Zittern ohne erkennbare Ursache galten lange als rätselhaft, doch langsam werden funktionelle Bewegungsstörungen immer besser verstanden und wirksame Therapien entwickelt. Im Rahmen der Serie »Die Sprache der Wale« stellen wir die komplexe Sprache der Delfine und Wale vor und wie diese mit künstlicher Intelligenz entschlüsselt wird. Zudem berichtet der Biologe Lars Chittka über seine Forschungen an Bienen und andere Insekten, die weitaus komplexere kognitive Fähigkeiten besitzen als bislang gedacht.

Spektrum - Die Woche – Wer inkompetent ist, überschätzt sich gern

Wer in Tübingen lebt, kommt kaum am Stocherkahn vorbei – charmant wie eine Gondel, aber mit Muskelkraft betrieben. Was einfach aussieht, entpuppt sich als schweißtreibend. Warum wir uns oft überschätzen und was der Dunning-Kruger-Effekt wirklich erklärt, lesen Sie in unserer Titelgeschichte.

Spektrum - Die Woche – Putzig, aber unerwünscht

Waschbären haben sich in Europa rasant verbreitet – die einen finden sie niedlich, andere sind nur noch genervt, weil die Tiere den Müll plündern oder in den Dachboden einziehen. Dazu kommen Risiken für Gesundheit und Natur. Wie stark schaden sie der heimischen Tierwelt und uns Menschen?

  • Quellen

Landauer, T. K.: How Much Do People Remember? Some Estimates of the Quantity of Learned Information in Long-Term Memory. In: Cognitive Science 10, S. 477–493, 1986

Lawson, R.: The Science of Cycology: Failures to Understand how Everyday Objects Work. In: Memory & Cognition 34, S. 1667–1675, 2006

Rozenblit, L., Keil, F.: The Misunderstood Limits of Folk Science. An Illusion of Explanatory Depth. In: Cognitive Science 26, S. 521–562, 2002

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.