Wirtschaftliche und politische Überlegungen zur Kohlendioxid-Endlagerung
Wegen der Gefährdung des Weltklimas durch das Treibhausgas Kohlendioxid besteht inzwischen in-ternationales Einvernehmen darüber, seine weitere Anreicherung in der Atmosphäre zu begrenzen. Eine Stabilisierung der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration auf dem Doppelten des vorindustriellen Wertes – also bei 0,055 Prozent – gilt allgemein als Mindestziel. Dies würde erfordern, dass die globalen Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2050 nur halb so stark steigen wie prognostiziert. Eine solche drastische Beschränkung ist nicht ohne eine grundlegende Änderung der globalen Energiesysteme möglich.
In den meisten Szenarien soll die Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen durch eine Kombination aus effizienterer Energienutzung und einem Wechsel zu anderen Energieformen (wie Sonnen-, Wind- und Kernenergie sowie Biomasse) erreicht werden. Die Kohlendioxid-Konzentration auf diese Weise bei 0,055 Prozent zu stabilisieren ist jedoch mit hohen Kosten verbunden. Das betrifft nicht nur den finanziellen Aufwand, sondern auch die Umwelt. Alle heute verfügbaren nicht-fossilen Energieträger sind teuer. Außerdem haben erneuerbare Energieträger eine geringe Energieausbeute: Sie liefern relativ wenig Energie pro benötigter Landfläche. Daher bedrohen sie unter Umständen unsere wertvollste Umweltressource – Grund und Boden. Wollte man beispielsweise die Hälfte der weltweit benötigten Energie aus Biomasse gewinnen, bräuchte man etwa die gleiche Menge an Landfläche, die zur Zeit für die Nahrungsmittelproduktion bebaut wird. Obwohl der technische Fortschritt den Preis der erneuerbaren Energien wahrscheinlich verringern wird, lässt sich nur sehr wenig zur Verbesserung der Energieausbeute tun, da sie in der Natur dieser Energieträger liegt.
Die meisten volkswirtschaftlichen Modelle, mit denen sich die Kosten einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen abschätzen lassen, gehen davon aus, dass der technische Fortschritt sich nach eigenen Gesetzen entwickelt und nicht durch politische Entscheidungen beschleunigt werden kann. Unter dieser Annahme ist es sinnvoll, Anstrengungen zur Begrenzung der Emissionen hinauszuzögern, da das den Ingenieuren Zeit verschafft, bessere Verfahren zu entwickeln, durch die sich die Gesamtkosten der Reduktion vermindern. Realistischer scheint uns jedoch die gegenteilige Annahme, wonach Innovationen sehr stark durch Preis- und politische Signale beeinflussbar sind. Zum Beispiel wurde die Technik zur Entschwefelung von Rauchgas als Reaktion auf strenge Abgasregelungen entwickelt. Unter dieser Voraussetzung lohnen sich frühzeitige politische Maßnahmen zum Klimaschutz, weil sie Innovationen fördern, durch die sich die Emissionen vielleicht sogar noch stärker reduzieren lassen als geplant – und das zu vertretbaren Kosten.
Über eine mögliche solche Innovation berichten die Autoren des nebenstehenden Beitrags. Sie sprechen sich dafür aus, das anfallende Kohlendioxid zurückzuhalten und dauerhaft im Erdboden oder in der Tiefsee zu speichern. Einige Verfahren für dieses so genannte Kohlenstoff-Management sind bereits heute verfügbar. Und es scheint, dass sie für die Stromerzeugung bedeutend billiger sind als erneuerbare Energieträger (Grafik).
Wenn es um einschneidende Verringerungen der Kohlendioxid-Emissionen geht, ist außer der Stromwirtschaft aber auch der Verkehrssektor zu berücksichtigen. Das bedeutet den Umstieg auf kohlenstofffreie Treibstoffe für Fahrzeuge – etwa Wasserstoff. In diesem Bereich ist der Vorteil von Verfahren des Kohlenstoff-Managements gegenüber erneuerbaren Energieträgern noch größer als bei der Stromerzeugung. Ferner haben diese Techniken den großen Vorzug, in die existierende Infrastruktur für die Energieversorgung zu passen. Dadurch sollten ihre Kosten schneller sinken als die der erneuerbaren Energieträger.
Das Kohlenstoff-Management lockert die enge Verquickung zwischen dem Verbrennen fossiler Energieträger und der Freisetzung von Treibhausgasen. Deshalb macht es die wirtschaftliche Abhängigkeit der Welt von dieser Energiequelle auf die Dauer erträglicher. Indem es die existenzielle Bedrohung von Wirtschaftszweigen, die von fossilen Brennstoffen abhängen, und von Nationen, die reich daran sind, aufhebt, könnte es Bewegung in die festgefahrene politische Si-tuation beim Klimaschutz bringen. Ein verbreiteter Einsatz des Kohlenstoff-Managements erlaubt den auf fossile Brennstoffe angewiesenen Industriezweigen und Ländern, weiterhin mit Gewinn sowohl auf ihren bisherigen als auch auf neuen Märkten zu agieren, die sich rund um das Kohlenstoff-Management entwickeln. Dadurch werden sie eher bereit sein, poli-tische Strategien zu akzeptieren, die auf eine spürbare Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen abzielen.
Umweltschützer dürften das Kohlenstoff-Management allerdings eher skeptisch beurteilen. Das Deponieren von Kohlendioxid ist nur so gut wie die Lagerstätten, in denen es gespeichert wird. Kehrt das Treibhausgas schneller oder in größeren Mengen als angenommen in die Atmosphäre zurück, tragen künftige Generationen eine doppelte Bürde: die weitere Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen und zugleich die Bedrohung durch unkontrollierte Emissionen aus undichten Lagerstätten. Die wenig glücklichen Erfahrungen mit der Entsorgung toxischer und radioaktiver Abfälle wecken selbst bei rational Denkenden Zweifel an der Behauptung, dass die unterirdische Lagerung des Kohlenstoffdioxids langfristig sicher sei. Mit solchen Vorbehalten müssen sich die Befürworter dieser Option unvoreingenommen auseinander setzen.
Vielleicht noch beunruhigender für Umweltschützer ist, dass das Kohlenstoff-Management im Widerspruch zu ihrer tiefsitzenden Überzeugung steht, wonach die fortdauernde Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ein Problem an sich ist, das sich nur durch den Übergang zu erneuerbaren Energien lösen lässt. Sie sehen das Kohlenstoff-Management auf einer Stufe mit abenteuerlichen Vorschlägen wie dem, den Planeten dadurch künstlich abzukühlen, dass man Aerosole in die Stratosphäre einbringt, die die Sonnenstrahlung reflektieren. Viele Umweltschützer haben eine verständliche Abneigung gegen nachträgliche technische Abhilfen oder Reparaturmaßnahmen in großem Stil. Sie halten es für sinnvoller, das Problem direkt anzugehen, also Energiequellen zu finden, die keine derart riesigen Anstrengungen zur Entsorgung erfordern.
So vielversprechend das Kohlenstoff-Management scheint, wurde seine Machbarkeit bisher nicht bewiesen. Und Vorsicht ist sicher angeraten. In der Geschichte der Energieversorgung gibt es genügend Beispiele für groß verkündete Optionen wie die Kernenergie, die heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Erforschung des Kohlenstoff-Managements (sowie der erneuerbaren Energiequellen) erfordert sofortige politische und wirtschaftliche Maßnahmen. Dazu gehören die verstärkte Förderung der Grundlagenforschung im Energiebereich sowie die Einführung von Kohlenstoff-Steuern oder gleichwertigen Anreizen zur Entwicklung und Vermarktung von neuen Verfahren, mit denen sich die Treibhausgas-Emissionen zu erschwinglichen Preisen reduzieren lassen. (Die in Deutschland eingeführte Ökosteuer ist in dieser Hinsicht wenig sinnvoll; sie schüttet das Kind mit dem Bade aus, indem sie nicht die Emission von Kohlendioxid, sondern generell den Verbrauch fossiler Brennstoffe mit einer Abgabe belegt.) Es kann sein, dass das Kohlenstoff-Management der Welt letztendlich erlaubt, die Kohlendioxid-Emissionen zu politisch annehmbaren Kosten zu reduzieren. Für die nächsten Jahrzehnte könnte es tatsächlich unser bester Trumpf für die Bewahrung des globalen Klimas sein.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2000, Seite 52
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