Wissenschaft im Internet: Eine virtuelle Welt der Mikroskopie
Was haben Myrrhe, Bier und DNA gemeinsam? Einen Auftritt auf ein und derselben Website (http://micro.magnet.fsu.edu/), und zwar einen mikroskopischen. Sie verdanken ihn der Abteilung für Lichtmikroskopie des National High Magnetic Field Laboratory, das seinerseits von der Florida State University, der University of Florida und dem Los Alamos National Laboratory gemeinsam betrieben wird. Der Abteilungsleiter Michael W. Davidson beschäftigt sich immerhin seit etwa 25 Jahren mit den verschiedensten Aspekten der Mikroskopie und führt eine stolze Veröffentlichungsliste auf der Website auf. Seine wichtigsten Artikel sind im Volltext nachzulesen.
Während viele Lehrende nur ihre Skripte ins Netz stellen, bietet die "Molecular Expressions Website" auch dem etwas, der besser durch Selbstausprobieren versteht. Zahlreiche Java-Applets und Flash-Animationen erfordern eine leistungsfähige Internet-Verbindung oder zumindest Geduld, wenn auch nicht allzu viel: Die angegebenen Ladezeiten für 28,8K-Modems liegen meist unter einer Minute. Als Lohn winkt zum Beispiel die Möglichkeit, ein Stück Qualle so zu untersuchen, als läge es unter einem echten Rasterelektronenmikroskop, mit Einstellungen für Fokus, Kontrast, Helligkeit und Vergrößerung. Damit man etwas zum Üben hat, sind alle virtuellen Regler zunächst ziemlich falsch eingestellt.
Zusätzlich gibt es Kapitel mit reichlich theoretischer Unterweisung und Hintergrund, von der Physik des Lichts über die Funktionsweise moderner Mikroskope bis hin zu Fluoreszenz- und Stereomikroskopie.
Dazu kommt eine reiche Auswahl einfach nur schöner Bilder. Die "Photo Gallery" reizt schon durch die ungewöhnlichen Namen ihrer Abteilungen zum Stöbern. Mikro-Aufnahmen von Kristallen aus DNA und Aminosäuren mögen noch relativ angemessen anmuten; aber was verbirgt sich hinter "Crime Collection" oder "Ice Cream"? Wer lange genug die "BeerShots" studiert, müsste immerhin über 160 Biersorten aus 30 Ländern nach ihrem mikroskopischen Abbild unterscheiden können. Dass amerikanische Sorten die Mehrheit stellen, ist aus dem Standort in Florida erklärlich, auch wenn es den deutschen Nutzer hart ankommen mag.
Das "virtuelle Museum" enthält wundervolle (nicht-mikroskopische) Abbildungen der gängigsten Mikroskope vom 16. Jahrhundert bis in die heutige Zeit.
Es kommt keine Langeweile auf, und mit ein bisschen Mühe hat der Besuch auch seine lehrreiche Seite. Diese virtuelle Reise in die Welt der Mikroskopie übertrifft mühelos den durchschnittlichen universitären Einführungskurs.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2001, Seite 99
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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