Wissenschaft im Internet: Körper mit Ecken und Kanten
Polyeder (Vielflächner, genauer: von ebenen Flächen begrenzte dreidimensionale Körper) sind dankbare Objekte der Computergrafik: hübsch anzusehen, vergleichsweise einfach zu berechnen und deshalb virtuell weitaus leichter herzustellen als in der Realität. Kein Wunder, dass die Vielfalt der Websites zum Thema "Polyeder" unüberschaubar ist. Immerhin verweisen die Polyeder-Freunde ungewöhnlich fleißig auf die Websites Gleichgesinnter; das Web ist an dieser Stelle besonders eng geknüpft. Vier Adressen empfehle ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit; deren Links bieten außerdem gute Ausgangspunkte für ausgedehnte Entdeckungsreisen im Internet.
Der Objektkünstler
George Hart hat Mathematik und Informatik studiert, ein Lehrbuch über mehrdimensionale Analysis und zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten geschrieben – so weit nichts Besonderes. Aber die mehreren hundert Seiten seiner Website bieten einen enzyklopädischen Überblick über alle Arten von Polyedern, leibhaftige und virtuelle, darunter bewegliche, wenn Ihr Browser VRML-fähig ist, ein reichhaltiges, kommentiertes Literaturverzeichnis und Hunderte von Links.
Die Zonoeder ("Gürtelflächner", die er in Händen hält, sind zwei spiegelbildlich gleiche Projektionen des neundimensionalen Einheitswürfels in den dreidimensionalen Raum. Für dreißig Disketten hat er nützliche Verwendung gefunden (unten): Geschlitzt und ineinandergesteckt, zeigen sie die Symmetrie des Ikosaeders. "Gonads of the Rich and Famous" (rechts unten) sind Skulpturen, die er aus Polyedern weiterentwickelt und über Stereolithographie hergestellt hat. Der Lattenverhau "Nailbanger’s Nightmare" ("Schreiners Schrecken", oben) existiert bislang nur virtuell.
www.georgehart.com
Der Softwarespezialist
Roman Mäder hat – Mathematica macht’s möglich – eine komplette Liste aller uniformen Polyeder samt Abbildungen, ihren unaussprechlichen Namen und Eigenschaften ins Netz gestellt. Ein uniformes Polyeder besteht aus – möglicherweise mehrerlei – gleichseitigen Vielecken, die entlang ganzer Kanten aneinandergrenzen müssen, aber sternförmig sein dürfen (Pentagramme sind zugelassen). Flächen dürfen einander überdecken; aber alle Ecken müssen von gleicher Art sein. Das links abgebildete uniforme Polyeder ist Nummer 31 von 75 verschiedenen und heißt "kleines Ikosikosidodekaeder".
www.mathconsult.ch/showroom/unipoly/index.html
Der Theoretiker
Steven Dutch, Professor an der Universität von Wisconsin in Green Bay, liefert eine reich gegliederte Einführung in die Theorie der Polyeder.
Dieses Gebilde ist von lauter Quadraten begrenzt und hat lauter gleiche Ecken. Dass es unendlich ausgedehnt ist, widerspricht nicht der – erweiterten – Definition des Polyeders.
www.uwgb.edu/dutchs/symmetry/symmetry.htm
Der Mönch
Magnus Wenninger, Jahrgang 1919, Benediktiner in der St. John’s Abbey in Collegeville (Minnesota) und Autor klassischer Werke über Eigenbau-Polyeder ("Polyhedron Models", "Polyhedron Models for the Classroom" und "Spherical Models"), stellt seine prachtvollen, in langwieriger Handarbeit gefertigten Polyeder mittlerweile im Web zur Schau.
www.employees.csbsju.edu/mwenninger/
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2001, Seite 109
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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