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M-Pore GMBH: Wissenschaft im Unternehmen: Schwammiges Metall

Poren und Kanäle statt massiver Substanz verringern das Gewicht metallener Bauteile und verleihen ihnen neue Eigenschaften.


Warum sind Knochen so leicht und doch stabil? Das Geheimnis dieser "Biotechnologie" ist die poröse Struktur des Materials. Seit wenigen Jahren gibt es Produkte aus Metallen, die wie ein gefrorener Schaum oder Schwamm aufgebaut sind und somit vergleichbare Eigenschaften aufweisen. Das Dresdner Unternehmen M-Pore fertigt poröse Metalle in beliebigen Formen, die extrem stabil sind und neunzig Prozent weniger wiegen als Bauteile aus dem vollen Material. Geschäftsführer Dieter Girlich sieht enormes Potenzial vor allem in der Automobilindustrie, wo jedes Gramm zählt.

Bislang ist dort Aluminium Trumpf. "Wir sparen dagegen Gewicht mit einem besonderen Gussverfahren." Wenige Millimeter dicke Kanäle durchziehen den Schaum, verbinden die Poren und bilden so eine offene Struktur. Diese unterscheidet den Werkstoff von den schon am Markt etablierten aufgeschäumten Metallen: In denen sind voneinander isolierte Luftblasen eingeschlossen.

"Wir können das nicht nur mit Aluminium, sondern mit allen Metallen oder Legierungen machen, die gussfähig sind." Die Ingenieure können deshalb sogar weitere Funktionen in einem Bauteil verwirklichen. In einem chemischen Reaktor könnte das Material etwa filtrieren, Wärme tauschen und mit einer entsprechenden Beschichtung zugleich als Katalysator wirken.

Alte Technik für neue Technologie

So variantenreich die Einsatzmöglichkeiten, so komplex ist die Herstellung. "Wir verarbeiten mehrere Rohstoffe in sieben Stufen. Und alle Parameter hängen kritisch voneinander ab." Tatsächlich erinnert der Prozess an die alte Technik des "Metallgusses mit verlorener Form". Er beginnt mit Polyurethanschaum, der in verschiedenen Porositäten erhältlich ist und bereits die gewünschte Endstruktur vorgibt: ein Netz aus dünnen Stegen, die Poren bilden. Allerdings wäre eine solche Struktur, 1:1 auf das Metall übertragen, zu wenig stabil, da die Stege zu dünn sind. Daher beschichten die M-Pore-Techniker das Polymer mit einem Wachs, um diese zu verdicken. Anschließend wird eine Suspension aus Keramikpulvern eingegossen; die genaue Zusammensetzung gehört zu den Betriebsgeheimnissen von M-Pore.

Mehrere Stunden bei 120 Grad und später 350 Grad Celsius entwässern die Keramik, schmelzen das Wachs aus und zersetzen den Kunststoff. So erhalten die Ingenieure eine Negativform der gewünschten Poren und Kanäle, gebildet aus der Keramik. In die noch heiße Form gießen die Techniker die flüssige Legierung ein. Bis zu einem Millimeter können die entstehenden Porendurchmesser betragen, bei noch kleineren Strukturen würde das Metall nicht mehr vollständig in die Hohlräume fließen. Nach dem Abkühlen platzt die Keramik und wird herausgeklopft oder mit Wasser ausgespült. Übrig bleibt ein poröses Metallteil, das dann noch in Form zu fräsen oder zu schneiden ist. "Der Clou an der Sache ist, die Keramik genau so fest zu machen, dass sie den Gussprozess übersteht und danach eine Konsistenz wie Puderzucker annimmt", erläutert Girlich.

Knapp fünf Jahre haben die M-Pore-Entwickler gebraucht, um das Verfahren für verschiedene Metalle und Legierungen maßzuschneidern. Rund ein Drittel der Kosten für ein Bauteil entfallen derzeit auf die Keramik, ursprünglich waren es sogar neunzig Prozent. Deshalb versuchten die Ingenieure, den Materialeinsatz zu reduzieren. Dessen Halbierung ist bereits gelungen. Mehr ist wohl nicht drin, weil sonst beim Gießen die Stabilität nicht gewährleistet ist. Sie untersuchen zurzeit, welche Bestandteile des Werkstoffs beim Brennen verloren gehen, um den "Produktionsabfall" aufzubereiten und wieder zu verwenden. "Ein Billigartikel wird das Material aber nie werden", stellt Girlich klar.

Für Spezialanwendungen ist der Preis heute schon konkurrenzfähig. "Wegen seiner guten effektiven Wärmeleitfähigkeit eignet sich diese Art von Metallschaum sehr gut, um Prozessoren zu kühlen", bekräftigt Girlich. Mit jeder neuen Computergeneration wächst mit der Taktzahl auch die Wärmeproduktion der Chips. "Hauptplatinen biegen sich bereits unter der Last." Das neue Material ist mindestens ein Drittel leichter als herkömmliche Kühlkörper.

Besonders interessant sei die Gewichtseinsparung in der Luft- und Raumfahrt. Im All könnte das poröse Metall vor Weltraumschrott oder Staubteilchen schützen, wie Versuche am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik in Freiburg ergeben haben. Die Außenhülle von Satelliten könnte dann dünner und leichter werden.

Neuartige Katalysatoren dank innerer Beschichtung

Seit etwa einem Jahr steht das neue Material in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Es gibt allerdings noch keinerlei Prüfnormen für Druckstabilität oder Leitfähigkeit. Die Normen sind auf Grund der fraktalen Struktur auch schwer zu erstellen. So hängen die Ergebnisse von Zugversuchen davon ab, wie das Material eingespannt wird. "Wir arbeiten jetzt mit einem Fraunhofer-Institut an einer DIN-Norm", sagt Girlich.

Inzwischen ist auch ein Vertrag mit einem Großkunden in Reichweite: GEA, eine Tochter der Metallgesellschaft, will mit M-Pore einen Wärmetauscher für industrielle Anwendungen auf den Markt bringen. Dieser Ölkühler für Maschinen wäre mit dem porösen Metall deutlich kleiner und leichter. Die Pumpen und der Rest der Peripherie könnten damit auch kleiner ausfallen.

Girlich forscht auch an einem geeigneten Material als Katalysatorträger zur Schadstoffreduzierung in Dieselmotoren. Da alle inneren Poren miteinander verbunden sind, kann der Werkstoff durch Eintauchen entsprechend beschichtet werden. Das Metall muss für diese Anwendung mechanisch und thermisch besonders beständig sein sowie dem eigentlichen Katalysator einen guten Haftgrund bieten. Ein favorisiertes Projekt ist zudem der Einsatz des Materials als Knochenimplantat. "Es sollte möglich sein, das Metall mit dem Knochenmaterial Hydroxylapatit zu beschichten", sagt Girlich. Technisch sieht der Forscher keine Probleme: "Inzwischen können wir beliebige Teile in Serie fertigen."

Stichwort: Metallschäume


Ein Objekt aus Metallschaum oder -schwamm wiegt nur zwanzig bis fünfzig Prozent eines baugleichen Objekts aus massivem Material. Denn sein Volumen besteht mindestens zur Hälfte aus Hohlräumen. Bei Schäumen sind diese Poren geschlossen, beim Schwamm miteinander verbundenen. Schon seit den 1940er Jahren untersucht, gelingt es erst seit etwa 15 Jahren, solche Werkstoffe mit hoher Qualität bei akzeptablen Kosten herzustellen. Insbesondere ein Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Materialforschung in Bremen hatte der Technologie zum Durchbruch verholfen: Wie beim Brotbacken wird pulverförmiges Ausgangsmaterial mit einem Treibmittel vermischt, zu einem Vorprodukt gepresst und anschließend unter Wärme aufgeschäumt.
Weniger Material bedeutet aber eine geringere Festigkeit. Dementsprechend verformt sich ein geschäumtes Bauteil stärker als ein massives, auf Grund seiner inneren Struktur aber auch gleichmäßiger. Diese Werkstoffe können also mechanische Energie aufnehmen und vernichten, eignen sich mithin für Stoßfänger beim Automobil. Überdies dämpfen diese Werkstoffe Schwingungen sehr gut. Auf der anderen Seite verleiht Metallschaum Steifigkeit. Denn die wächst mit der Dicke einer Platte. Bringt man also eine Schicht Metallschaum zwischen zwei Bleche, hält eine solches "Sandwich" viel mehr Belastung aus als ein massives Blech, das ebenso viel wiegt, aber dünner ist. Des Weiteren erwarten Ingenieure, die Wärmetauscher und Kühlkörper entwickeln, viel von der Porenstruktur. Zwar ist die Wärmeleitfähigkeit geschäumter Metalle eigentlich schlechter, denn es steht weniger Metall für den Wärmetransport zur Verfügung. Bei einem Zehntel der Dichte reduziert sich die Leitfähigkeit auf etwas mehr als drei Prozent des massiven Metalls. Sind die Poren aber durch Kanäle verbunden, sodass ein Kühlmedium hindurchströmen kann, wächst die effektive Leitfähigkeit wegen der großen inneren Oberfläche erheblich.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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