Lufthansa AG: Wissenschaft in Unternehmen: Auf leisen Flügeln
Wenn moderne Großraumflugzeuge starten – etwa eine Boeing B777 oder der neue Airbus A330-600 –, sind sie heute schon an der Grenze des Flughafengeländes kaum lauter als ein Lastwagen im Straßenverkehr (85 Dezibel). Die Geräuschbelastung des Mittelstreckenjets Airbus A319 lässt sich sogar mit der eines Personenwagens vergleichen: 75 Dezibel, gemessen am Flughafen Tegel in Berlin. Ziel der Lufthansa-Forschung ist es, den Lärmpegel weiter zu reduzieren.
Deshalb gehört die Flotte der Deutschen Lufthansa mit einem Durchschnittsalter von 7,3 Jahren nicht nur zu den jüngsten, sondern auch zu den leisesten der Welt. Seitdem die International Civil Aviation Organization (ICAO) 1977 ihre Lärmbestimmungen bei der Neuzulassung von Flugzeugen verschärft hat, wurden weltweit leisere Maschinen entwickelt und alte ausgemustert. International sank bei zivilen Starts und Landungen die Emission im Mittel um etwa zehn Dezibel – das entspricht einer Halbierung der vom menschlichen Ohr wahrgenommenen Lautstärke.
Freilich ist die Umgebung eines Flughafens noch kein Naherholungsgebiet. Anwohner protestieren immer wieder besonders gegen Erweiterungsvorhaben oder die Einrichtung neuer An- und Abflugrouten. Flughafenbetreiber und Luftverkehrsgesellschaften suchen deshalb nach Möglichkeiten, die Lärmemissionen weiter zu reduzieren, zumal die Zunahme des Luftverkehrs bisherige Erfolge zunichte zu machen droht: In den letzten 25 Jahren hat sich die Transportleistung – gemessen in Passagierkilometern – verfünffacht, das Frachtaufkommen sogar verachtfacht. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) prognostiziert beispielsweise eine weitere Verdopplung des zivilen Luftverkehrs in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren – allerdings ohne dabei Engpässe in der Infrastruktur zu berücksichtigen.
Deshalb beteiligt sich die Deutsche Lufthansa AG am Forschungsverbund "Leiser Verkehr" und leitet dessen Teilprogramm "Fluglärm". Zu den hier untersuchten Maßnahmen gehören optimierte An- und Abflugverfahren (SdW 1/1999, S. 91), die Entwicklung leiserer Triebwerke sowie die Suche nach den durch die Aerodynamik gegebenen Schallquellen derzeit betriebener Linienmaschinen. So ließ sich die Lärmemission eines A340-Fahrwerks nach Messungen im Windkanal durch Verkleidungen um bis zu drei Dezibel mindern.
Dazu kommen Messungen auf dem Flugfeld. Mit 111 Mikrofonen wurden insgesamt 170 Flugzeuge während des Landeanflugs auf Frankfurt am Main erfasst. Eine akustische Richtantenne half, Schallquellen auf vierzig Zentimeter genau zu orten. Nach der Verarbeitung der Messdaten im Computer konnten die Wissenschaftler und Ingenieure Emissionen einzelner Bauteile wie Landeklappen, Vorflügel, Winglets oder Triebwerke identifizieren und quantifizieren, ebenso deren spezifischen Beitrag zum gesamten vom Flugzeug erzeugten Lärmpegel.
So wurde zum Beispiel am Airbus A320 ein kleines kreisrundes Loch an der Unterseite eines Flügels als Störenfried ausgemacht. Es produziert hohe Pfeiftöne, lässt sich aber nicht einfach verschließen, denn über diese Öffnung erfolgt der Druckausgleich zum Treibstofftank, der im Flügel untergebracht ist. Wissenschaftler des DLR entwickelten kleine Bleche, die, über dem Loch angebracht, Wirbel erzeugen. Dadurch werden die pfeifenden Schwingungen nicht mehr angeregt. Bei Messungen im Deutsch-Niederländischen Windkanal (DNW) erkannten die Lufthansa-Forscher zudem Hohlbolzen in den Gelenken der Fahrwerke als besonders laut – mit Kunststoff ausgegossen sind sie fast nicht mehr zu hören.
Die Lufthansa, eigentlich kein Hersteller, unterhält einen Technikbereich, der als Entwicklungsbetrieb zertifiziert ist. Ergebnisse der Lärmforschung können also bei derzeitigen Flugzeugen schon umgesetzt werden. Das nächste Ziel ist bereits ausgemacht: Auch die Großraumflugzeuge der Frachtflotte sollen leiser werden.
Das Unternehmen im Profil
Die Lufthansa AG beschäftigt weltweit mehr als 70000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Dienstleistungskonzern unterstützt und betreibt eigene Forschungen etwa zu Umweltauswirkungen des Fliegens. Im Team von Frank Walle, Leiter Umweltkonzept Konzern, befassen sich zurzeit vier Wissenschaftler mit klimarelevanten Spurengasen in Reiseflughöhe, Emissionsmessungen an Triebwerken und der Verringerung des Fluglärms. Die Lufthansa koordiniert und leitet im Forschungsverbund "Leiser Verkehr" das Teilprogramm "Fluglärm". Hierfür wendet sie jährlich rund zwei Millionen Euro auf.
Weitere Informationen unter http://cms.lufthansa.com/
STICHWORT: Dezibel
Der lauteste, schmerzfrei zu hörende Ton hat eine zehnbillionenmal höhere Schallintensität (Schalldruck) als der gerade noch vernehmbare. Eine Verzehnfachung der Schallintensität wird etwa als Verdoppelung der Lautstärke empfunden. Aufgrund dieser großen Spreizung wurde für akustische Messungen ein logarithmischer Maßstab mit der Einheit Dezibel (dB) gewählt. Per Defini-tion ist der Hörschwelle der Wert 0 dB zugeordnet, der zehnfach stärkeren Schallintensität der Wert 10 dB. Die Schmerzgrenze liegt bei etwa 130 dB. Zum Vergleich: Eine normale Unterhaltung wird mit rund 60 dB gemessen, ein Rockkonzert oder ein Düsentriebwerk kann die Schmerzgrenze erreichen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2002, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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