URS Universal Robot Systems GmbH: Wissenschaft in Unternehmen: Chirurgen aus Stahl
Medizinroboter zittern nicht und arbeiten auf wenige hundertstel Millimeter genau. Rund 200 dieser Maschinen assistieren weltweit Chirurgen bei der Operation. So erleichtern Roboter den Einsatz einer Hüftgelenksprothese nicht nur, sie verkürzen auch die Rehabilitationsphase: Die Passungen, die sie in den Oberschenkelknochen fräsen, sind so exakt, dass die frisch platzierte Prothese und der Knochen etwa dreimal mehr Kontakt haben, als dies selbst ein erfahrener Operateur schafft. Der Patient kann sein neues, via Roboter eingesetztes Hüftgelenk sofort voll belasten; Knochen und Prothese wachsen leichter vollständig zusammen.
Auch in der Neurochirurgie sollen Medizinroboter künftig vermehrt zum Einsatz kommen. Einer von ihnen ist der URS Evolution 1 des Schweriner Unternehmens URS Universal Robot Systems. Im Juli dieses Jahres assistierte er an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Frankfurt am Main erstmals bei einer Hirnoperation.
Seine Aufgabe: Ein Endoskop in die Hirnventrikel einer an Hydrozephalus (Wasserkopf) leidenden Patientin einzuführen. Der Operateur steuerte diesen Vorgang in Echtzeit über einen Joystick; einer Bewegung von einem Zentimeter entsprachen dabei zwei zehntel Millimeter am Endoskop. Am Zielort angekommen, hielt die Maschine das Endoskop regungslos in Position, und der Chirurg konnte durch die nur 0,8 Millimeter großen Arbeitskanäle des Endoskops winzige Instrumente einführen, Membranen durchstoßen, Gehirn-Flüssigkeit ableiten und auf diese Weise den Hirndruck senken.
Das Konzept und ein erster Prototyp der Maschine entstanden bereits 1997 im "ThinkTank" des Fraunhofer-Instituts IPA in Stuttgart. Einige Mitarbeiter gründeten 1998 die Firma URS, die den Roboter zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelte. Heute umfasst der Evolution 1 drei Hauptkomponenten: eine Steuereinheit im Gerätekorpus, einen Auslegerarm zur Vorpositionierung und die eigentliche Positionierungseinheit mit Instrumentenhalter. Sie besitzt sechs individuell steuerbare Teleskopbeine, von denen sich jedes um wenige zehntel Millimeter bis maximal fünf Zentimeter aus der Neutralstellung ein- oder ausfahren lässt. Die tellerförmige Basisplatte dieses Hexapoden und damit auch das am Halter starr befestigte Instrument werden durch die Gesamtbewegung wesentlich zielgenauer ausgerichtet, als es herkömmliche Industrieroboter vermögen. Da die Beine des Hexapoden parallel angeordnet sind, summieren sich die Bewegungsfehler der einzelnen Achsen nicht. Deshalb lassen sich selbst vergleichsweise schwere chirurgische Instrumente und Geräte bis 15 Kilogramm auf wenige hunderts-tel Millimeter exakt bewegen. Anders bei Industrierobotern: Sie haben nur einen Arm mit mehreren in Serie geschalteten Gelenken und Achsen und damit einen weitaus größeren Gesamt-Bewegungsfehler.
Die Kinematik des Medizinroboters von URS verfügt zudem über drei "passive", also elektrisch nicht steuerbare Teleskopbeine, um Bewegungen zu registrieren. Dazu dienen spezielle Sensoren, die permanent und in Echtzeit Messdaten über die Auslenkung der (teleskopischen) Achsen und damit ihrer Lage im Raum an die Robotersteuerung senden. Anhand dieser Daten kann die Position des medizinischen Instrumentes und seine Bewegung im Raum berechnet werden. Alle fünf tausendstel Sekunden vergleicht ein Prozessor Soll- und Ist-Wert, also die via Joystick geplante Bewegung und die aus den Sensordaten errechnete. Weichen diese voneinander ab, so reagiert das Betriebssystem innerhalb von fünf tausendstel Sekunden, warnt den Operateur und stoppt den Roboter.
Derzeit bereiten URS und die Neurochirurgische Universitätsklinik Frankfurt am Main weitere Einsätze vor. Noch in diesem Jahr soll URS Evolution 1 bei Operationen an der Wirbelsäule assistieren, bei denen zwei oder mehr Wirbelkörper über starre Titanstangen miteinander verbunden und somit stabilisiert werden. Hierbei soll der Roboter Schrauben exakt in den Wirbelkörpern positionieren, ohne Rückenmark, Nerven und wichtige Blutgefäße zu verletzen.
Das Unternehmen im Profil
Die Ende 1998 gegründete URS Universal Robot Systems GmbH, Schwerin, ist ein Spin-off-Unternehmen des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Das Unternehmen entwickelte den von IPA-Wissenschaftlern entworfenen Prototypen eines Medizinroboters zu einem marktfähigen Produkt weiter, dem URS Evolution 1. Inzwischen wurden bereits drei der rund 400000 Euro teuren Maschinen an größere Kliniken verkauft. Im Mai 2001 übernahm URS die ortoMaquet GmbH, Rastatt, die den Medizinroboter CASPAR (Computer Assisted Surgical Planning And Robotics) entwickelte. Mit Hilfe von CASPAR wurden bislang rund 3600 künstliche Hüft- und 200 Kniegelenke implantiert sowie etwa 400 Kreuzbandoperationen durchgeführt. Kooperationspartner der derzeit 55 Mitarbeiter starken URS sind auf klinischer Seite beispielsweise die Neurochirurgische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg, die Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt am Main sowie die Neurochirurgische Universitätsklinik Freiburg, auf industrieller Seite unter anderem die Medtronic Sofamor Danek (Hersteller von Navigationssystemen) und die VAMP GmbH (Hersteller von 3D-Planungssoftware).
Weitere Informationen unter www.medicalrobots.com
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2001, Seite 84
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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