Elliptec Resonant Actuator AG: Wissenschaft in Unternehmen: Die Kunst des Gleitens
Besucher der diesjährigen internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg machten große Augen. Der Grund: Eine neue Spielzeuglok, die ihren Stromabnehmer so fließend hebt und senkt wie ihre erwachsenen Vorbilder. Des Rätsels Lösung ist ein Minimotor mit Piezo-Antrieb der Elliptec Resonant Actuator AG. Da er keinen Rotor benötigt wie ein herkömmlicher Elek-tromotor, muss beim Bremsen kein Schwung abgebaut werden. Deshalb stoppt der Antrieb nach dem Ausschalten 60-mal schneller als sein summender Konkurrent. Sein Bremsweg ist sogar 2000-mal kürzer, seine Präzision ungleich höher, der Preis aber in etwa gleich. Im lukrativen Spielwarenmarkt dürfte sich deshalb so manche Anwendung finden, etwa rollende Augen und wackelnde Ohren animierter Bären, Puppen oder Plastikhündchen. Doch wo auch immer Kleinteile mit wenig Kraftaufwand präzise, gleitend und zu geringen Kosten zu bewegen sind, möchte die Firma ihre Piezo-Antriebe platzieren, etwa in Haushaltsgeräten, Kameras, Druckern oder CD-Laufwerken.
Ganz neu sind solche Motoren nicht, schon seit einigen Jahren arbeiten Piezo-Antriebe beispielsweise in der Chipfertigung. Doch kosteten sie bis zu 400 US-Dollar, komplette Positioniersysteme sogar einige tausend. Erst den Forschern von Siemens, Epcos und Elliptec ist es gemeinsam gelungen, Konstruktion, Bau-teile und Herstellung so stark zu vereinfachen, dass der Stückpreis auf zwei bis vier US-Dollar sank.
Ein Mikrocontroller sowie ein einziger Transistor genügen, um die Piezo-Keramik mit elektrischer Spannung zu versorgen. Nach dem Einschalten dehnt sie sich um weniger als einen Mikrometer aus, nach dem Ausschalten zieht sie sich wieder zusammen (zum Piezo-Effekt, siehe Spektrum der Wissenschaft 01/2002, S. 110). Je nach Anwendung findet dieses Wechselspiel "Ausdehnen – Zusammenziehen" zwischen 50000- und 100000-mal pro Sekunde statt. Das schnelle Ausdehnen und Zusammenziehen der Piezo-Keramik wird auf einen schlüsselförmigen Resonator übertragen und versetzt ihn in Schwingung. In Computersimulationen und Praxistests haben die Forscher von Elliptec seine Form so optimiert, dass die Schwingung verstärkt wird und die Motorspitze ellipsenförmige Bewegungen mit ein bis zwei Mikrometer großen Amplituden ausführt (daher auch der Firmenname). Weil die Keramik aus sehr vielen, jeweils etwa dreißig Mikrometer dünnen keramischen Schichten und Elektroden im Wechsel aufgebaut ist (Multilayer), reichen sechs bis acht Volt. Ein so genannter Monolayer brauchte für die gleiche Auslenkung fast tausend Volt.
Eine am Motor befestigte Stahlfeder drückt die Spitze gegen das anzutreibende Element. Mit jeder Ellipse, die die Spitze ausführt, wird dieses Element nach vorne geschoben beziehungsweise zurückgezogen, und zwar mit Geschwindigkeiten von 15 Zentimetern pro Sekunde und mehr. Solche Werte fordert beispielsweise die Automobil- und Elektronikindustrie, um die Lüftung der Klimaanlage oder die Schublade des CD-Spielers zu öffnen oder zu schließen. Die Mikrometer-Schrittweite sorgt für quasifließende, bei Bedarf auch für langsame Bewegungen. Einem Elektromo-tor hingegen fällt dergleichen deutlich schwerer: Er dreht sich zunächst gar nicht und fährt dann mit einer gewissen Geschwindigkeit los, daher auch seine – allerdings kaum sichtbaren – ruckartigen Bewegungen.
Um zu untersuchen, inwieweit Computersimulationen mit der Realität übereinstimmen, verwenden die Forscher ein so genanntes Scanning-Laservibrometer. Dieses Messgerät tastet die Oberfläche des Motors mit einem Laserstrahl ab und erfasst dabei die Geschwindigkeit, mit der sich die Oberflächenpunkte bewegen. Aus den Daten berechnet eine spezielle Software Bilder der Schwingungsmodi und spezifische Motoreigenschaften.
Der Technologievorsprung beträgt laut Unternehmen mindestens zwei Jahre. Die erste Serienfertigung der Minimotoren ist im Juni dieses Jahres in Ko-operation mit der Ceramics GmbH in Dortmund angelaufen. Derzeit sind die Stückzahlen noch gering – das Unternehmen hofft auf Großaufträge aus der Spielzeug- oder Automobilindustrie.
Das Unternehmen im Profil
Die Elliptec Resonant Actuator AG mit Sitz in Dortmund wurde im Januar 2001 von Dr. Björn Magnussen und seinem Team gegründet. Die Firma Siemens hält gegenwärtig 24,9 Prozent der Unternehmensanteile – der ehemalige Siemensmitarbeiter Magnussen hatte das Motorkonzept im Konzern bis zum Prototyp entwickelt. Derzeit beschäftigt das Start-up-Unternehmen zwölf Mitarbeiter und wird durch einen externen Experten in Berkeley (Kalifornien) unterstützt.
Weitere Informationen unter www.elliptec.com
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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