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Gerb Schwingungsisolierungen: Wissenschaft in Unternehmen: Die Macht der Feder



Als Jahrhundertbauwerk wurde sie im Juni 2000 eingeweiht, als Millionengrab drohte sie nur Tage später zu enden: Die Londoner Millennium-Brücke schwang unter den Füßen tausender Passanten bis zu zehn Zentimeter seitlich aus, die Passage war alles andere als angenehm. Dass die Brücke im Frühjahr dieses Jahres wieder geöffnet werden konnte, verdankt ihr Architekt Sir Norman Foster unter anderem der Berliner Firma Gerb.

Nach einem Jahr der Analyse war klar, dass die Hängebrücke mit ihren aus ästhetischen Gründen seitlich ausgerichteten Pfeilern auf Schwingungen von einem Hertz stärker reagiert als erwartet. Genau dies entspricht aber dem Rhythmus von Passanten, die auf leichte laterale Bewegungen des Untergrundes wiederum mit einem Seemannsgang reagieren: Sie gehen breitbeiniger und stützen sich mit den Füßen seitlich ab. Hunderte von ihnen verstärken somit die Eigenbewegung der Brücke und bringen sie ins Schlingern.

Mit Problemen dieser Art wurden Erfinder, Techniker und Ingenieure schon früher konfrontiert, doch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts hat sie verschärft: Immer größere Maschinen ermöglichten nicht nur die Produktion im industriellen Maßstab, sie machten auch Lärm und erschütterten den Untergrund. Solche Vibrationen schaden nicht zuletzt den Maschinen selbst. Anfangs genügten dämpfende Unterlagen aus Filz oder Kork, doch gegen starke Erschütterungen halfen nur stählerne Spiralfedern, im Fachjargon Schraubendruckfedern genannt. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet war der deutsche Ingenieur William Gerb, der 1907 in Berlin eine "Gesellschaft für Isolierung gegen Erschütterungen und Geräusche" gründete.

Pendel oder Federn nehmen Schwingungen auf und dämpfen sie ab. Die verwendeten Stahlfedern können je nach Materialstärke, Abmessungen, Anzahl der Windungen und den verwendeten Stahlsorten bis zu 250000 Kilogramm allein an statischer Belastung verkraften. Zu Anfang jeder Planung berechnen die Ingenieure die so genannten Eigenfrequenzen des zu schützenden Objekts (siehe Stichwort). Schon ein simpler Quader kann sich bei freier Aufhängung in Richtung seiner Seitenflächen bewegen. Diesen drei "Freiheitsgraden" entsprechen drei Eigenfrequenzen (die theoretisch auch identisch sein können). Zudem kann ein solcher "Einmassenschwinger" in diesen Richtungen auch rotieren, was drei weitere Eigenfrequenzen beisteuert. Hinzu kommen Pendelschwingungen, die durch Kopplung von Bewegungen in den Grundrichtungen entstehen und die ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Theoretisch würden all die Einzelteile der Millennium-Brücke, dieses gesamten Komplexes aus Betonplatten, Trägern, Stahlseilen, Asphaltbelag und anderen Komponenten, weitaus mehr als tausend Eigenfrequenzen ergeben. Dank ihrer Erfahrung konnten sich die Ingenieure aber damit begnügen, einige hundert zu berechnen. Das Ergebnis waren 58 "Gegenschwing-Elemente" an entscheidenden Stellen, nämlich acht jeweils an Pendeln befestigte Gewichte, um horizontale Schwingungen zu tilgen, sowie fünfzig auf Stahlfedern gelagerte Massen für die vertikalen Bewegungen.

Diese Art von Problemstellung gehört zum Typus "Schwingungstilgung" – die störenden Auslenkungen müssen so weit wie möglich ausgeglichen werden. Etwas geringere Ansprüche stellen die Dämpfungsaufgaben. Bei der Aktiv- beziehungsweise Quellenisolierung werden die Schwingungen eines Objektes lediglich gedämpft, um es vor sich selbst zu schützen oder um seine Umgebung vor den Vibrationen zu bewahren. Eine Aufgabe dieser Art stellen beispielsweise die Rotationsdruckmaschinen großer Druckhäuser mit ihren rotierenden Walzen. Für ähnliche Fälle hat Gerb schon vor fünfzig Jahren ein patentiertes System entwickelt: Die mehrere hundert Tonnen schwere Maschine steht auf einem elastischen Fundament aus Federpaketen, jedes aus zwei Schalen und Schraubendruckfedern dazwischen aufgebaut.

Auch beim dritten Problemtypus geht es um Dämpfung. Die "Passiv- oder Empfängerisolierung" soll die auf ein Objekt aus der Umgebung einwirkenden Schwingungen verringern. Das reicht bis zur kompletten elastischen Lagerung von Gebäuden. Beispielsweise wurde die Bridgewater Hall, eine große Konzerthalle in Manchester, 1996 unmittelbar neben einer Straßenbahnlinie erbaut. Deren Erschütterungen hätten den Musikgenuss der bis zu 2400 Besucher wohl erheblich beeinträchtigt, deshalb steht das Gebäude auf 280 Federpaketen mit insgesamt 4828 Schraubendruckfedern.

Solche elastische Lagerung verhindert auch Risse in Häusern, die in Bergbaugebieten durch Senkung und Setzung des unterhöhlten Bodens bedroht sind – oder gar ihren Einsturz; die Federelemente gleichen Bodenbewegungen in gewissem Maße einfach aus. Seit dem ersten Einsatz dieser Technik vor etwa dreißig Jahren wurden mehr als 500 Gebäude erfolgreich vor Bergschäden bewahrt.

Der Schwingungsschutz sollte auch noch in hundert Jahren einwandfrei arbeiten. Stahl ist ein Werkstoff, dessen elastisches Verhalten sehr konstant bleibt, sofern er nicht überlastet wird. Die Ingenieure berechnen ihre Federelemente dementsprechend so, dass sie "dauerfest" sind. Ein Vorteil, der auch in Erdbebengebieten gerne und zunehmend genutzt wird.


Das Unternehmen im Profil


Die Gerb Schwingungsisolierungen GmbH und Co. KG existiert seit 1907. Das weltweit marktführende Unternehmen beschäftigt derzeit 320 Mitarbeiter, davon 90 Maschinenbauer und Bauingenieure und zwei Physiker. Der Jahresumsatz betrug 2001 rund 30 Millionen Euro. Hauptsitz dieser konzernunabhängigen Gesellschaft ist Berlin. Fertigungsstätten gibt es auch in Brasilien, China, Frankreich und Indien, zudem Beratungsbüros in zahlreichen Ländern.


Stichwort


Ob Feder oder Pendel, ob elektrischer Schwingkreis oder Atom – schwingungsfähige Systeme oszillieren auf Grund von Materialeigenschaften und Konstruktion nach einer Anregung – beispielsweise dem Auslenken einer Saite – mit bestimmten Schwingungszahlen, den Eigenfrequenzen. Werden sie periodisch mit genau einer Eigenfrequenz angeregt, reagieren sie am stärksten; man spricht dann von Resonanz.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2002, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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