MenloSystems: Wissenschaft in Unternehmen: Ein Lineal aus Licht
Wie misst man die Frequenz sichtbaren Lichts? Während es vergleichsweise einfach ist, dessen Wellenlänge zu bestimmen, haben sich Experimentalphysiker an seiner enormen Schwingungszahl mit mäßigem Erfolg versucht, bis Theodor Hänsch und seine Mitarbeiter Thomas Udem und Ronald Holzwarth 1998 am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching einen kompakten Lichtzähler erfanden – den "Frequenzkamm". Sein Vorteil: Während sich die Wellenlänge von Licht mit den gängigen Methoden nur auf Eins zu Zehnmilliarden genau messen lässt, ist die Präzision des Frequenzkamms um fünf Größenordnungen besser. Diese enorme Genauigkeit nutzt nicht nur der Grundlagenforschung – der Frequenzkamm ermöglicht die Konstruktion hochpräziser Atomuhren, wie sie etwa in der Satellitennavigation benötigt werden.
Das patentierte Verfahren vermarktet die Firma MenloSystems in Martinsried bei München. (Der Firmenname nimmt Bezug auf den Menlo Park in New Jersey, wo Thomas Alva Edison 1876 seine Invention Factory aufbaute.) Zu den Firmengründern gehören Hänsch und Holzwarth, der für die Weiterentwicklung der Geräte zuständig ist. Das Unternehmen fertigt die Messinstrumente und verkauft sie für rund eine Viertelmillion Euro pro Stück in alle Welt.
Ein Getriebe für Licht
Hänsch und seine Mitarbeiter hatten ein gravierendes Problem zu lösen: Das elektromagnetische Feld sichtbaren Lichts schwingt mit einer Frequenz von fast 1015 Hertz (Schwingungen pro Sekunde). Keine Elektronik dieser Welt wäre schnell genug, dies zu zählen (beispielsweise anhand der Nulldurchgänge des elektrischen Anteils). Laserphysiker hatten bereits seit dreißig Jahren versucht, optische "Getriebe" zu entwickeln: Wie bei einer Fahrradschaltung sollten sie sozusagen die "Umdrehungszahl" eines zu vermessenden Laserstrahls in die niederen Frequenzen von Radiowellen untersetzen. Die so einfach klingende Idee mündete aber stets in riesige und wenig brauchbare Anlagen.
Der "Frequenzkamm" füllt derzeit noch einen halben Labortisch, die nächste Gerätegeneration soll in einen Schuhkarton passen. Herzstück des Getriebes ist ein Titan-Saphir-Laser. Er liefert Licht sehr genau bekannter Frequenzen, das mit dem zu vermessenden Strahl interferiert. Musiker kennen das Phänomen: Zwei Töne fast gleicher Schwingungszahl erzeugen bei der Überlagerung eine Schwebung – eine Oszillation, die deutlich langsamer ist als die beiden ursprünglichen; hier liegt sie im Bereich von Radiofrequenzen. Deren Schwingungszahl lässt sich leicht messen und die der unbekannten Frequenz dann sehr genau berechnen.
Kurzer Puls, breites Spektrum
Bisherige Systeme lieferten nur eine einzige Referenzfarbe, der Frequenzkamm eine ganze Skala. Jeder Laser besteht unter anderem aus einem optischen Resonator, in dem sein Licht zwischen Spiegeln wieder und wieder reflektiert wird, dabei sich immer mehr verstärkt und schließlich durch einen teildurchlässigen Spiegel als monochromatischer Strahl austritt. Beim Frequenzkamm springt ein extrem kurzer Lichtpuls wie ein Ping-Pong-Ball hin und her. Das hat den Vorteil, dass ein Puls nicht aus einer einzigen Farbe besteht, sondern aus einem ganzen Spektrum von Frequenzen (in gleicher Weise regt ein Knall oder Händeklatschen nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Saiten zum Mitschwingen an). Jeder Lichtpuls, der den Laser verlässt, blitzt nur einige Femtosekunden lang auf, also für den millionsten Bruchteil einer milliardstel Sekunde. Es gilt aber die Regel: Je kürzer der Puls, desto breitbandiger sein Spektrum. Und tatsächlich sieht das Licht des Frequenzkamms weiß aus: Es umfasst das gesamte Farbspektrum des sichtbaren Lichts.
Freilich trifft dies auch auf eine Glühbirne zu. Was den Frequenzkamm zum Messinstrument macht, ist die feste Phasenbeziehung zwischen den umlaufenden Pulsen im Resonator und denen, die im Lichtstrahl den Laser verlassen: Diese konstante Relation erinnert an Zahnräder eines Getriebes, die ineinander greifen und sich im Gleichtakt drehen. Das Resultat: Das Farbspektrum des Frequenzkamms besteht nicht aus einem Kontinuum, sondern aus mehreren hunderttausend scharfen Linien. Sie ähneln den Zinken eines Kammes – daher der Name – oder einem Zeichenkasten mit einer Unzahl sauber sortierter Buntstifte beziehungsweise den Skalenstrichen eines Lineals.
Grundlage für optische Atomuhren
Bei dieser hohen Auflösung gibt es immer eine Frequenz, die nahe genug an der spektralen Farbe eines auszumessenden Laserstrahls liegt, um eine leicht elektronisch auszählbare Schwebung von einigen hundert Megahertz zu erzeugen. Zudem lässt sich diese Skala perfekt kalibrieren. Zwei benachbarte "Zinken" liegen nämlich nur etwa 800 Megahertz (die Pulswiederholrate) auseinander, also ebenfalls noch im Radiobereich. Diese Schwebung zwischen den zwei spektralen Zinken kann eine Elektronik mit dem Signal einer Cäsium-Atomuhr vergleichen, das bei rund neun Gigahertz (Milliarden Hertz) liegt. Eleganterweise reicht es, ein einziges Frequenzpaar auf diese Weise zu eichen, um alle anderen präzise festzulegen.
Umgekehrt eignet sich der Frequenzkamm für den Bau optischer Atomuhren. Sie heißen so, weil sie mit der Frequenz von sichtbarem Licht arbeiten, also etwa tausendmal schneller und genauer als heutige Cäsium-Atomuhren. Dieses "Ticken eines Terahertz-Pendels" übersetzt der Frequenzkamm präzise in elektronisch messbare Radiofrequenzen.
Jedem sein eigenes Längennormal
Der erste Kunde von MenloSystems war das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Das neue Messgerät vereinfacht nämlich auch die Bereitstellung eines präzisen Längennormals als gesetzliche Eichgrundlage. Heutzutage wird ein Meter durch die Wellenlängen von Laserlicht sehr reiner Farbe definiert (siehe Kasten unten). Das Problem: Um die Eichsysteme in verschiedenen Messlabors zu justieren, mussten bis vor kurzem Geräte transportiert werden. Das erübrigt sich nun dank des Frequenzkamms und der Weltraumtechnik: Da GPS-Satelliten Atomuhren an Bord haben, um ein normiertes Zeitsignal zu senden, kann jedes Labor seinen Frequenzkamm daran eichen und damit wiederum seine Längennormale einstellen.
Längenmessung mit Licht
Wie lang denn nun ein Meter ist, bestimmen Metrologen anhand der Wellenlänge von Laserlicht. Die höchste Messgenauigkeit erreichen Michelson-Interferometer. Sie trennen den Messstrahl auf, leiten die Teilstrahlen über zwei getrennte optische Wege, von denen einer justierbar ist, und vereinigen sie schließlich wieder. Bei der Überlagerung verstärken sich Berge und Täler der Lichtwellen oder löschen sich aus. Aus diesem Interferenzmuster lässt sich die Wegdifferenz der beiden Teilstrahlen ablesen. Im bisher genauesten Fall konnte so ein Norm-Meter mit einer Präzision von etwa 0,1 Nanometer (milliardstel Meter) realisiert werden. Drei Fehlerquellen limitieren diese Exaktheit: die begrenzte Präzision in der Fertigung optischer Komponenten, die Verzerrung der Wellenfronten des Lichts (Beugung) und der flache Kontrastverlauf im Interferenzmuster.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2003, Seite 68
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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