MVV Energie AG: Wissenschaft in Unternehmen: Feuer und Flamme für Biomasse
Dezentrale Kleinanlagen zur Energieerzeugung scheinen eine viel versprechende Alternative zu Großkraftwerken, erlauben sie Städten und Gemeinden doch Personal sparend und mit überschaubaren Investitionen zu kalkulieren. Eine Option dabei sind Anlagen, die Holz, Ernteabfälle oder auch Faulgase verbrennen (siehe dazu Spektrum der Wissenschaft 5/2000, S. 90). Unternehmen der Branche schätzen, dass Biomasse etwa 6 bis 13 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland decken kann. Derzeit sind es noch nicht einmal ein Prozent – und dies auch nur, wenn man Müll- und Klärschlammverbrennung einrechnet.
Der Mannheimer Energieversorger MVV Energie AG, das bislang einzige kommunale Unternehmen, das an der Börse notiert ist, strebt in diesem Marktsegment eine führende Rolle an. Drei Biomasseheizwerke, die Wärme aus Holz gewinnen, sind in Betrieb oder im Bau; ein umgebautes Industrie-Kraftwerk erzeugt Wärme beziehungsweise Dampf und Strom, und an vier weiteren Standorten weit ab von der Konzernzentrale soll zukünftig Altholz "verstromt" werden. Die MVV Energie AG baut und betreibt Heizanlagen im Auftrag von Kommunen und finanziert das Projekt jeweils über den Verkauf der Energie. So auch im bayerischen Ruhpolding und schon bald in Bad Endorf und in Dannenberg. In Bad Endorf soll ein Zwei-Megawatt-Kessel, beheizt mit Holzhackschnitzeln, die Wärmeversorgung zweier Kliniken, des Thermalbades, des Rathauses und einer Schule sichern sowie auch noch Wärme in ein Neubaugebiet mit rund neunzig Wohneinheiten liefern. Ein schon vorhandener Öl-Kessel muss nur noch den Spitzenbedarf decken, soll also höchstens zehn Tage im Jahr laufen.
Spagat zwischen Jahrhunderten
Neubaugebiete lohnen sich aber nur selten, denn seit Februar 2002 fördert die Energieeinsparverordnung Niedrigenergie-Häuser, die zu wenig Energie benötigen. Doch Altbauten mit veralteten Heizanlagen oder Großabnehmer wie Kliniken, Schulen und Schwimmbäder lohnen. Steigt der Heizölpreis auf etwa 35 Cent pro Liter, rechnet sich auch für den Privatmann der Anschluss an die Nahwärme eines Biomasse-Kraftwerks.
Die Feuerungstechnik ist ein Spagat zwischen den Jahrhunderten. Angefeuert wird ein Brennkessel wie zu Urgroßmutters Zeiten mit Streichholz und Papier; doch danach läuft die Anlage vollautomatisch.
In Ruhpolding beispielsweise drückt eine Transportschnecke die Hackschnitzel in den Kessel (so genannte Unterschubfeuerung), sodass sie langsam von oben nach unten verbrennen. Der Vorteil: geringere Investitionskosten für kleine Anlagen unterhalb von einem Megawatt Leistung. Schwierigkeiten gibt es aller-dings, wenn das Holz nicht sauber gehackt, sondern geschreddert wurde: Lange Fasern wickeln sich dann nämlich leicht um die Schnecke und blockieren die Anlage. Zu feucht sollte das Holz auch nicht sein, aber unterhalb von 15 Prozent Feuchte wird die Belastung des Feuerraums zu groß.
Mehr Flexibilität bietet ein Vorschubrost, wie er in den meisten Müllverbrennungsanlagen und auch in dem Heizwerk von Bad Endorf eingesetzt wird. Durch die Hin- und Herbewegung schichtet er den Brennstoff beständig um und transportiert ihn langsam in Richtung Ausbrandzone. Rinde und Grünschnitt bis hin zum Schreddermaterial verbrennen auf diese Weise mit einem hohen Wirkungsgrad von 85 Prozent (15 Prozent gehen über die Abluft verloren).
Als Abfall fallen nur Aschen an, die teilweise im Landschaftsbau oder in der Waldwirtschaft als Dünger verwendet werden. Rindenreste können allerdings auch das Schwermetall Cadmium enthalten, ihre Rückstände kommen auf die Deponie, ebenso Flugaschen, die bei der Wäsche des Rauchgases entsteht (die Wäsche senkt Staub-Emissionen auf den Grenzwert von unter 50 Milligramm pro Normkubikmeter).
Eine wirtschaftlich wie ökologisch interessante Energiequelle ist Altholz wie alte Holzbalken oder -fenster. Dieses Material soll in Zukunft "verstromt" werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) macht Investitionen in solche Anlagen interessant. Es garantiert den Betreibern entsprechender Anlagen neuerdings Einnahmen von 9 bis 10 Cent pro ins Netz eingespeister Kilowattstunde, die der überregionale Netzbetreiber zu vergüten hat. Dieser legt die Kosten über den Strompreis wieder auf die Allgemeinheit um. Allerdings ist der Aufwand für die Abluftreinigung wesentlich größer, denn das Altholz ist meist mit Farbe, Holz- oder Feuerschutzmitteln belastet.
Entsprechende Anlagen lohnen sich aber dennoch: Mindestens vier Millionen Tonnen solchen Abfalls gibt es pro Jahr in Deutschland, und zwar in der Regel umsonst, wenn nicht sogar für die Entsorgung noch bezahlt wird. Mit über 250 Millionen Euro will die MVV in vier Kleinkraftwerke investieren, die vorrangig Fensterrahmen und Altholz aus der Bauindustrie verfeuern. Durchschnittlich rund 20 Megawatt elektrische Leistung sollen diese Anlagen bei Wiesbaden, Königs-Wusterhausen bei Berlin, Misburg bei Hannover und in Mannheim schon ab dem Jahr 2003 liefern.
Das Unternehmen im Profil
Die MVV GmbH ist eine Holdinggesellschaft der Stadt Mannheim und besteht aus der MVV Verkehr AG und der MVV Energie AG. Etwa 28 Prozent der Aktien werden frei an der Börse gehandelt. Die MVV Energie AG hat 3600 Mitarbeiter. Mit rund 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz zählt sie zu den zehn größten regionalen und kommunalen Energieversorgern Deutschlands. Zu den Schwerpunkten zählt die Versorgung mit Strom, Erdgas, Fernwärme, Trinkwasser sowie Entsorgung. Zudem erprobt die MVV derzeit den Internetzugang für Endkunden über das Stromnetz.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2002, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben