Wissenschaft in Unternehmen: Klinik für Prostata-Therapie
Seit etwa zehn Jahren wird die gutartige Vergrößerung der Prostata mit gebündelten Schallwellen behandelt. Der Heidelberger Urologe Joachim-Ernst Deuster hat dieses Verfahren nun gemeinsam mit dem amerikanischen Unternehmen Focus Surgery aus Indianapolis zu einer Therapieform gegen Prostata-Krebs weiterentwickelt.
Ultraschallköpfe erzeugen ihre akustischen Wellen jenseits einer Frequenz von zwanzig Kilohertz mittels piezoelektrischer Keramiken. Diese kristallinen Werkstoffe verändern ihre Abmessungen, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird; bei einer hochfrequenten Wechselspannung beginnen sie dementsprechend zu schwingen. Es entstehen Schallwellen, die sich im Körper ausbreiten. Zur Bildgebung nutzt man die Reflexionen dieser Wellen an Gewebegrenzschichten, in der Therapie hingegen sollen die Schwingungen ein Höchstmaß an Energie in das Gewebe einbringen – allerdings begrenzt auf einen sehr engen Bereich und ohne das umliegende Gewebe zu verletzen. Beim High Intensity Focused Ultrasound (Hifu) sind die Sender konkav geformt, Hohlspiegeln vergleichbar. Von jedem Punkt ihrer Oberfläche gehen Elementarwellen aus, die sich in einem Brennpunkt überlagern. Erst dort entstehen dann so hohe Temperaturen, dass die Gewebe koagulieren.
Eine gutartige Vergrößerung der Prostata, im Volksmund als Männerleiden bezeichnet, befällt jeden zweiten Mann über fünfzig Jahre. Die Zerstörung des wuchernden Gewebes mittels Ultraschall bietet eine Alternative zur Hormonbehandlung oder Operation; in Deutschland wurden damit bislang etwa 1500 Patienten therapiert. Dieser Erfolg motivierte, das Verfahren auch auf das bösartige Prostata-Karzinom anzuwenden: Jedes Jahr erkranken daran in Deutschland 28000 Männer. Joachim-Ernst Deuster schätzt, dass rund siebzig Prozent aller Patienten innerhalb von zehn Jahren nach der ersten Krebs-Diagnose an dem Tumor sterben.
Prostata im Brennpunkt
Bei einem Drittel der Patienten wird die Geschwulst per Operation entfernt, ein schwerer chirurgischer Eingriff, dem nicht nur ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt folgt: Die Betroffenen müssen den Verlust ihrer Potenz verkraften, und jeder Zehnte leidet anschließend unter dauerhafter Inkontinenz. Ein weiteres Drittel, meist ältere Patienten, unterzieht sich einer hormonellen Behandlung. Die einzige Alternative bislang sind reiskorngroße, radioaktiv strahlende Partikel (fachlich seeds), die in die Prostata implantiert werden, um das Krebsgewebe von innen zu zerstören.
Dass es auch anders geht, versucht der Heidelberger Urologe in seiner Klinik für Prostata-Therapie unter Beweis zu stellen. Deuster, der sich als Vorreiter in Deutschland bei der Hifu-Therapie von gutartigen Prostata-Vergrößerungen sieht, lieferte das klinische Wissen, Focus Surgery entwickelte ein entsprechendes Gerät.
Dem Patienten wird bei leichter Narkose ein Tubus durch den Enddarm eingeführt, der einen Schallkopf mit zwei Sendern enthält. Im Wechsel erstellt dieser ein Ultraschallbild von der Prostata und beschallt dann mit fokussiertem Ultraschall. Die Bildinformationen werden aufbereitet, sodass der behandelnde Arzt den Zielbereich markieren kann, den der Schallkopf unter Beschuss nehmen soll. Ein Computer bestimmt danach Zahl und Positionen der dicht beieinander liegenden, streichholzkopfgroßen Brennpunkte.
Das Gerät verfügt über zwei Sender: Der eine arbeitet bei einer Frequenz von drei Megahertz (MHz), seine Pulse dringen zwei bis drei Zentimeter tief in das Gewebe ein, der zweite Sender mit vier MHz erreicht bis zu vier Zentimeter. Beide liegen sozusagen Rücken an Rücken, lassen sich im Tubus drehen und hin und her fahren. Auf diese Weise werden die Brennpunkte Millimeter für Millimeter durch das erkrankte Gewebe geführt. Erst dort entstehen dann Temperaturen von neunzig bis hundert Grad Celsius, während das durchstrahlte Gewebe kaum erwärmt wird. Auch der mit Wasser gekühlte Schallkopf bleibt etwa auf Körpertemperatur. Nach jeder Bestrahlung wird eine neue Aufnahme gemacht, um die eingestrahlte Energie gegebenenfalls nachzuregeln.
Die meist ambulante Therapie dauert je nach Größe der Behandlungszone eineinhalb bis zweieinhalb Stunden. Die Vorteile: Eine Operation entfällt, und eine dauerhafte Inkontinenz steht nicht zu befürchten. Da Gewebeteile der Prostata verbleiben, können die meisten Patienten damit rechnen, sogar ihre sexuelle Potenz zu erhalten.
Insgesamt etwa 2000 Karzinom-Patienten wurden weltweit bislang mit Hifu behandelt. Klinische Studien, die die Zuverlässigkeit der Methode untermauern sollen, laufen derzeit an mehreren Kliniken, zum Beispiel an der japanischen Kitasato-Universität in Tokio. In den USA wurden Studien gemäß den Anforderungen der Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) vor kurzem abgeschlossen; die Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht.
Ohne eine breite klinische Absicherung dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Behandlungsalternative von den Kassen übernommen wird, derzeit bezahlen Hifu-Patienten etwa 8000 Euro. Überdies gibt es Einschränkungen: Prostata und Geschwulst sollten nicht größer als dreißig Kubikzentimeter sein und keine größeren Verkalkungen aufweisen, denn Kalk reflektiert den Ultraschall und mindert den Behandlungserfolg. Letztlich gilt auch hier wie bei jeder Art von Krebserkrankung: Je früher die Therapie einsetzt, desto größer ist die Chance auf einen Behandlungserfolg.
Das Unternehmen im Profil
Die Heidelberger Klinik für Prostata-Therapie ist eine Privatklinik unter der Leitung des Urologen Dr. Joachim-Ernst Deuster. Zur Behandlung gutartiger Prostatawucherungen setzen die Ärzte dort seit Jahren hochfokussierten Ultraschall ein, neuerdings auch in der Krebstherapie. Das System Sonablate 500 wird von dem US-amerikanischen Unternehmen Focus Surgery hergestellt, das sich auf minimalinvasive Chirurgie-Instrumente spezialisiert hat.
www.prostata-therapie.de
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2003, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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