P.A.L.M. Microlaser Technologies AG: Wissenschaft in Unternehmen: Lichtspiele unter dem Mikroskop
Wenn Harry Potter auf seinem Besen durch die Luft schwebt, um im richtigen Moment beim Quidditch-Spiel einzugreifen, dann stecken leider nur Filmtricks dahinter. Wenn lebende Zellen zu schweben beginnen und auf dem Objektträger eines Mikroskops umherwandern, ist vermutlich etwas wirklich Magisches der Grund: ein Teppich aus Licht. Genauer gesagt, ein Laser-System von P.A.L.M. Microlaser Technologies, integriert in ein herkömmliches Forschungsmikroskop.
Der Laserstrahl wird in dessen Strahlengang eingespiegelt, die Optik fokussiert ihn auf einen nicht einmal einen Mikrometer Durchmesser großen Brennfleck in der Ebene des betrachteten Objekts. Die durch den gebündelten Laserstrahl induzierten Kräfte reichen aus, um lebende menschliche, tierische und pflanzliche Zellen zu transportieren, einzufangen und auf dem Objektträger zu bewegen, aufzuschneiden oder mit anderen zu fusionieren.
Die MicroTweezers genannten optischen Pinzetten fangen und halten solche mikroskopisch kleinen Objekte mittels eines infraroten Laserstrahls. Die Wellenlänge ist dabei so gewählt, dass die interessierenden Zellen das einfallende Licht kaum absorbieren. Sie brechen es aber auf Grund ihrer vom umgebenden Medium verschiedenen optischen Dichte, wodurch sich der Impuls der Photonen ändert. Gegenkräfte suchen dies zu kompensieren. Der Effekt: Die Zellen werden zum Brennpunkt gezogen und dort gehalten. Bewegt man Laserfokus oder Mikroskop-Tisch, so folgen die Teilchen den Bewegungen.
Das zweite Manipulationswerkzeug ist ein MicroBeam genanntes Laserskalpell. Es nutzt einen gepulsten Stickstofflaser mit einer Wellenlänge von 337 Nanometer (UV-A). Mit der Fokusgröße von ebenfalls weniger als einem Mikrometer schneidet er feinste Schneisen in das Biomaterial. Dabei werden extrem viele Lichtteilchen (Photonen) in kürzester Zeit (drei Nanosekunden) in den Molekülen platziert, wobei chemische Bindungen aufbrechen. Diesen Vorgang nennt man Photozersetzung oder auch Photodekomposition. Sowohl die Probe selbst als auch umliegende Regionen bleiben dabei intakt – die Schnittkante verläuft glatt. Dieses System kann beispielsweise bei der künstlichen Befruchtung menschlicher Eizellen helfen: Es schneidet die Geißeln der Spermien ab und macht sie so unbeweglich. Das Skalpell öffnet anschließend ein winziges Loch in der Membran einer Eizelle; per Lichtstrahl kann der Samen dort eingebracht werden.
Zur Gewinnung von Zellarealen, einzelnen Zellen oder Chromosomen aus biologischen Präparaten verwendet man herkömmlich Glasnadeln, Glaspipetten oder einen Laser, der die gewünschten Proben auf eine spezielle Haftmembran schmilzt. Verunreinigungen oder Schäden am Objekt lassen sich aber dabei nicht immer vermeiden. Molekulare Untersuchungsmethoden wie PCR (Polymerase-Kettenreaktion ) sowie Verfahren zur DNA- oder Protein-Analyse erfordern jedoch hochgradig reines und intaktes Probenmaterial. P.A.L.M. brachte als Erster ein Verfahren auf den Markt, mit dem sich Zellmaterial berührungslos sammeln lässt: das Laser Pressure Catapulting. Ein drei Nanosekunden kurzer Laserpuls katapultiert dabei die Zelle oder das Chromosom in Sekundenbruchteilen über mehrere Millimeter hinweg vom Objektträger sicher in ein Auffanggefäß. Dabei wird das Zielobjekt mit dem leicht aufgeweiteten Laserstrahl richtiggehend herausgeschleudert. Der gesamte Vorgang lässt sich mit dem Computer planen und steuern.
Je genauer Zellen aus morphologisch definierten Bereichen herausgeschnitten und isoliert werden können, desto präzisere Aussagen beispielsweise zum Verlauf einer Krebserkrankung sind möglich und desto wahrscheinlicher sind neue Erkenntnisse zur Zellentwicklung und -differenzierung. Die Manipulation mit dem Laserskalpell eröffnet nicht nur der In-Vitro-Fertilisation oder Präimplantationsdiagnostik bessere Chancen, auch für die pharmazeutische Forschung ist sie geeignet: Durch winzige Löcher in der Zellmembran lassen sich Wirkstoffe ohne weitere Transportmittel direkt einschleusen. Kurz: Der gebündelte Laserstrahl avanciert zum Universalwerkzeug.
Das Unternehmen im Profil
Die Biologin Dr. Karin Schütze und ihr Mann Raimund gründeten 1993 P.A.L.M. Microlaser Technologies (Positioning and Ablation with Laser Microbeams). Im August 2000 wurde die Firma mit Sitz in Bernried am Starnberger See in eine AG umgewandelt. Das Aktienkapital beträgt mittlerweile knapp drei Millionen Euro. Heute gehört P.A.L.M. vor allem dank des patentgeschützten Laser Pressure Catapulting zu den Marktführern im Bereich Laser-Mikrodissektion weltweit. Für das Geschäftsjahr 2002 erwartet die AG, die derzeit rund vierzig Mitarbeiter hat, einen Umsatz von 13 Millionen Euro. P.A.L.M. kooperiert weltweit mit der pharmazeutischen Industrie und insbesondere mit Universitäten und Forschungsinstituten wie dem amerikanischen National Institute of Health in Bethesda/USA, dem Tokyo Cancer Research Center und dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2002, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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