Wissenschaft in Unternehmen: Schlauer Blutsensor
Alltag in einer deutschen Klinik: Ein älterer Mann wird mit starken Brustschmerzen eingeliefert, Verdacht auf Herzinfarkt. Ein EKG (Elektrokardiogramm) wird aufgenommen, erscheint aber unspektakulär. Doch das will noch nichts heißen, denn manchmal versagt diese Methode bei frisch verletztem Herzgewebe. Aussagekräftiger wäre nun eine Blutanalyse, denn das Konzentrationsverhältnis von bestimmten Proteinen ändert sich beim Infarkt. Doch nur wenige Krankenhäuser unterhalten eigene Labors, die solche Aussagen in der gebotenen Eile liefern können. Hat pes Diagnosesysteme mit seinem neuen Gerät Erfolg, werden selbst Arztpraxen bald derartige Analysen durchführen können.
Das System basiert – wie heute bei Proteinnachweisen üblich – auf spezifischen Reaktionen zwischen Antikörpern und Antigenproteinen. Dementsprechend flexibel lässt sich das Messgerät auslegen: Je nach Antikörper kann es auch Entzündungen, Infektionen oder Tumoren anzeigen. Bis zu acht Einzelblutwerte gleichzeitig lassen sich ohne Umweg über ein Labor bestimmen. Das vereinfacht beispielsweise die Nachsorge nach Operationen und dient der Kontrolle, ob ein Medikament angeschlagen hat.
Auch für die Früherkennung von Krankheiten soll das System dienen. Der Firmengründer, Thomas Löser, hatte ursprünglich das Ziel, die Diagnose von Lungenkrebs zu verbessern. Er kombinierte eine Detektionsmethode des Instituts für Chemo- und Biosensorik (ICB) in Münster mit einem auf so genannter Fuzzy Logic basierenden Auswerteverfahren. Damit gelang es ihm, Bluttests auf acht Markerproteine miteinander zu kombinieren. Der Computer ermittelte die Wahrscheinlichkeit für einen Tumor und sogar das Entwicklungsstadium.
Allerdings hätten die Ärzte dafür die Blutprobe exakt vorbereiten und in gekühlten Spezialbehältern zu dem Unternehmen schicken müssen. Zudem wären Tage bis zum Ergebnis verstrichen. "Uns war bald klar, dass wir dem Arzt ein Gerät in die Praxis stellen müssen, um Erfolg auf dem Markt zu haben", sagt Löser heute.
Gemeinsam mit Siemens entwickelte pes Diagnosesysteme deshalb ein System, das jetzt Serienreife erlangt hat. "MultiCheck" besteht aus einem Detektionsgerät, kleiner als ein Desktop-PC, und etwa daumengroßen Einmalsensoren aus Kunststoff. Das vollautomatische Minilabor übernimmt die mechanische Steuerung, die optische Erfassung und die computergerechte Aufbereitung der Daten; in den Sensoren erfolgt die biochemische Reaktion. Zudem enthält jeder Messfühler einen Chip, der dem Gerät mitteilt, welches spezielle Programm ablaufen und wie die Auswertung erfolgen soll. Die ersten Sensoren, die nach Abschluss des laufenden Zulassungsverfahrens auf den Markt kommen sollen, messen das so genannte C-reaktive Protein (CRP), das bei Entzündungen und nach Operationen vermehrt im Blut vorkommt, sowie Markerproteine für Herzinfarkt, Prostatakrebs und Lungenentzündung.
Für eine Messung spritzt der Arzt lediglich etwas Blut in eine Öffnung des Sensors, steckt diesen in das MultiCheck und drückt die Starttaste. Dann schiebt eine kleine Pumpe das Blut über eine Membran, die rote Blutplättchen abtrennt. Knapp vier Mikroliter des verbleibenden Plasmas werden dann in eine Kammer befördert, wo eventuell vorhandene Antigene mit spezifischen, farbmarkierten Antikörpern zu einem Komplex reagieren.
Die Pumpe drückt dieses Gemisch auf ein Prisma. Darauf befinden sich in parallel angeordneten Teststreifen weitere Antikörper, die Proteinkomplexe einfangen und fixieren. Jetzt scannt ein Laser das Prisma und regt die farbmarkierten Verbindungen zum Leuchten an. Dieses Fluoreszenzlicht fängt ein Detektor auf.
Die Intensität der Fluoreszenz ist ein Maß für die Konzentration an Markerprotein. Dabei wartet das System nicht, bis der Streifen vollständig belegt ist, sondern wertet bereits die Zunahme der Fluoreszenz aus, um die Endkonzentration abzuschätzen. Die gesamte Messung dauert maximal 15 Minuten. Zur Kalibrierung gegen einen Nullwert dienen Referenzstreifen auf dem Prisma.
Der pes-Chef ist damit aber noch nicht zufrieden. "Wir sollten auch Zwischenergebnisse anzeigen können, dann könnte das Gerät schon nach wenigen Minuten eine vorläufige Warnung ausspucken." Bei einem Herzinfarkt zählt schließlich jede Minute.
Das Unternehmen im Profil
pes Diagnosesysteme ist eine Tochter der pe Diagnostik GmbH, beide Unternehmen beschäftigen zusammen dreißig Mitarbeiter. pes wurde im Jahr 1999 unter Beteiligung der Medizintechniksparte von Siemens (22 Prozent) und des Sächsischen Beteiligungsfonds SBF (22 Prozent) gegründet. Firmensitz ist Markkleeberg bei Leipzig. Bei Siemens erfolgte die gesamte Entwicklung des Auswertegeräts, pes fertigt die Sensoren und entwickelt die immunchemischen Testreihen. Vertreiben wird das Gerät ein Unternehmen, das auf kleine Diagnosegeräte spezialisiert ist. In Zukunft soll eine breite Palette mit Sensoren für noch mehr Laborparameter zur Verfügung stehen: etwa für die Diagnostik von Herzerkrankungen, für die Erkennung von Pneumonien und Thrombosen sowie für die Bestimmung von Entzündungsmarkern.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.pes-d.de
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2002, Seite 92
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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