Psychiater im Fronteinsatz: "Der Wille zu überleben sollte gebrochen werden"
Herr Professor Eckart, im Ersten Weltkrieg haben Psychiater Zehntausende von traumatisierten Soldaten mit Starkstrom behandelt. Müssen wir uns die Psychiater von damals als Sadisten vorstellen?
Nein, es waren hochengagierte Ärzte, an die gewaltige Erwartungen gestellt wurden. Und sie selbst wollten endlich so erfolgreich sein wie ihre Kollegen in anderen Disziplinen, in der Bakteriologie, Chirurgie, der Augenheilkunde und der Neurophysiologie. Die Psychiater wussten, wie ungenau ihre Diagnosen und Therapien waren. Als der Krieg begann, registrierten sie zu alledem und zu ihrer Überraschung neue, unbekannte Krankheitsbilder. Man kannte bisher eher milde Formen von Hysterie und Nervosität. Doch jetzt sahen sie scharenweise Patienten, die völlig hysterisch und skurril waren, die nicht mehr sprechen und laufen konnten. Die einnässten, zitterten und sich extrem fürchteten.
Der Erste Weltkrieg zeichnete sich vor allem an der Westfront durch Grabenkämpfe aus, an denen Millionen von Soldaten beteiligt waren. Inwiefern verursachte diese besondere Form des Kriegs die neuen psychischen Störungen?
Jeder Krieg bringt eigene Krankheitsbilder hervor. Im Ersten Weltkrieg kam es vor allem zu Kriegshysterie und Kriegszittern. Hier ist die Ursache oft ein einmaliges, heftiges Ereignis, eine Explosion beispielsweise. Die Frontsoldaten hockten in ihren Gräben. Dort war alles außer Kraft gesetzt, was der Mensch im Lauf der Evolution an Fluchthandlungen und Schutzreflexen erlernt hat: Die Soldaten können nicht verhandeln, flüchten oder angreifen. Nur abwarten. Und plötzlich schlägt zwei Meter entfernt eine Granate ein. Der Soldat hört einen irre lauten Knall, realisiert möglicherweise, dass Erdbrocken emporfliegen. Er wird verschüttet, kann nicht mehr atmen, sich nicht freigraben. Irgendwann wird er von Kameraden ausgegraben. Er überlebt, trägt aber ein schweres Trauma davon ...
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