Quantengravitation: Woraus besteht die Raumzeit?
Wenn die theoretische Physikerin Natalie Paquette von der University of Washington in Seattle versucht, eine zusätzliche Dimension heraufzubeschwören, beginnt sie mit kleinen Kreisen. Sie sind überall in Raum und Zeit verstreut und führen mittels ihrer Krümmung immer wieder zurück zum Ausgangspunkt. Dann zieht Paquette die Schlaufen zunehmend enger, und es kommt zu einer merkwürdigen Verwandlung: Die Extradimension erscheint plötzlich nicht mehr winzig, sondern wird riesengroß. »Wir schrumpfen eine Raumrichtung«, erläutert Paquette. »Aber wenn wir versuchen, das über eine bestimmte Grenze hinaus zu tun, entsteht eine neue, ausgedehnte Dimension.«
Paquette ist beileibe nicht die Einzige, die über solche seltsamen Verwandlungen nachdenkt. In zahlreichen Fachbereichen drehen sich unterschiedliche theoretische Ansätze um die Annahme, dass der Raum und sogar die Zeit keine fundamentalen Erscheinungen sind. Stattdessen könnten sie »emergent« sein, das heißt sich aus der Struktur und dem Verhalten noch grundlegenderer Komponenten ergeben. Auf dieser tieferen Ebene der Realität gäbe es auf Fragen nach dem Wo und dem Wann vielleicht überhaupt keine sinnvollen Antworten mehr. »Vielen physikalischen Beobachtungen zufolge ist die Raumzeit, so wie wir sie heute verstehen, nicht der Weisheit letzter Schluss«, bekräftigt Paquette.
Solche radikal erscheinenden Vorstellungen sind die jüngste Fortsetzung der seit einem Jahrhundert laufenden Suche nach einer Theorie der Quantengravitation. Diese soll die beste verfügbare Beschreibung der Schwerkraft, Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, mit der Quantenphysik vereinen. Erstere beschreibt, wie Masse das Gefüge aus Raum und Zeit verzerrt, Letztere dreht sich um die Eigenarten von subatomaren Teilchen. Beide Konstrukte haben sich bei zahllosen zunehmend ausgefeilten Experimenten bewährt, die zu ihrer Überprüfung entwickelt wurden. Man könnte meinen, sie müssten lediglich zusammengeführt werden und schon hätte man eine »Theorie von allem«.
Aber für die beiden Konzepte findet sich partout kein gemeinsamer Rahmen. …
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