Stimmungsprognose: Zu 80 Prozent heiter
Den Winter 1994 verbrachte Tim in einer Londoner Psychiatrie. Der gut 20-Jährige wirkte glücklich und energisch, litt jedoch unter einer bipolaren affektiven Störung (die durch depressive und manische Episoden gekennzeichnet ist) und hatte erst kurz zuvor einen Suizidversuch unternommen. Während des Klinikaufenthalts lernte er den Psychologiestudenten Matt kennen; die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig. Kurz vor seiner Entlassung überraschte er Matt mit einem Porträt seines Freundes, das er gemalt hatte. Matt war tief berührt. Doch nachdem er in die USA zurückgekehrt war, musste er erfahren, dass Tim sich umgebracht hatte.
Matthew Nock erforscht inzwischen die Psychologie der Selbstschädigung an der Harvard University in Cambridge. Obwohl mehr als zwei Jahrzehnte vergangen sind, hängt das von Tim gemalte Porträt immer noch in seinem Büro. Es erinnert ihn ständig daran, wie wichtig es ist, endlich Möglichkeiten zu entwickeln, um Suizidversuche vorherzusagen. Denn bisher kennt man viele Risikofaktoren für Suizid – etwa starken Alkoholkonsum, Depression und männliches Geschlecht –, aber keine zuverlässigen Anzeichen.
Trotzdem ist Nock optimistisch. Seit Januar 2016 untersucht er mit so genannten Wearables, also tragbaren Sensoren, und einer App fürs Smartphone das Verhalten von suizidgefährdeten Patienten am Massachusetts General Hospital in Boston. Eine ähnliche Studie führt er seit 2018 in einer benachbarten Kinderklinik durch. Die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, doch bislang, sagt Nock, scheint die Technologie recht genau bereits einen Tag im Voraus anzukündigen, wann ein Teilnehmer von Selbsttötungsgedanken berichten wird …
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