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Mathematisches Mosaik: Der doppelte Einstein

Viele hatten die Hoffnung auf eine Einstein-Kachel aufgegeben: Eine einzelne Fliese, die eine Ebene lückenlos bedecken kann, ohne dass sich ein periodisches Muster ergibt. Doch dann hat ein Hobby-Mathematiker die Fachwelt mit seinen Entdeckungen überrascht.
Konfetti im Hintergrund und die Hut-Kachel im Vordergrund

Das Ende einer langen mathematischen Suche beginnt mit einem Hut – oder einem T-Shirt, je nachdem, was man in die Form mit 13 Ecken hinein interpretiert. Dabei handelt es sich aber nicht wirklich um ein Kleidungsstück, sondern um eine Fliese. Mit dieser lässt sich eine unendlich große Ebene lückenlos bedecken. Das Besondere an der Fliese ist, dass das entstehende Muster niemals periodisch ist, unabhängig davon, wie man die Kacheln zusammenfügt. Als der pensionierte Druckanlagentechniker David Smith im November 2022 die Hut-Kachel fand, hatten einige Fachleute bereits die Hoffnung aufgegeben, dass eine solche Fliese überhaupt existiert.

Als Smith den mathematikbegeisterten Informatiker Craig Kaplan von der University of Waterloo auf die Hut-Form aufmerksam machte, erkannte dieser schnell das Potenzial: Zusammen mit dem Softwareentwickler Joseph Samuel Myers und dem Mathematiker Chaim Goodman-Strauss vom National Museum of Mathematics in New York konnte er im Frühjahr 2023 beweisen, dass die Fliese tatsächlich eine Ebene lückenlos und ohne regelmäßige Wiederholung pflastert. Smith schien endlich den heiligen Gral der Parkettierungen gefunden zu haben, ein »Einstein« – dessen Name sich von »ein Stein« ableitet und nichts mit dem berühmten Physiker zu tun hat.

Eine solche Kachel hatten Mathematikerinnen und Mathematiker seit Jahrzehnten gesucht, darunter namhafte Größen wie der Physik-Nobelpreisträger Sir Roger Penrose. »Ich glaubte an ein Einstein. Aber die Hut-Kachel sieht völlig anders aus als das, wonach ich suchte«, sagte der inzwischen 91-jährige Penrose auf dem »Hatfest«, einer Konferenz, die zu Ehren der Hut-Fliese im Juli 2023 in Oxford veranstaltet wurde. Nach und nach hatten alle die Suche erfolglos aufgegeben und sich anderen Projekten gewidmet. Selbst Goodman-Strauss, Koautor der aktuellen Arbeiten, gibt zu, dass er vor einigen Jahren darauf gewettet hatte, einen Einstein könne es nicht geben. »Mich hat vor allem die Einfachheit der Form überrascht«, sagt der Mathematiker Michaël Rao von der École normale superieure in Lyon über die 13-eckige Hut-Kachel.

Einen Wermutstropfen gibt es aber. Um die Ebene lückenlos zu bedecken, muss man Spiegelungen des 13-Ecks zulassen. Für Fliesenleger ist das nicht wirklich praktisch; und auch Mathematiker haben so ihre Probleme damit. Denn eigentlich sind bei Parkettierungen nur Drehungen und Verschiebungen einer Kachel erlaubt. »Die große Frage war, ob ein Einstein existiert, den man nicht spiegeln muss«, erklärt Rao. Eine solche Form bezeichnen manche als »Vampir-Kachel«, da sie wie die mythische Nachtgestalt kein Spiegelbild besitzt.

Also machte sich Smith wieder auf die Suche …

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  • Quellen

Baake, M. et al.: Dynamics and topology of the Hat family of tilings. ArXiv: 2305.05639, 2023

Smith, D. et al.: An aperiodic monotile. ArXiv:2303.10798, 2023

Smith, D. et al.: A chiral aperiodic monotile. ArXiv:2305.17743, 2023

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