Direkt zum Inhalt

1000 Studien umsonst: 18 vermeintliche Depressionsgene sind wohl keine

Mehrere weithin anerkannte Zusammenhänge zwischen Genen und Depression waren laut einer neuen Studie statistische Ausreißer. Das Problem: Hunderte weitere Studien basierten auf diesen Annahmen.
Statue des Kain von Henri Vidal im Jardin des Tuileries. Das Kunstwerk entstand vor dem Aufkommen von Social Media, der Bildhauer kann noch keine Facebook-Kommentare gekannt haben. Erstaunlich, aber wahr.

Mehr als 1000 Forschungsarbeiten über insgesamt 18 mögliche Depressionsgene beruhten möglicherweise auf statistischen Ausreißern. Zu diesem Schluss kommt eine Arbeitsgruppe um Richard Border von der University of Colorado in Boulder in einer umfassenden Studie mit zigtausenden Versuchspersonen pro Stichprobe. Wie das Team im »American Journal of Psychiatry« berichtet, erwiesen sich die vermeintlich mit schwerer Depression zusammenhängenden Genvarianten in den großen Stichproben als nicht stärker mit der Krankheit assoziiert als zufällig ausgewählte Vergleichsgene. Nach Angaben der Arbeitsgruppe hat dieses Ergebnis bei verschiedenen Verfahren, depressive Störungen aus den Daten zu ermitteln, sowie unter Kontrolle möglicher beteiligter Umweltfaktoren Bestand.

Der Befund der Arbeitsgruppe hat potenziell große Bedeutung, denn die Frage nach der Belastbarkeit dieser so genannten Kandidatengene betrifft eine ganze Klasse von genetischen Assoziationsstudien, die solche Resultate als Ausgangspunkt nutzen. Bei diesem Kandidatengen-Ansatz untersucht man gezielt den genauen Zusammenhang zwischen der genetischen Vielfalt eines solchen Gens und der Krankheit, die damit zusammenhängt. Das funktioniert natürlich nur, wenn es diesen Zusammenhang überhaupt gibt – und das stellt die Studie von Border und seinem Team bei 18 häufig verwendeten Kandidatengenen nun in Frage. Über jedes dieser Gene seien mehr als zehn eigene Studien erschienen, insgesamt mehr als 1000, so die Arbeitsgruppe. Ursache des ursprünglichen Fehlers ist nach Ansicht des Teams, dass die Stichproben in den ersten Studien, die diese Kandidatengene identifizierten, zu klein waren – was zu falschpositiven Ergebnissen führte. Von dem Problem könnten auch viele andere Kandidatengene für andere Krankheiten betroffen sein; wie groß das Problem tatsächlich ist, bleibt aber unklar. Moderne Assoziationsstudien haben dank weit geringerer Kosten für die Genomanalyse meist viel größere Stichproben und überblicken viele Gene oder gar komplette Genome.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.