Falcon Heavy: 27 Triebwerke und ein Auto
Verfolgen Sie den Erststart der Falcon Heavy live!
Der erste Startversuch der neuen Schwerlastrakete Falcon Heavy wurde für Dienstag, dem 6. Februar 2018, um 21:05 Uhr unserer Zeit anberaumt. Sie haben Gelegenheit, im Internet den Start live zu verfolgen. Die Herstellerfirma der Rakete, SpaceX, überträgt den Start live auf ihrem Webcast. Alternativ oder bei Überlastung der Homepage von SpaceX, können Sie den Start auf YouTube verfolgen. Eine weitere Möglichkeit bietet sich auf SpaceflightNow.
Der Start muss bis 22 Uhr erfolgen, danach kommt es zu einer Verschiebung um mindestens einen Tag. Gründe für eine solche Verzögerung können technische Probleme sein oder dass das Wetter in Cape Canaveral in Florida nicht mitspielt. Derzeit gibt es über dem Startplatz kräftige Scherwinde, die eine Verschiebung des Starts um rund anderthalb Stunden erzwangen.
An der Startrampe 39A des Kennedy Space Center in Florida, dort wo vor fast 50 Jahren die ersten Astronauten zum Mond aufbrachen, wartet derzeit die schubstärkste Rakete der Welt auf ihren ersten Einsatz. Das 70 Meter hohe Ungetüm ist beinahe so leistungsstark wie die Mondrakete Saturn V, stammt aber nicht von der NASA, sondern von der US-Raumfahrtfirma SpaceX. Deren Chef Elon Musk plant, dereinst den Mars zu besiedeln und will irgendwann vorher Menschen auch wieder zum Mond bringen.
Nur ein Detail stört den historischen Vergleich: An der Spitze der Rakete sitzt längst noch kein moderner Neil Armstrong, sondern nur ein Werbegag – ein Elektroauto aus Musks Autokonzern Tesla. Ob die Falcon Heavy schon beim ersten Versuch der irdischen Schwerkraft überhaupt entkommen kann, weiß selbst Elon Musk nicht so genau: Er sei froh, die Rakete schaffe es weit genug von der Startrampe weg, damit diese keinen Schaden davontrage, sagte Musk im Sommer 2017 auf einer Konferenz. Einen Millionen Dollar teuren Satelliten will er diesem riskanten Erststart offenbar nicht opfern.
Immerhin aber spricht auch einiges für einen erfolgreichen Jungfernflug: Die neue Rakete fußt auf den soliden Erfahrungen von SpaceX. Das Arbeitspferd des Raumfahrtaufsteigers ist die Falcon 9, die vor gerade einmal sieben Jahren auf dem gleichen Startplatz antrat, das globale Raketengeschäft dank niedriger Preise umzukrempeln. Während die Konkurrenz in Westeuropa, Russland und China noch wegen gelegentlicher Fehlstarts feixte, besserte SpaceX in Rekordzeit nach. Durch Massenproduktion eines einzelnen, kleinen und ständig verbesserten Triebwerktyps namens Merlin senkte SpaceX seine Kosten immens.
Explosiver Vorläufer
Im nächsten Schritt perfektionierten die Ingenieure ihre Fähigkeiten im Recycling: Beinahe ausgebrannte Raketenerststufen landen seither fast immer weich und aufrecht, damit sie später wiederverwendet werden können. Alle anderen Triebwerke auf dem Markt sind dagegen aufwändig gefertigte Einzelstücke, die nach dem Start verglühen oder abstürzen. Deshalb bringt die Falcon 9 Satelliten heute weit günstiger ins All als die Ariane, andere US-Träger und selbst als die Raketen aus Russland oder China.
Wohl auch deshalb wollen nur noch wenige über das neuste Stück Ingenieurkunst aus dem Hause SpaceX schlecht reden: "Gegen die Falcon-Raketen wird viel Zweckpessimismus verbreitet", sagt Hansjörg Dittus, im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zuständig für Raumfahrtforschung und Technologieentwicklung. Die ohnehin schockstarre Branche weiß, dass die neue Rakete sicher nicht sofort rundläuft, aber es binnen kurzer Zeit tun könnte.
Die Falcon Heavy sieht aus, als hätten die Entwickler einfach drei der bewährten Falcon-9-Raketen aneinandergeschweißt. Und in der Tat feuern beim Start schlicht dreimal mehr Merlin-Triebwerke, um das 1,4-Millionen-Kilogramm-Ungetüm gen Himmel zu heben. Was nach simpler Vervielfachung klingt, birgt neue Risiken: Der einzige mit gut 30 Triebwerken ausgestattete Träger der Raumfahrtgeschichte war die russische Mondrakete N1, deren vier Startversuche vor gut 40 Jahren allesamt in Explosionen endeten.
Weil die Entwickler damals die entstehende Vibration so vieler einzeln feuernder Düsen unterschätzten, schaukelte sie sich die ins Unkontrollierbare auf. Laut Hansjörg Dittus waren diese Probleme noch unzureichenden Erfahrungen während des turbulenten Wettlaufs zum Mond geschuldet. "Wir haben heute viel bessere regelungstechnische Möglichkeiten als noch vor 50 Jahren", betont der Physiker. "Ich denke, die SpaceX-Ingenieure kriegen das hin."
Wer mitfliegt, ist unklar
Raketentechnologie ist im Jahr 2018 mehr denn je einem enormen Innovationsdruck unterworfen – das zeigt das neue Großgerät von SpaceX schon vor dem Start. Chinesische Raumfahrtunternehmen denken gerade über wiederverwendbare Raketen nach, während Europas derzeit entwickelte Ariane 6 mit günstigen Produktionsverfahren irgendwie gegen Musks Dumpingpreise ankommen soll. Auch die Falcon Heavy geht den Weg einer Billigrakete: Ihre Einzelteile sollen wieder landen können, in spektakulärer Choreografie. Die zwei seitlichen Booster kommen zurück nach Cape Canaveral, wo sie zeitgleich auf zwei Landeplätzen zum Stehen kommen, während die mittlere Stufe hunderte Kilometer entfernt auf einem unbemannten Drohnenschiff niedergehen soll.
All das kann SpaceX bereits. Dadurch und bei ausreichender Nachfrage könnte die Falcon Heavy Nutzlasten für 1000 US-Dollar pro Kilogramm ins All befördern, hatte Elon Musk 2011 versprochen. Derzeit sind Starts auf der SpaceX-Webseite für 1400 Dollar pro Kilogramm ausgeschrieben – für eine Großrakete ist auch das ein Schnäppchen. Nur gegen wen die neue Rakete eigentlich konkurrieren soll, ist unklar, kann sie doch doppelt so viel Masse in einen niedrigen Erdorbit schießen wie die heute schubstärksten Träger der Welt. Zunächst ist es wohl der lukrative Markt für oft massive US-Spionagesatelliten. Diese müssten jedoch in mehrfacher Ausführung starten, um die Falcon Heavy überhaupt auszulasten.
Vor allem dürfte es SpaceX auf die bemannte Raumfahrt abgesehen haben. Zu solchen Zwecken lässt die NASA seit Jahren eine neue Schwerlastrakete namens Space Launch System (SLS) entwickeln, die durch einen Erfolg der Falcon Heavy in Bedrängnis geraten könnte. Der von mehreren alteingesessenen US-Raumfahrtfirmen gebaute Träger soll in einigen Jahren bemannte NASA-Raumschiffe zur Internationalen Raumstation, später vielleicht auch bis zum Mond bringen, wie Donald Trump kürzlich verkündete. Dass Musk genau in diesem neuen Markt Fakten schaffen will, zeigt der weitere Flugplan der Falcon Heavy: Nach einigen experimentellen Satelliten soll möglichst schon Ende 2018 das von SpaceX gebaute Raumschiff Dragon von einer Falcon Heavy zu einer Mondumrundung geschickt werden, mit zwei zahlenden Touristen an Bord. Dieser Schachzug dürfte aber nur gelingen, wenn die Falcon Heavy erst einmal beweist, dass sie überhaupt fliegen kann.
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