Exoplaneten: 50 Exoplaneten auf einen Streich
Ferne Planeten, die eine fremde Sonne umkreisen, inspirieren nicht zuletzt auch unsere Vorstellung von einer zweiten Erde und außerirdischem Leben. Diese Faszination nährt die Europäische Südsternwarte (ESO) nun mit einem außergewöhnlich großen Paket neu entdeckter Exoplaneten. Die ESO analysierte Daten ihres High Accuracy Radial velocity Planet Searcher (HARPS) und präsentierte die Ergebnisse im Rahmen einer Konferenz im US-Bundesstaat Wyoming den 350 anwesenden Exoplaneten-Experten. Unter den 50 neu entdeckten Planeten, die ferne Sterne umkreisen, sind auch 16 als Supererden bezeichnete Planeten mit weniger als zehn Erdmassen.
Die Europäische Südsternwarte errechnete außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass ein sonnenähnlicher Stern mindestens einen vergleichsweise massearmen Planeten besitzt. Aus den Daten von 376 solcher Sterne, die der Spektrograf HARPS beobachtet hat, ermittelten die Astronomen eine Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent, dass ihn ein Planet umkreist, der masseärmer ist als Saturn. Damit sind Exoplaneten alles andere als eine Ausnahmeerscheinung.
Exoplaneten sind in den meisten Fällen zu klein und im Vergleich zu ihrer Sonne zu leuchtschwach, um sie direkt aufnehmen zu können. Das ist bei aktuell knapp 650 entdeckten Planeten erst in 24 Fällen gelungen (Enzyklopädie der extrasolaren Planeten). Die Planetenjäger nutzen indirekte Methoden, indem sie einen Stern beobachten und auf Effekte hoffen, die eventuell umlaufende Planeten auf sein hier ankommendes Licht haben. Dazu gehört die Transitmethode, welche die minimale Verdunklung des Sterns durch einen Planeten misst, der aus Erdsicht vor seiner Sonne her läuft. Diese Methode verwendet das Weltraumteleskop Kepler, das seit 2009 bereits mehr als 1200 Kandidaten für mögliche Exoplaneten gefunden hat.
HARPS verlässt sich bei seiner Suche auf die so genannte Radialgeschwindigkeitsmethode, die den Gravitationseinfluss eines Planeten auf seine Sonne ausnutzt. Beide Himmelskörper umkreisen einen gemeinsamen Schwerpunkt, dadurch wackelt der Stern ein wenig. Diese regelmäßige Schwingung verändert das Licht, das der Stern aussendet: Es kommt zum so genannten Dopplereffekt, einer Verschiebung des Spektrums zu kürzeren Wellenlängen, wenn sich der Stern auf die Erde zu bewegt und größeren Wellenlängen, wenn er sich anschließend wieder entfernt. Dieser Effekt ist äußerst klein, lässt sich mit HARPS aber nachweisen. Dabei verbessert die ESO ständig die Empfindlichkeit ihres Spektrografen. Die Astronomen hoffen, so auf immer leichtere und damit potenziell erdähnlichere Planeten zu stoßen.
Unter den neu entdeckten Planeten ist ein besonderer Kandidat mit der Identifikationsnummer HD 85512b. Er könnte am inneren Rand der so genannten habitablen Zone liegen. Unter günstigen Bedingungen kann auf einem Planeten in diesem Bereich um einen Stern flüssiges Wasser und damit potenziell auch Leben existieren. Im Reich der mittlerweile im Überfluss entdeckten Exoplaneten nehmen sie eine besondere Stellung ein. Planeten werden selten in der habitablen Zone um einen Stern gefunden, und die jeweiligen Voraussetzungen für tatsächliche Bewohnbarkeit beschwören meist heftige Diskussionen herauf. Bisher gibt es nur einen Exoplaneten, den etwa 20 Lichtjahre entfernten Gliese 581d, der 2007 von HARPS entdeckt wurde. Er kommt den Hoffnungen auf Bewohnbarkeit halbwegs nahe, allerdings auch nur im Rahmen von eher exotischen Szenarien. Eine mögliche zweite Erde wurde noch nicht gefunden.
HD 85512b ist rund viermal so massereich wie unsere Erde und liegt am Rand der habitablen Zone. Um ein lebensfreundliches Klima zu konstruieren, haben Wissenschaftler um die Exoplaneten-Expertin Lisa Kaltenegger vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie in einem Fachartikel (Link zum Artikel) ein sehr spekulatives Szenario entworfen. HD 85512b könnte bewohnbar sein, unter der Annahme, dass eine erdähnliche Gasmischung aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickstoff in der Atmosphäre vorliegt, und der Planet außerdem eine Bewölkung von mehr als 50 Prozent aufweist.
Michael Mayor, Leiter des HARPS-Teams, entdeckte im Jahr 1995 mit 51 Pegasi b den ersten Exoplaneten überhaupt. Er weist in der aktuellen ESO-Veröffentlichung darauf hin, dass die neuen Ergebnisse zeigten, dass sich das Tempo der Entdeckung von Exoplaneten beschleunigt habe. Mayor ist optimistisch, "in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren" als Ausgangspunkt für die Suche nach außerirdischem Leben "eine Liste potenziell bewohnbarer Planeten in der Nachbarschaft unserer Sonne" vorlegen zu können. Die Astronomen der ESO können dabei bald auf Unterstützung von den Kanaren setzen, wo am Telescopio Nazionale Galileo auf La Palma mit HARPS-N eine Kopie des HARPS-Instruments installiert wird, die im April 2012 ihre Arbeit beginnt. Im Jahr 2016 soll der noch leistungsfähigere Echelle SPectrograph for Rocky Exoplanet and Stable Spectroscopic Observations (ESPRESSO) am Very Large Telescope der ESO seinen Betrieb aufnehmen.
Die Zahl neu entdeckter Planeten in der Umlaufbahn fremder Sonnen wird somit in den nächsten Jahren weiter rasant zunehmen. Durch immer empfindlichere Instrumente und verbesserte Auswertungssoftware steigen auch die Chancen, kleinere Gesteinsplaneten und damit Kandidaten für erdähnliche Bedingungen zu finden. Schwieriger wird es, fernab von spekulativen Modellen auch tatsächlich Hinweise auf außerirdisches Leben zu finden. Dazu müssen die Atmosphären der Exoplaneten spektroskopisch auf Spuren von biologischer Aktivität untersucht werden. Damit steht die Exoplaneten-Forschung vor ihrer nächsten großen Herausforderung.
Mike Beckers
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