Exoplaneten: 55 Cancri e ein stark kohlenstoffhaltiger Planet
Der rund 40 Lichtjahre von uns entfernte Stern 55 Cancri im Sternbild Krebs wird von mindestens fünf Exoplaneten begleitet. Der innerste von ihnen, 55 Cancri e, umrundet sein Zentralgestirn in nur 18 Stunden. Seine mittlere Entfernung entspricht dem Sechsfachen der Distanz Erde – Mond. Kürzlich schlug ein Forscherteam um Nikku Madhusudhan an der Yale University vor, dass dieser Himmelskörper zu einem großen Prozentsatz aus Kohlenstoff bestehen könnte. Mit dem zweifachen Durchmesser der Erde und der achtfachen Masse gehört er in die Kategorie der so genannten Supererden. Auf Grund seiner großen Sonnennähe beträgt seine Oberflächentemperatur aber rund 2200 Grad Celsius. Er ist somit für Leben, wie wir es kennen, denkbar ungeeignet.
55 Cancri e wurde bereits 2004 entdeckt, und im Jahr 2011 wiesen Astronomen nach, dass dieser Himmelskörper von uns aus gesehen in regelmäßigen Abständen vor seinem Zentralgestirn vorüberzieht. Diese Transite eignen sich dazu, den Durchmesser des Planeten genau zu bestimmen. Zusätzlich ergaben neuere Untersuchungen bessere Abschätzungen seiner Masse. Bei der Modellierung von Exoplaneten orientieren sich die Forscher bevorzugt an der irdischen Zusammensetzung und ziehen daraus ihre Schlüsse für den jeweiligen Himmelskörper.
Die konventionellen Modelle für 55 Cancri e gehen von einem erdähnlichen Himmelskörper aus, der überwiegend aus Eisen und Silikatmineralen besteht. Bedeckt ist dieser von einem mächtigen Mantel aus überkritischem Wasser. Die Anwesenheit von Wasser ist nach diesen Modellen zwingend, da sich sich sonst die beobachtete Masse und Größe nicht erklären ließen. Allerdings ist die Oberflächentemperatur von 55 Cancri e extrem hoch, so dass Wasser hier überkritisch wird. Dies beschreibt einen gasähnlichen Zustand, der sich aber von einer Flüssigkeit nicht klar unterscheiden lässt. Den Vorschlag eines Wassermantels leiteten die Forscher aus der Annahme ab, dass der Planet 55 Cancri e wie die Erde sauerstoffreich ist. Tatsächlich besteht rund ein Drittel der Erdmasse aus Sauerstoff, der fest in Minerale eingebunden ist. Als weitere Elemente folgen Eisen, Silizium und Magnesium, sie machen zusammen mit Sauerstoff rund 94 Pozent der Masse unseres Planeten aus. Auf alle übrigen Elemente entfallen somit insgesamt nur sechs Prozent.
Im Falle von 55 Cancri e legen die Forscher um Madhusudhan jedoch einer gänzlich andere Gesamtzusammensetzung zu Grunde. Gestützt auf die spektroskopische Beobachtung des Zentralgestirns, das deutlich mehr Kohlenstoff als Sauerstoff im Vergleich zu unserer Sonne enthält, vermuten die Wissenschaftler, dass 55 Cancri e ein kohlenstoffdominierter Planet ist. Sie gehen davon aus, dass der Himmelskörper reich an elementarem Kohlenstoff und Siliziumkarbid ist und nur wenig Wasser enthält. Siliziumkarbid (SiC) wird auf der Erde künstlich in großen Mengen – beispielsweise als Schleifmaterial – hergestellt, da es sehr hart ist. Es tritt nicht als irdisches Mineral in Erscheinung. Nur in Meteoriten findet sich SiC als natürlich vorkommender Moissanit.
Gemäß dem Modell von Madhusudhan und Kollegen ist 55 Cancri e in seinem Inneren wie folgt aufgebaut: Im Zentrum befindet sich, analog zur Erde, ein Kern aus metallischem Eisen. Darüber schließt sich ein Mantel aus Siliziumkarbid, alternativ aus Magnesiumsilikaten (Perovskit) an, der wiederum von einer dicken Schicht aus Kohlenstoff überlagert ist. Dabei geben die Forscher jedoch nicht an, in welcher Kristallstruktur dieser vorliegt. In ihrer Arbeit ist von Diamant nicht die Rede, allerdings lasten auf dem Kohlenstoff im Inneren des Planeten hohe Drücke und Temperaturen, so dass man von Hochdruckvarianten festen Kohlenstoffs ausgehen muss, sollte er überwiegend elementar vorliegen. Ein Beispiel für einen sehr kohlenstoffreichen Planeten wäre ein Himmelskörper, der zu 33 Prozent aus metallischem Eisen, 33 Prozent Siliziumkarbid und 34 Prozent aus Kohlenstoff besteht. Auf der Erde beträgt der Gesamtanteil von Kohlenstoff dagegen nur wenige Promille. Er ist nur an ihrer Oberfläche häufig, im Erdinneren macht er sich sehr rar.
Bei einer solchen Zusammensetzung darf man nicht mehr davon ausgehen, dass derartige Himmelskörper der Erde ähneln. Derzeit ist noch völlig unbekannt wie die Oberfläche eines Kohlenstoffplaneten aussieht und ob es auf ihm Vulkanismus oder eine globale Plattentektonik wie auf der Erde geben kann. Auch eine Aussage über die Zusammensetzung einer eventuellen Atmosphäre steht noch völlig am Anfang. 55 Cancri e ist wegen seiner extremen Nähe zum Zentralgestirn ein rotglühender Körper, aber es sind natürlich auch Kohlenstoffplaneten denkbar, die sich in einem für flüssiges Wasser geeigneten Abstand zu ihrem Stern befinden. Die dortige Oberflächenchemie dürfte sich von ihrem irdischen Gegenstück deutlich unterscheiden.
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