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News: Abkürzung

Zwei Zelltypen sitzen in unserem Auge: Stäbchen sind auf Dämmerungssehen spezialisiert, während Zapfen vor allem tagsüber arbeiten. Die Photochemie sollte bei beiden gleich ablaufen - tut sie aber nicht.
Von der Dunkelheit in einer mondlosen Nacht bis hin zum grell reflektierten Tageslicht einer Schneelandschaft – unsere Augen arbeiten zuverlässig über einen erstaunlich weiten Empfindlichkeitsbereich. Dabei teilen sich zwei Lichtsinneszelltypen die Arbeit: Die lichtempfindlichen, aber farbenblinden Stäbchen sind vor allem während der Dämmerung aktiv, die weniger sensiblen Zapfen arbeiten tagsüber und können Farben differenzieren.

Die Chemie, die dahinter steckt, haben Physiologen vor allem bei Stäbchen aufgeklärt, aus denen die Wirbeltiernetzhaut überwiegend besteht. Schlüssel des Sehprozesses ist das Sehpigment Rhodopsin, das aus dem Protein Opsin und dem Carotinoid Retinal besteht. Sobald Retinal Licht absorbiert, verändert es seine Struktur: Aus der gewinkelten 11-cis-Konfiguration entsteht die gestreckte all-trans-Form. Dadurch verändert sich auch das Opsin und öffnet Ionenkanäle, mit der Folge einer elektrischen Erregung der Sehzelle.

Das Sehpigment wird durch diesen Prozess allerdings ausgebleicht, es kann nicht mehr auf Licht reagieren. Deswegen regeneriert die Sehzelle das Rhodopsin durch eine Abfolge von energieverbrauchenden Reaktionen, bei denen sich das all-trans-Retinal vom Opsin trennt und sich wieder in die 11-cis-Form umwandelt, um sich erneut mit Opsin zu verbinden, das seinerseits mehrere Umwandlungsschritte hinter sich hat.

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass dieser Sehpigmentzyklus der Stäbchen genauso auch in Zapfen abläuft. Doch Gabriel Travis von der University of California in Los Angeles hatte da seine Zweifel. Zusammen mit Nathan Mata und anderen nahm er sich deswegen Küken und Erdhörnchen vor, die besonders zapfenreiche Augen haben.

Dabei entdeckten die Wissenschaftler, dass die Zapfen – im Gegensatz zu den Stäbchen – bei der Regeneration eine Abkürzung nutzen. Hilfreich zur Seite stehen ihnen dabei die so genannten Müller-Zellen, welche die Wissenschaftler bisher lediglich als Stützgerüst und elektrischen Isolator der Netzhaut angesehen hatten. Doch die Müller-Zellen stellen den Zapfen fertiges 11-cis-Retinal zur Verfügung, das diese sofort aufnehmen und dadurch die Regeneration um den Faktor 20 beschleunigen können.

Ein solcher zapfenspezifischer Sehpigmentzyklus ist durchaus einleuchtend. Denn die Regeneration der Stäbchen läuft für den Alltagsgebrauch bei Tageslicht schlicht zu langsam ab – wie jeder weiß, der bei Dunkelheit plötzlich geblendet wird.

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