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Hirnforschung: Äffische Handhabungen

Könnten Affen Handball spielen, dann gäbe es unter ihnen ebenfalls Rechtsaußen, Linksaußen und solche, die beidhändig werfen könnten. Wer auf welcher Position aufliefe, ließe sich auch anhand von Hirnaufnahmen ermitteln.
Menschenaffe
"Bruder Affe" titelte einst der Spiegel und spielte damit auf die engen evolutionären Bande zwischen Schimpansen und Menschen an, die immerhin etwa 99 Prozent ihrer Gene gemein haben. Mehr und mehr entdecken und entschlüsseln Forscher Verhaltensweisen wie Werkzeuggebrauch oder Kriegsführung bei Pan troglodytes, die unseren nicht unähnlich sind, und die so vielleicht auch von unseren frühen humanoiden Vorfahren angewendet wurden.

Übereinstimmungen gibt es dabei aber nicht nur im Erbgut, der äußeren Anatomie und im Verhalten, sondern wohl ebenso im jeweiligen zentralen Denkorgan, dem räumlichen Vorstellungsvermögen und den Gefühlen, wie William Hopkins und seine Kollegen vom Yerkes-Primaten-Forschungszentrum in Atlanta jetzt anhand von Hirnuntersuchungen [1] und Verhaltensstudien [2] entschlüsselten. Sie liefern somit weitere Belege für die enge Verwandtschaft zwischen Mensch und Affe.

Mit Magnetresonanzbildern von sechzig Schimpansengehirnen zeigen sie, dass es in den Köpfen der Affen ähnliche Asymmetrien wie bei Menschen gibt. Unterschiedliche zerebrale Aufteilungen schlagen sich zudem im jeweils bevorzugten Gebrauch der rechten oder der linken Hand nieder.

Affenübung | Schimpanse beim Verzehr von Erdnussbutter aus einem Röhrchen: Anhand von derartigen Tests ermittelten Forscher die von den Affen bevorzugt genutzte Hand. Die Händigkeit der Schimpansen verglichen sie mit Magnetresonanzbildern der Affengehirne und stellten dort die gleichen Asymmetrien wie in menschlichen Gehirnen fest. Der Zusammenhang zwischen Hirnanatomie und Händigkeit scheint daher schon älter als die bislang genannten fünf Millionen Jahre zu sein und geht wohl auf einen gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse zurück.
Der äffische Hippocampus – der wie beim Menschen das Lernen, die räumliche Wahrnehmung, Launen oder den Appetit hauptsächlich mitverantworten soll – ist wie in unseren Gehirnen ungleich angelegt: Seine rechte Hälfte erscheint auf den Aufnahmen signifikant größer als die linke, und das bei Männchen ausgeprägter als bei Weibchen. Die jeweilige Amygdala – der Mandelkern – bildet sich dagegen bei Mensch und Affe symmetrisch in beiden Gehirnhälften aus.

Die Amygdala, die der Signalverarbeitung sowie der Gedächtnisbildung dient und als Zentrum der Gefühle angesehen wird, und der Hippocampus gehören zum limbischen System des Gehirns. Dieses dient der Verarbeitung und dem Ausdruck von Emotionen sowie der Entstehung von Triebverhalten. Wenn sich Schimpansen erfreut, erstaunt, verängstigt oder wütend zeigen, entgleisen ihnen wie uns durch Grimassen häufig die Gesichtszüge. Dabei wird ihre ausdrucksstärkere linke Gesichtshälfte anscheinend von der rechten Hirnhälfte – mit dem größeren Hippocampusteil – kontrolliert.

Die Ausbildung gedanklicher Kartenwerke befindet sich ebenfalls im Hippocampus: Schimpansen können sich sehr gut merken, wo im afrikanischen Urwald ergiebige Termitenbauten, leckere Früchte oder nützliche Werkzeugmaterialien zu finden sind. Ihr räumliches Denkvermögen ist entsprechend stark ausgebildet und vor allem in der rechten Hälfte angesiedelt – wie beim Menschen. Affen- und Menschengehirn arbeiten demnach in auf gleiche Weise asymmetrisch; die Aufteilung muss folglich schon in einem unserer gemeinsamen Urahnen angelegt worden sein.

Asymmetrien im Denkapparat regeln aber nicht nur das Navigieren der Affen durch den Wald und ihre nonverbale Kommunikation, sondern ebenso ihre Händigkeit: den bevorzugten Gebrauch von rechter oder linker Hand. Dies beobachteten William Hopkins und sein Kollege Claudio Cantalupo, ebenfalls Yerkes-Primaten-Forschungszentrum, an 66 Schimpansen, die verschiedene Aufgaben mit ihren Händen meistern mussten. Die jeweilige Handhabe setzten die Forscher in Bezug zur Hirnstruktur der einzelnen Tiere.

Die Primaten mussten drei Aufgaben bewältigen: Welche Hand greift bevorzugt eine in den Käfig geworfene Frucht auf? Welche Hand führt sich Fruchtstücke zum Mund, wenn die andere die ganze Staude hält? Und welche pult Erdnussbutter aus einem Röhrchen, das mit der anderen gegriffen werden muss? Je nach Ausbildungsstärke des jeweiligen Schläfenlappens und der vorderen Zentralwindung nutzten die Schimpansen entsprechend die rechte oder die linke Hand. Beide Hirnregionen sind mit zuständig für die Motorik von Mensch und Tier.

Erstmals konnte somit ein Zusammenhang zwischen zerebraler Asymmetrie und Händigkeit bei Affen festgestellt werden, betonen die Forscher. Damit ist die alte Annahme, diese neurobiologische Festlegung habe sich einzig beim Menschen entwickelt, vom Tisch. Die neuronale Anatomie legt auch bei Schimpansen fest, ob sie Rechts- oder Linkshänder werden und ist folglich stammesgeschichtlich älter als fünf Millionen Jahre.

Stellte sich jetzt nur noch eine Frage: Wären Schimpansen auch fähig Auto zu fahren, hätten bei ihnen dann die Männchen mit dem übergroßen rechten Hippocampus ebenfalls das größere Verständnis von Autoatlanten, und könnten Weibchen dank ihrer Ausdrucksfähigkeit besser nach dem Weg fragen? Wir harren der Antwort.

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