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Bronzezeit: Der erste Friedensvertrag der Welt

Im Altertum endete Krieg, wenn es Sieger und Besiegte gab. Bis es zur Schlacht von Kadesch zwischen Ägypten und dem Hethiterreich kam. Die brandgefährliche Lage entspannte sich, als die beiden Länder 1259 v. Chr. ein Friedensabkommen beschlossen – das erste seiner Art.
Hethiterkönig Ḫattušili III. und Pharao Ramses II. trafen im Jahr 1259 v. Chr. ein Friedensabkommen. Die fragmentierte Keilschrifttafel, die sich im Thronarchiv der hethtitischen Hauptstadt fand, nennt den Vertragstext.
Hethiterkönig Ḫattušili III. und Pharao Ramses II. trafen im Jahr 1259 v. Chr. ein Friedensabkommen. Auf der fragmentierten Keilschrifttafel, die sich im Thronarchiv der hethitischen Hauptstadt fand, steht der Vertragstext.

Es war gemäß ägyptischer Aufzeichnung der 10. November des Jahres 1259 v. Chr., als die Delegation aus Anatolien im Nildelta eintraf. Sie bestand aus hethitischen Würdenträgern, ägyptischen Beamten und syrischen Fürsten. Auch ein Sohn des hethitischen Großkönigs Ḫattušili III. gehörte zur Gesandtschaft. Ungefähr 1800 Kilometer hatten die Männer auf ihrer einmonatigen Reise zwischen der Hethiterhauptstadt Ḫattuša und der ägyptischen Metropole Pi-Ramesse zurückgelegt. Sie brachten eine Silbertafel mit, die sie in einer feierlichen Zeremonie dem Pharao Ramses II. übergaben. Die Tafel war mit der akkadischen Fassung des weltweit ersten Friedensvertrags beschriftet. Eine Bronzekopie davon ist heute im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgestellt.

Der Vertragstext bestand im Wesentlichen aus drei Teilen: einem Nichtangriffspakt, einem Verteidigungsbündnis gegen äußere und innere Feinde und einem Abkommen, das den Umgang mit Flüchtlingen regelt. Die Vertragspartner waren gleichberechtigt, der Text – bis auf eine Ausnahme – streng paritätisch aufgebaut. In früheren Vereinbarungen stellten sich die Sieger meist über die Besiegten. Nicht so in diesem Vertrag: Jeder Satz der hethitischen Fassung ist nahezu identisch mit der ägyptischen Version, wie der Ägyptologe Elmar Edel (1914–1997) bereits 1983 festgestellt hat. Außergewöhnlich ist der Vertrag nicht zuletzt auch deshalb, weil er zu einer Zeit und in einer Region entstand, in der Krieg der Normalzustand war.

Nachdem das Dokument öffentlich vor den wichtigsten Gottheiten des Landes verlesen worden war, fertigte man in Pi-Ramesse ebenfalls auf einer Silbertafel eine Abschrift an und sandte sie in die hethitische Hauptstadt zurück. Beide Tafeln wurden in Keilschrift und auf Babylonisch, der Lingua franca des Alten Orients, verfasst. Auch wenn die Originale heute verschollen sind, ist der Inhalt bekannt. Bei den Ausgrabungen in Ḫattuša fanden sich Tontafelfragmente mit der Keilschriftversion. Die hieroglyphische Übersetzung wiederum ist an einer Reliefwand im Tempel von Karnak im ägyptischen Theben erhalten.

Beide, Ägypter und Hethiter, wollten Syrien erobern

Bis der Vertrag »des großen Friedens und der großen Bruderschaft für immer« – so lautete der offizielle Name – zwischen den beiden Ländern geschlossen wurde, war es ein langer Weg: Das zentralanatolische Hethiterreich und Ägypten waren ursprünglich weder Nachbarn noch Feinde. Sie begegneten sich lange Zeit gar nicht oder nur peripher. Es war eine dritte Region, nämlich Syrien, um das schließlich der Kampf zwischen den beiden Großmächten entbrannte.

Syrien bestand im Altertum aus den nördlichen Anrainerprovinzen der levantinischen Mittelmeerküste einschließlich des heutigen Libanon. Dort kreuzten sich in der Spätbronzezeit die wichtigsten Handelsrouten zwischen Nord und Süd, Ost und West. Syriens große Mittelmeerhäfen waren bedeutende Umschlagplätze für Waren aus der ganzen Welt. Zudem besaß das Land reichlich Natur- und Bodenschätze. In seinen fruchtbaren Ebenen bauten Bauern Getreide, Baumwolle und Oliven an. Die Wälder im Süden lieferten das weithin berühmte Zedernholz. Und in den Bergregionen hatte sich eine boomende Viehwirtschaft entwickelt. Syrien weckte also fast zwangsläufig die Begehrlichkeiten seiner Nachbarn.

Nur wenige der in der Gegend beheimateten Kleinfürstentümer konnten längere Zeit ihre Unabhängigkeit bewahren, wie es unter anderem die Forschungen des Altorientalisten Horst Klengel (1933–2019) ergaben. Um ihr Überleben zu sichern, mussten sich die Fürstentümer auf die Seite einer der um sie konkurrierenden Großmächte schlagen. Zu Beginn der Spätbronzezeit waren das Hatti und Mitanni. Mitanni, das Reich der Hurriter, war ein Zusammenschluss von Völkern, die bereits im 23. Jahrhundert v. Chr. in Nordmesopotamien auftauchten. Ihre Sprache lässt auf eine Herkunft aus dem Südkaukasus schließen. Sie errichteten im 16. Jahrhundert in Nordmesopotamien ein Territorialreich, das sie rasch nach Nordsyrien und Südostanatolien vergrößerten. Dort kamen sie mit den Hethitern in Konflikt.

Heimat in einer kargen Berglandschaft

Die Anfänge der Hethiter gehen bis ins 18. Jahrhundert v. Chr. zurück. In dieser Zeit unterwarf ein gewisser Anitta aus dem ostanatolischen Kuššara die umliegenden Fürstentümer und machte die alte zentralanatolische Handelsstadt Kaneš oder Neša, das heutige Kültepe, zu seiner Metropole. Daher nannten sich die Hethiter »nešili«, was »die aus Neša« bedeutet; ihre Sprache, das Hethitische, bezeichneten sie als »Neschisch«. Der erste historisch bezeugte König der Hethiter ist der ebenfalls aus Kuššara stammende Ḫattušili I., der die Hauptstadt dann in das zentralanatolische Ḫattuša verlegte – dort, wo heute Boğazkale liegt. Die ursprünglich eingewanderten Hethiter vermischten sich rasch mit den ansässigen Hattiern, die rund um den Fluss Kızılırmak siedelten. Ihrem Land gaben sie den Namen Hatti, nach dem Gebiet, in dem sie sich niedergelassen hatten.

Im anatolischen Hochland liegt oft bis in den Mai hinein Schnee. Die Regenfälle in der zerklüfteten Gebirgslandschaft waren nicht sehr ergiebig. Auch gab es keine großen Flüsse, die Wasser für die Felder geliefert hätten. Daher waren die Ernten meist nicht sehr ertragreich. Jahre mit Ernteausfällen gab es oft. Das bezeugt etwa die königliche Briefkorrespondenz, die Hethitologen wie Trevor Bryce von der University of Queensland in Brisbane ausgewertet haben.

Die spärlichen Nahrungsressourcen nötigten die Bergbewohner, nach sicheren Güterquellen zu suchen. Und als besonders attraktiv erwiesen sich die fruchtbaren Landschaften Syriens. Bereits seine ersten Feldzüge führten Ḫattušili I. über die Tauruspässe nach Nordsyrien, in ein Land, das sich damals Yamchad nannte. Sein Enkel Muršili I. zerstörte in einem einzigen Feldzug Yamchads Hauptstadt Aleppo und drang bis nach Babylon vor. Allerdings waren diese militärischen Erfolge nur von kurzer Dauer. Interne Streitigkeiten in der Königsfamilie lähmten das hethitische Reich für mehrere Jahrhunderte. Erst mit Šuppiluliuma I., der von 1350 bis 1322 v. Chr. regierte, betrat wieder ein expansiv agierender König die Bühne. Unter ihm stieg Hatti zur Großmacht auf.

Ägyptens Reaktion auf die erste Fremdherrschaft

Vergleichbare Sorgen wie die Hethiter hatten die Ägypter nicht. Die regelmäßig im Sommer eintretende Nilflut, die nährstoffreichen Schlamm auf die Felder trug, sorgte zuverlässig für reiche Ernten. Syrien und die Levante traten erst in den Fokus ägyptischer Interessen, als Mitte des 17. Jahrhunderts v. Chr. eine Gruppe syropalästinensischer Einwanderer die Herrschaft im Pharaonenreich ergriffen hatte: die Dynastie der Hyksos. Sie regierte ohne nennenswerten Widerstand ein ganzes Jahrhundert, bis die Könige von Theben die »Fremdherrscher« wieder aus dem Niltal vertrieben haben.

Ihre Nachfolger, die Pharaonen Amenhotep I. und Thutmosis I., wollten ein für alle Mal sicherstellen, dass Fürsten aus dem Vorderen Orient nie wieder den ägyptischen Thron besteigen würden, und führten mehrere Kriegszüge in die Levante durch. Thutmosis kam sogar bis zum oberen Euphrat, wo er eine Siegesstele aufstellte. Einer seiner Nachfolger, Thutmosis III., besiegte in der Schlacht von Megiddo im Jahr 1457 v. Chr. eine Koalition von 330 vorderasiatischen Königen und Fürsten. Ein Teil seiner Landgewinne ging jedoch unter einem erstarkten Mitanni-Reich wieder verloren.

Ägyptische Fassung | Auf einer Wand im Tempel von Karnak ist der Wortlaut des Friedensvertrags in Hieroglyphen abgebildet.

Die beiden darauf folgenden Pharaonen konzentrierten sich auf ihr eigenes Land. Der zweite, Amenhotep IV., der von 1352 bis 1336 v. Chr. an der Macht war, nannte sich bald Echnaton und führte zusammen mit seiner Gattin Nofretete eine neue Religion ein, in der sich alles um die Anbetung der Sonnenscheibe Aton drehte. Seine Hauptstadt verlegte er nach Mittelägypten in das 400 Kilometer nördlich von Theben gelegene Tell el-Amarna. Unter den 25 000 Tontafeln des dortigen Thronarchivs fand man auch ein Schreiben des hethitischen Großkönigs Šuppiluliuma I. an den Pharao.

Der anatolische Herrscher nutzte Echnatons außenpolitische Tatenlosigkeit. Er eroberte die an Mitanni gefallenen Gebiete in Syrien zurück. Mit dem Pharao blieb er in freundlichem diplomatischem Kontakt. Dabei wäre es vielleicht auch geblieben, wenn nicht Echnatons Nachfolger Tutanchamun plötzlich eine Attacke auf das nun unter hethitischer Kontrolle stehende Kadesch unternommen hätte. Dieser Akt der Aggression blieb nicht unbeantwortet. Šuppiluliuma I. startete einen Gegenangriff und löschte die ägyptischen Truppen in der Provinz Amka nahezu aus.

Die Königswitwe bat den hethitischen Herrscher um einen Gemahl

Kurz darauf erreichte ein Brief den Hethiterkönig. Vermutlich hatte ihn die Witwe des in jugendlichem Alter gestorbenen Tutanchamun verfasst. Darin bat die kinderlose Regentin, dass ihr Šuppiluliuma einen seiner Söhne als Bräutigam schicken solle. Zwar waren dynastische Ehen im Vorderen Orient der Spätbronzezeit nicht ungewöhnlich. In der Regel arrangierten aber die Eltern solche Heiraten für ihre Töchter. Man würde die ganze Geschichte für unglaubwürdig halten, hätte sie nicht Šuppiluliumas I. Sohn aufs Ausführlichste im Tontafelarchiv von Ḫattuša dokumentiert. Verständlicherweise misstrauisch, zögerte der Herrscher und schickte zunächst seinen Vertrauten Ḫattuša-Ziti als Kundschafter an den ägyptischen Hof. Dieser kam, nachdem er am Nil überwintert hatte, zusammen mit dem ägyptischen Botschafter Hani im Frühling nach Ḫattuša zurück. Beide versicherten Šuppiluliuma, die Offerte der Königswitwe sei aufrichtig gemeint.

Daraufhin schickte der König seinen jüngsten Sohn Zannanza nach Ägypten. Doch der Prinz kam auf der Reise ums Leben. Auch wenn die näheren Umstände seines Todes nicht bekannt waren, machte der Hethiterkönig Ägypten für sein Schicksal verantwortlich. Waren die beiden Länder nach Tutanchamuns Vorstoß schon zutiefst verfeindet gewesen, befanden sie sich nun in einem offenen Kriegszustand. Zur Vergeltung drang der Thronfolger Arnuwanda bis auf ägyptisches Territorium vor und verschleppte tausende Kriegsgefangene nach Hatti. Mit den Nachfolgern Tutanchamuns kämpften die Hethiter erbittert um die syrischen Provinzen. Eroberten die Pharaonen eine Stadt oder Region, holten die Hethiter sie kurz darauf wieder in ihren Machtbereich zurück.

Die Schlacht von Kadesch

Zum Showdown der Supermächte kam es im Jahr 1274 v. Chr. bei der Schlacht von Kadesch. Hier standen sich Muwatalli II., der Enkel Šuppiluliumas I., und Ramses II. gegenüber. Die Ägypter boten 20 000 Soldaten und 2000 Streitwagen auf. Die vom hethitischen König eingesetzte Streitmacht belief sich einigen Quellen zufolge auf das Doppelte. Mit einem Trupp Kundschafter und vier Divisionen rückte der Pharao in Richtung Kadesch vor. Als die Ägypter südlich der Festung ihr Nachtlager aufschlugen, kamen zwei Beduinen in Ramses' Zelt. Sie gaben sich als Überläufer aus dem hethitischen Heer aus und berichteten, die Hethiter hätten sich aus Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung nach Norden zurückgezogen. Dem noch unerfahrenen Pharao gefiel die Vorstellung eines vor den Ägyptern fliehenden Feindes ausnehmend gut. Passte sie doch perfekt in die ägyptische Königsideologie, die von einer grundsätzlichen Überlegenheit der Herrscher ausging, wie es unter anderem Francis Breyer, Ägyptologe an der Universität Bonn, in seinem Buch »Ägypten und Anatolien« überzeugend darstellt.

Siegessicher zog Ramses mit nur einer Division Richtung Kadesch. Allerdings war die Nachricht vom Rückzug der Hethiter eine Finte. Der Gegner lauerte in voller Truppenstärke genau hinter Kadesch und griff prompt die zurückgelassenen ägyptischen Divisionen an. Der vorausgeeilte Pharao war schließlich völlig von hethitischen Soldaten umzingelt. Erst im allerletzten Moment wurde er von seinen Kundschaftern aus der brenzligen Situation befreit. Während die Ägypter vor dem feindlichen Heer nach Süden flohen, eroberten die Hethiter, deren Reich ohnehin schon fast ganz Kleinasien, Nordmesopotamien und Nordsyrien umfasste, weitere Provinzen.

Propaganda | An mehreren Tempeln im Land ließ Ramses II. Reliefbilder anbringen, die ihn als übermächtigen Pharao in der Schlacht von Kadesch zeigen. Er hatte den Kampf zwar nicht gewonnen, verbreitete im Land aber das Narrativ vom Sieg, was der ägyptischen Königsideologie entsprach. Dieses Relief befindet sich in Ramses' Totentempel in Theben-West.

Kaum von der Schlacht zurück, deutete Ramses sein Debakel in einen persönlichen Triumph um und ließ allein fünf ägyptische Tempel mit den Bildern seiner glorreichen Taten schmücken. Im Grunde waren aber nach dieser militärischen Auseinandersetzung die Fronten zwischen Ägypten und Hatti geklärt. Ramses II. hatte die Schlacht heil überstanden – allerdings ziemlich knapp. Er war zu keiner weiteren Konfrontation mit den Hethitern bereit.

Zudem versuchten Nomadenstämme aus Libyen ins ägyptische Delta vorzudringen. Der Pharao musste all seine militärischen Kräfte auf die Abwehr dieser Bedrohung konzentrieren. Daher schickte er wiederholt Botschaften nach Ḫattuša, die einen »brüderlichen Frieden« zwischen den beiden Ländern vorschlugen. Erst der nächste Hethiterkönig Ḫattušili III. ging auf sein Angebot ein. Auch er wollte keinen Zweifrontenkrieg riskieren, drängten doch die Assyrer von Osten immer stärker auf hethitisches Terrain. Ein Friedensschluss mit dem ägyptischen Pharao brachte für ihn überdies den Vorteil, dass er dadurch als Herrscher Hattis anerkannt würde.

Die Länder einigten sich auf die Friedensbedingungen

Auf beiden Seiten standen die Zeichen auf Frieden. Doch nun galt es, die genauen Konditionen zu klären. Hochkarätige Delegationen reisten mit Entwürfen zwischen den Hauptstädten hin und her. Die beiden Machthaber selbst tauschten sich auf Tontafeln über ihre Vorstellungen aus.

Über den Nichtangriffspakt war man sich schnell einig. Er trat umgehend in Kraft. Damit war auch der Grenzverlauf zwischen den Ländern erst einmal festgelegt. Dann vereinbarten beide Seiten, sich gegen innere und äußere Feinde gegenseitig zu unterstützen. Man beschloss, im Krisenfall Fußtruppen und Streitwagen zu Gunsten des jeweiligen Vertragspartners zu entsenden. Dass im Vertragswerk innere Feinde genannt sind, ging wohl auf Ḫattušili III. zurück. Während der Pharao wenig Widerstand im eigenen Land zu befürchten hatte, waren Thronwirren in Ḫattuša gang und gäbe. Der Hethiterkönig selbst hatte seinen Neffen und rechtmäßigen Thronfolger gestürzt; stets musste er mit dessen Rückkehr oder einem Umsturz rechnen. Darauf nahm die einzige einseitige Klausel des Vertrags Bezug: Sie sicherte Ḫattušilis Sohn militärische Hilfe zu, falls er an einer Thronbesteigung gehindert werden würde.

Damit hing auch die Klausel zum Umgang mit »vornehmen Flüchtlingen« zusammen. Dieser Punkt war heikel. Ägypten hatte den Neffen gleich nach seinem Amtsantritt offiziell anerkannt, doch nachdem ihn sein Onkel gestürzt und aus Hatti verbannt hatte, setzte er sich gen Ägypten ab. Das vermutete zumindest Ḫattušili III., auch wenn der Pharao dies stets bestritt. Man einigte sich schließlich auf die Auslieferung hochrangiger Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer und gleichzeitig auf eine Amnestie. Weder sie selbst noch ihre Familien durften in irgendeiner Weise belangt werden. Sie sollten unverletzt und ihr Besitz unangetastet bleiben. Dasselbe galt für alle anderen Flüchtlinge. Damit waren wahrscheinlich tributpflichtige Bauern gemeint, die auf Grund einer Dürrekatastrophe keine Abgaben mehr leisten konnten und aus dem hethitischen Reich geflohen waren.

Letztlich zielte der Vertrag auf einen Interessenausgleich zwischen beiden Ländern ab. Dabei bewiesen die Vertragspartner ein gutes Gespür dafür, die empfindsamen Stellen des anderen zu erkennen. So wird Ḫattušili III. im Text durchgehend als Enkel Šuppiluliumas I. bezeichnet. Auf diese Weise ließ sich kaschieren, dass er illegitim auf den Thron gefolgt war. Der Name seines Neffen taucht nirgendwo im Text auf. Auf der anderen Seite beschwerte sich Ḫattušili III. in seiner Korrespondenz mit Ramses über die wiederholte Selbstdarstellung des Pharaos als Sieger der Schlacht von Kadesch. Wie die Schlacht tatsächlich endete, ist daher im Vertragstext mit keinem Wort erwähnt.

Der Frieden hielt

Nach dem Vertragsabschluss blieben die Königsfamilien einander freundschaftlich verbunden. Ḫattušili III. verheiratete sogar zwei seiner Töchter an den Pharao. Was ebenso folgte, war ein intensiver Austausch von Wissen und Technologie. Auf Bitten von Ḫattušili entsandte Ramses Ärzte an den hattischen Hof, die den anatolischen Herrscher von seiner Gicht und einem Augenleiden kurieren sollten. Die Ägypter verschickten auch Medizin an die Kleinkönigtümer in Nordsyrien. Ebenso kamen ägyptische Schiffbauer als Experten nach Hatti. Und umgekehrt reisten hethitische Streitwagenkonstrukteure ins Niltal und brachten ihr Knowhow mit. Die beiden Länder halfen sich zudem in Notlagen: Als es im Hethiterreich zu Hungersnöten kam, schickten die Pharaonen Schiffe mit Getreidelieferungen nach Anatolien.

Keine Kriege zu führen, verhalf Ramses II. dazu, zahlreiche Tempel errichten zu lassen. Als er im Jahr 1213 v. Chr. starb, war er um die 90 Jahre alt. Wann Ḫattušili genau starb, ist nicht überliefert. Nach seinem Tod bestieg, wie im Vertrag festgelegt, sein Sohn Tudhaliya IV. den Thron.

Insgesamt hielt der Friedensvertrag rund 80 Jahre. Er wurde von keiner der beiden Vertragsparteien gebrochen. Seine Grundlage entfiel, als in dem Strudel von Ereignissen, der schließlich zum Zusammenbruch der politischen Ordnung Vorderasiens zu Beginn des 12. Jahrhunderts v. Chr. führte, auch das Reich der Hethiter unterging.

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