Linguistik: Ähnliche Ausdrucksweise verbindet
Erdäpfel oder Kartoffeln? Frikadelle, Bulette oder Fleischpflanzerl? Ich bin gesessen oder ich habe gesessen? Schon kleine sprachliche Unterschiede können eine gewichtige Rolle dabei spielen, wie gerne man mit anderen Menschen kooperiert. Das hat eine Forschungsgruppe um Theresa Matzinger von der Universität Wien in mehreren Experimenten herausgefunden. Die Wissenschaftler stellten fest: Je ähnlicher die eigenen Formulierungen denen des Gegenübers sind, desto eher ist man bereit, sich auf den anderen einzulassen. Entscheidend dafür ist wohl das Gefühl von Gruppenzugehörigkeit. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift »Language and Cognition« erschienen.
Das Experiment bestand aus drei Phasen. Zunächst wurde untersucht, welche syntaktische Konstruktion die 100 englischsprachigen Probanden bevorzugten: die präpositionale Dativkonstruktion (»John gives Mary the book«) oder die Doppelobjektkonstruktion (»John gives the book to Mary«). Je nach Präferenz wurden sie in eine von zwei Gruppen eingeteilt. In der darauf folgenden Interaktionsphase sollten sie in mehreren Durchgängen weitere Bilder beschreiben und ihre Antwort an einen fiktiven Interaktionspartner schicken. Im Anschluss wurden die Rollen gewechselt und die Studienteilnehmer mit Bildbeschreibungen ihrer Partnerinnen und Partner konfrontiert. Daraufhin mussten sie entscheiden, mit wem sie in der dritten Phase kooperieren wollten.
»Wir entdeckten, dass unsere Probanden wie erwartet jene Konversationspartner auswählten, die ihnen in ihrer Sprache ähnlich waren und dieselbe grammatikalische Konstruktion wie sie benutzten«, erklärt Erstautorin Matzinger. Der Effekt war sogar noch stärker, wenn die Probanden gezwungen waren, die nicht von ihnen präferierte Variante zu verwenden.
Was könnte der Grund dafür sein? Das Forschungsteam hatte vorab zwei Thesen aufgestellt. Entweder bevorzugt man ähnlich sprechende Menschen, weil man denkt, dass sie zur selben sozialen Gruppe gehören wie man selbst, und man eher mit Gruppenmitgliedern kooperiert als mit Außenseitern. Oder man bevorzugt ähnlich sprechende Menschen, weil man denkt, dass sie dazu gewillt sind, sich sprachlich anzupassen, und somit auch in anderen Bereichen kooperativer sein könnten. Dass selbst die Probanden, die gezwungen waren, die ungewohnte Formulierung zu verwenden, sich für jene Personen entschieden, die ihrer natürlichen Sprache ähnelten, zeigt, dass es offenbar um ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit geht. »Das Gedankenspiel, dass die andere Person sich der eigenen Ausdrucksweise anpasst und deshalb kooperativer sein könnte, fiel deutlich weniger ins Gewicht«, sagte Matzinger.
Die Forschungsgruppe hofft, dass die Ergebnisse in weiterer Folge dazu genutzt werden, besser zu verstehen, wie in sprachlich heterogenen Gruppen kooperative Entscheidungen getroffen werden, sowie dafür, Vorurteile gegenüber anders sprechenden Menschen abzubauen.
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