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Sonnensystem: Der Fünf-Milliarden-Jahre-Dreck

Kaum etwas ist älter als interstellarer Sternenstaub. Die bislang ältesten der uralten Körner haben Forscher in einem australischen Meteoriten entdeckt – eine Zeitkapsel aus der Ära vor unserem Sonnensystem.
Staubkorn im Eier-Nebel

Im Jahr 1969 schlugen in Australien einige Felsbrocken ein, die eine außergewöhnliche Fracht trugen. Eingeschlossen im Gestein des Murchison-Meteoriten haben Forscher die ältesten festen Materialien auf der Erde entdeckt. Ein internationales Team um Philipp Heck von der University of Chicago hat den Sternenstaub nun freigelegt und datiert. Wie sie in den »Proceedings of the National Academy of Sciences« in den USA berichten, sind die ältesten dieser Staubteilchen vor mehr als 5,5 Milliarden Jahren entstanden. Selbst die jüngeren Körner sind dabei älter als die Sonne: Als unser Heimatstern vor rund 4,6 Milliarden Jahren die kosmische Bühne betrat und sich in der Materiescheibe um ihn herum Gesteinsklumpen bildeten, wurden die älteren Partikel darin eingeschlossen und kreisten mit ihm durchs Sonnensystem – bis der Impakt sie zu uns auf die Erde brachte.

50 Jahre später liegt der Sternenstaub dort auf dem Labortisch von Heck und seinem Team. Um die präsolaren Körner, wie die weniger poetische wissenschaftliche Bezeichnung lautet, aus dem Gestein zu befreien, zerrieben die Forscher Meteoritenbruchstücke und lösten sie in Säure auf, bis nur der eingeschlossene Sternenstaub übrig blieb. So legten sie knapp 50 nur wenige Mikrometer große Körnchen aus Siliziumkarbid frei, deren Zusammensetzung nicht zu einer Herkunft im Sonnensystem passt. Dass der Sternenstaub älter ist, steht außer Frage. Doch die eigentliche Frage, die Heck und seine Kollegen umtrieb, lautete: Wie viel älter? Die Antwort fanden sie in der kosmischen Strahlung. Durch Reaktionen mit diesen hochenergetischen Teilchen bilden sich neue Elemente wie Neon. Je länger sich Sternenstaub in der kosmischen Strahlung gesonnt hat, desto mehr Neon enthält er. Während die kleineren Staubkörner zum Teil sehr alt sind, sind die meisten größeren Partikel nur etwa 200 Millionen Jahre vor der Geburt des Sonnensystems entstanden.

Mit seinen Ergebnissen möchte das Forscherteam insbesondere neuen Wind in eine alte Debatte bringen. Sind die Sterne in unserer Milchstraße kontinuierlich entstanden oder in kurzen intensiven Schüben? Der Sternenstaub könnte auf die zweite Theorie deuten: So müssten die größeren Staubpartikel in Roten Riesen entstanden sein, die etwa doppelt so schwer sind wie die Sonne. Deren Lebensdauer, kombiniert mit dem Alter ihres Staubs, passt zu einer von Verfechtern der Babyboomthese postulierten Sternentstehungswelle vor sieben Milliarden Jahren. Bei einer Stichprobe von wenigen dutzend Körnern ist diese Schlussfolgerung bislang allerdings kaum mehr als Spekulation – für sichere Aussagen bräuchte es mehr Sternenstaub.

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