Körperwahrnehmung: Affenhirn fühlt Bildschirmhand
Der simple Trick funktioniert immer wieder: Man lege Menschen eine Gummihand parallel zu ihrer echten Hand auf den Tisch, verdecke dann die echte Hand und streiche anschließend mit zwei Pinseln simultan über Attrappe und Körperteil. Nach etwa elf Sekunden haben die Bepinselten das dumpfe Gefühl, der Gummidoppelgänger sei ihre eigene Hand – sie erleben die so genannte Gummihand-Illusion. Forscher um Miguel Nicolelis von der Duke University in Durham sind jetzt in einem Experiment mit Affen der Frage nachgegangen, wie die echten Gefühle für die fremde Hand im Gehirn entstehen [1].
Die Wissenschaftler setzten ihre zwei Versuchsmakaken dafür vor einen Bildschirm, auf dem virtuelle Affenarme sichtbar waren, und versteckten die echten Arme der Tiere unter einer Abdeckung. Den beiden Makaken waren vor dem Experiment Elektroden in diejenigen Hirnareale implantiert worden, mit denen der eigene Körper wahrgenommen wird: sensorische Areale, die alle äußeren Reize verarbeiten, und motorische Areale, die abgleichen, wie der Körper und seine Einzelteile gerade positioniert sind. Die Forscher berührten nun wie in den Gummihand-Experimenten die verdeckten Arme der Affen unter der Abdeckung und spielten ihnen zeitgleich auf dem Bildschirm einen Film vor, in dem ein virtueller Ball an die virtuellen Affenarme prallte – erwartungsgemäß reagierten die sensorischen und motorischen Areale. Anschließend wiederholten sie das Experiment ohne die echten Berührungen und zeigten den Makaken nur den Film – auch hierbei reagierten sensorische und motorische Neurone, obwohl keine direkte Stimulation vorhanden war.
Die Bildschirm-Hand fühlt sich also echt an, weil die bloße visuelle Information auch diejenigen Areale aktiviert, die beim Fühlen und nicht nur beim Sehen reagieren. Ohne die echten Berührungen dauerte es jedoch 50 bis 70 Millisekunden länger, bis motorische und sensorische Neurone ansprangen – das entspricht ungefähr der Zeit, die visuelle Information braucht, um sich den Weg durch das Gehirn zu den entsprechenden sensorischen Arealen zu bahnen.
Mit ihrem Experiment kann das Team um Nicolelis wohl endgültig ausschließen, dass Menschen im Experiment Gummihände mit ihren echten Gliedmaßen verwechseln, weil der Versuch das nahelegt – die zwei mit Orangensaft belohnten Versuchsmakaken werden wohl kaum durchschaut haben, worauf die Wissenschaftler hinaus wollten.
Warum das Gehirn Attrappen überhaupt ins Körperschema integriert, bleibt allerdings unklar. Möglicherweise sind daran assoziative Areale im Kortex beteiligt, die die Illusion mit hervorrufen [2]. Gelänge es, aus den verschiedenen Einzelbefunden ein Gesamtbild zu erzeugen und den Gummihand-Prozess in seiner Gesamtheit zu verstehen, könne man ihn vielleicht besser von außen steuern. Davon könnten dann Träger von Prothesen profitieren, hoffen die Forscher.
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