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News: Aggressive Geburtenkontrolle

Angriffslustige Moorschneehühner, denen die Nachbarschaft zu eng wird, jagen jüngere Rivalen in die Flucht. Doch ohne Männer kein Nachwuchs: Die Population bricht zusammen.
Grellbunt, mit riesigem Schnabel und leicht schielendem Blick, so prägte sich Tausenden von Menschen das Moorhuhn ein. Doch was da wie wild über den Bildschirm flitzte, hatte wenig gemein mit den unscheinbaren, braunen Namensgebern, nur dezent geschmückt mit einem aparten roten Lidstreifen. Das Schottische Moorschneehuhn (Lagopus lagopus scoticus) - vom Zoo Hannover sogar einmal zum Tier des Monats gekürt - ist eher schüchtern und zurückhaltend veranlagt.

In einem allerdings verstehen die Männchen keinen Spaß: ihren Reviergrenzen. Diese werden heftig verteidigt, und das wird gerade in Zeiten zum Problem, in denen die Hähne zusammenrücken müssen, weil es einige geburtenstarke Jahrgänge gab: Dann nämlich werden manche schwächere oder jüngere Rivalen, die kein Fleckchen ihr Eigen nennen, ständig von aggressiven Artgenossen bedrängt. Ein solch gestresstes Individuum dürfte sich wohl kaum mit Nachwuchssorgen beschäftigen können. Liegt hierin - dem Verhalten der Tiere untereinander - vielleicht der Schlüssel für die periodisch auftretenden Schwankungen in der Zahl von Moorschneehühnern? Oder sind es doch äußere Faktoren wie Parasiten oder das Nahrungsangebot, die letztendlich das Populationswachstum steuern?

François Mougeot vom Centre for Ecology and Hydrology im schottischen Banchory und seine Kollegen machten die Probe aufs Exempel: Sie pflanzten 153 älteren Moorschneehühnern Testosteron-Stäbchen ein. Die Vögel, nun aggressiver als der Populationsdichte angemessen, attackierten tatsächlich genervt ihre jüngeren Nachbarn. Diese ergriffen dementsprechend die Flucht - und das gerade im Herbst, wenn sich die Tiere für den Winter zu Gruppen zusammenfinden, aus denen sich dann im Frühjahr die Brutpaare absondern.

Nach dem einsam verbrachten Winter kehrten die jungen potenziellen Moorschneehuhn-Väter aber auch im Frühling nicht ins Revier zurück - und wo keine Männer sind, da hält es auch keine Frauen: In den Gebieten mit Testosteron-versorgten alten Herren ging der Anteil der Hähne wie der Hennen daher auf die Hälfte zurück. Kein Wunder, dass damit auch die Zahl der Brutpaare und die Zahl der Sprösslinge drastisch sank. In den Revieren der nicht angestachelten Männchen florierte dagegen die Nachwuchsproduktion.

Die Frage scheint geklärt: Das aggressive Verhalten der revierbewussten Hähne wirkt als äußerst effektive Geburtenkontrolle. Doch ganz so einfach sehen es die Forscher nicht. Schließlich beeinflussen Parasiten beispielsweise die Fruchtbarkeit der Tiere, und das Angriffslust weckende Hormon Testosteron dämpft unter anderem auch das Immunsystem - die verschiedenen Faktoren greifen also ineinander.

Das allerdings macht die Frage nach den Steuerungsmechanismen der Populationsgröße nun noch spannender: Wie sind die Regelkreise miteinander verzahnt? Sind sie gleichberechtigt, oder hat einer die Oberhand? Gibt es regionale Unterschiede, die beispielsweise klimabedingt sind? Eine Frage, eine Antwort - und nun viele neue Fragen. Aber das ist ja nichts Neues.

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