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Aerodynamik: Akrobaten der Lüfte

Sie verbringen ihr Leben im Flug - Mauersegler gehören zu den besten Luftakrobaten unter den Vögeln. In luftiger Höhe finden sie nicht nur Nahrung, sondern sogar ihren Schlaf. Wie schaffen sie das?
Apus apus
Bald sind sie wieder da. Ende April bis Anfang Mai ertönt erneut das vertraute "sriii, sriii"; aus Afrika heimgekehrt, flitzen sie in Scharen an Häusern entlang, biegen haarscharf um die Ecke, fallen im atemberaubenden Sturzflug nach unten, um sofort wieder elegant aufwärts zu streben. Mauersegler gehören sicherlich zu den eindrucksvollsten Flugkünstlern, die mit ihren waghalsigen Luftmanövern andere Vögel als lahme Enten verblassen lassen.

Apus apus | Akrobat der Lüfte: der Mauersegler (Apus apus)
In der Tat verbringen Mauersegler – die übrigens nicht mit den Schwalben verwandt sind – ihr ganzes Dasein in luftiger Höhe. Hier finden sie alles, was sie zum Leben brauchen: Insekten als Nahrung, einen Geschlechtspartner, ja sogar erholsamen Schlaf. Der Jungfernflug eines Debütanten dauert mehrere Monate, Alttiere können jahrelang in der Luft bleiben. Es gibt eigentlich nur einen Grund für einen Mauersegler, festen Grund aufzusuchen: die Brut – wobei die Nisthöhlen auch in eher höheren Gefilden liegen, meist unter Haus- und Turmdächern.

Aus der Antike stammt die Mär, die rastlosen Flugkünstler hätten keine Füße, was Carl von Linné zu dem wissenschaftlichen Artnamen Apus apus ("ohne Füße") inspirierte. Tatsächlich sind ihre winzig kurzen Beine kaum zum Laufen, aber dank kräftiger Krallen hervorragend zum Klettern geeignet. Hartnäckig hält sich auch die Legende, ein einmal auf den Boden gelandeter Mauersegler könne sich nicht mehr in die Lüfte erheben. Für einen ausgewachsenen, gesunden Vogel ist das kein Problem, nur – freiwillig wird sich ein Mauersegler niemals auf so ein Experiment einlassen.

Mauersegler im Windkanal | Zusammengeklebte Flügel von Mauerseglern offenbarten im Windkanal die aerodynamischen Tricks der Vögel.
Doch wie schaffen die Luftakrobaten diese scheinbar unbeschwerte Leichtigkeit des Seins? Forscher um David Lentink von der niederländischen Universität Wageningen gingen den Flugkünsten mit physikalischen Methoden auf den Grund [1]. 35 Mauersegler, die in niederländischen Tierheimen verendet waren, sollten den Forschern weiterhelfen. Aus den toten Vögeln wählten die Wissenschaftler 15 Flügelpaare aus, die sie in gefriergetrocknetem Zustand zusammenklebten und im Windkanal testeten.

Damit ließen sich die Flugkünste der Vögel auf die physikalischen Größen Masse, Geschwindigkeit, Auftrieb und Luftwiderstand reduzieren. Die Messungen und Berechnungen offenbarten einen aus der Luftfahrttechnik bekannten Wert als entscheidend für die Flugmanöver der Tiere: den Pfeilwinkel. Er beschreibt die relative Lage der Flügel zum Körper.

Hoher Pfeilwinkel | Im angewinkelten Zustand verringert sich der Luftwiderstand der Mauerseglerflügel – auf Kosten des Auftriebs. Die Tiere müssen also je nach Bedarf die Flügelposition – den Pfeilwinkel – variieren.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Flugzeugen können Mauersegler bekanntermaßen ihre Tragflächen variabel einstellen: von ganz ausgestreckt mit einem Pfeilwinkel von 5 Grad bis enger anliegend in einem Winkel von 50 Grad. Entsprechend verändert sich dabei auch die Größe der Auftriebsfläche: In angewinkelter Position beträgt sie nur noch rund ein Drittel der voll ausgefahrenen Variante.

So überrascht es kaum, dass die ausgestreckte Version mit einem niedrigen Pfeilwinkel den höchsten Auftrieb liefert. Sie ist also prädestiniert für lange Segelstrecken, die nur durch wenige Flügelschläge unterstützt werden. Das energetische Optimum liegt bei einer Fluggeschwindigkeit von 8 bis 15 Metern pro Sekunde. Tatsächlich zeigen Radarmessungen, dass schlafende Mauersegler – die nachts über den Städten in einer Höhe von 1,5 Kilometern ihre Runden drehen – Geschwindigkeiten von 10 Metern pro Sekunde, also 36 Kilometer pro Stunde, vorziehen.

Für die Jagd taugt dieses Schlafmützentempo allerdings wenig. Um ihren Luftwiderstand zu senken, ziehen die Vögel ihre Flügel an und erhöhen damit – auf Kosten des Auftriebs – den Pfeilwinkel. Damit konnten im Windkanal Geschwindigkeiten über 100 Kilometer pro Stunde erreicht werden.

Das Anwinkeln der Flügel ist für die Vögel auch deshalb notwendig, weil mit zunehmender Geschwindigkeit erhebliche Kräfte an den Flügeln zerren. Die Forscher konnten hierbei Kräfte messen, die dem sechsfachen des Körpergewichts entsprachen. Ein ausgestreckter Flügel brach sogar, ein zweiter fing an zu flattern.

Widerlegen konnten die Forscher eine Hypothese des Biologen John Videler von der Universität Groningen, der an der jetzigen Studie ebenfalls beteiligt war. Er hatte 2004 angenommen, dass so genannte Anströmkanten-Wirbel bei angelegten Flügeln für einen besonders guten Auftrieb sorgen [2]. Die Wirbel ließen sich zwar nachweisen, ihr Effekt blieb jedoch minimal.

Ob die Forscher ihre Erkenntnisse – wie sie spekulieren – tatsächlich in der Luftfahrttechnik erfolgreich einsetzen können, sei dahingestellt. Bis dahin sollten wir uns an den wahren Akrobaten der Lüfte erfreuen – Mitte Juli bis Anfang August werden sie uns wieder gen Süden verlassen.

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