Aktive Galaxienkerne: 30 Jahre altes Standardmodell bestätigt
Im Sternbild Walfisch, 47 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, liegt die Spiralgalaxie Messier 77. Und in deren Zentrum befindet sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch – so wie es von nahezu allen Galaxien anzunehmen ist. Messier 77, auch bekannt als NGC 1068, weist jedoch eine Besonderheit auf: Sie besitzt einen so genannten aktiven galaktischen Kern, kurz AGN von Englisch »active galactic nucleus«.
Dabei handelt es sich um ein Galaxienzentrum, das außergewöhnlich viel Strahlung abgibt und somit besonders hell am Sternenhimmel erscheint. Die Strahlung entsteht, weil das Schwarze Loch aus der es umgebenden Akkretionsscheibe Staub und Gas verschlingt. Doch seit Astronomen und Astronominnen die ersten AGNs erblickten, dokumentierten sie Unterschiede: Die einen leuchten heller als die anderen. Die Frage lautete daher, ob die aktiven Galaxiekerne unterschiedlich strukturiert sind, unterschiedliche physikalische Bedingungen in ihnen walten.
Bereits 2018 enthüllten Aufnahmen des Teleskopverbunds ALMA in der chilenischen Atacamawüste einen Ring aus Staub und Gas, einen Torus, um das Schwarze Loch von Messier 77. Die Arbeitsgruppe um Masatoshi Imanishi vom Nationalen Astronomischen Observatorium in Japan vermutete, dass die Unterschiede zwischen den AGNs auf solche Staubringe zurückzuführen seien – sie würden die Helligkeit der Strahlung dämpfen.
Ebenjener These entspricht auch das Standardmodell der AGN. Es besagt, dass die Ausrichtung des Staubrings Einfluss darauf hat, wie eine Galaxie von der Erde aus gesehen wird – heller oder weniger hell. Im Kern würden jedoch alle gleich beschaffen sein: Dort sitzt ein extrem massereiches Schwarzes Loch umgeben von einem dichten Staubring.
Präzisere Aufnahmen dank vier Teleskope
Das Modell war Anfang der 1990er Jahre formuliert und später auch angezweifelt worden. Doch eine aktuelle Studie bestätigt die Vermutung nun wieder. Wie eine Arbeitsgruppe um Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden in »Nature« beschreibt, sicherten sie präzise Aufnahmen des Galaxienzentrums von Messier 77. Dazu nutzten sie das Instrument MATISSE des Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte in der Atacama-Wüste in Chile. MATISSE bündelt die Infrarotlichtmessungen von vier Teleskopen. Das half dem Team, die örtlichen Temperaturunterschiede zu erfassen und so die Position von Schwarzem Loch und Staubring genauer zu lokalisieren. Das Ergebnis entsprach der Vorhersage des Standardmodells: Der Staubtorus umgibt ein Schwarzes Loch, das in diesem Fall von dem Ring verhüllt wird. Deshalb ist die Sicht auf das Zentrum beeinträchtigt.
In einem begleitenden Kommentar in »Nature« stimmt der Kosmologe und Experte für AGNs, Robert Antonucci, den Ergebnissen der Kollegenschaft euphorisch zu. Zusammenfassend schreibt er: »Das ist eine großartige Arbeit!«
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