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Landwirtschaft: Aktivkohle für Tropenböden

In den tropischen Regionen der Erde funktioniert Landwirtschaft nicht nachhaltig. Brandrodung und Wanderfeldbau fressen sich mehr und mehr in die Regenwälder und bieten den Menschen trotzdem keine ausreichende Ernährungsgrundlage. Wieder entdeckte Feldbaupraktiken der amazonischen Ureinwohner könnten das jetzt ändern.
Brandrodung
Wer in den Tropen Ackerbau betreiben möchte, steht vor einem grundsätzlichen Problem: Tropenböden sind meist unfruchtbar. Die riesigen Niederschlagsmengen über Hunderte und Tausende von Jahren haben bereits alle Nährstoffe aus dem Boden ausgeschwemmt. Zurück blieb nur völlig verwitterter Ton. Er kann die für Pflanzen lebenswichtigen Minerale nicht festhalten, selbst wenn sie als Dünger zugegeben werden. Die üppige Lebensgemeinschaft des Regenwaldes versorgt sich sozusagen selbst mit allen wichtigen Nährstoffen: Unzählige mikroskopisch kleine Totengräber zersetzen sofort jedes abgestorbene Grün, und die darin enthaltenen Stoffe gelangen umgehend wieder in den Nahrungskreislauf.

Ist der Regenwald aber erst einmal gerodet, sind die Erträge auf den Äckern nach wenigen Jahren so gering, dass der Bauer seine Felder aufgeben und ein neues Gelände abbrennen muss. Landwirtschaft in den Tropen kostet deshalb jährlich immense Flächen des tropischen Urwaldes.

Terra preta und Oxisol | Ein solches Bodenprofil (links) dürfte es in den Tropen gar nicht geben: Niederschläge haben die Nährstoffe aus dem Untergrund normalerweise längst ausgewaschen, zurück bleibt ein verarmter, unfruchtbarer Oxisol (rechts). Doch ausgeklügeltes Verkohlen von organischen Resten – der Clou alter, indianischer Bewirtschaftung – haben den Boden ständig angereichert.
In Zentralbrasilien scheint das Handikap der armen Böden an manchen Stellen aber nicht zu gelten: Inmitten von unfruchtbaren Landschaften gibt es mosaikartig sehr fruchtbare Felder, die seit Jahrhunderten reiche Ernten einbringen. Die als Terra Preta bekannten Äcker haben den Ruf, das eigentliche "Gold von El Dorado" zu sein, der bislang verschollenen Hochkultur, von der 1542 der spanische Konquistador Francisco de Orellana berichtet hatte.

Die tiefschwarzen Böden, die auch Indianerschwarzerden genannt werden, sind sehr beliebt bei den ansässigen Bauern. Papayas, Mangos und andere lukrative Marktfrüchte wachsen hier dreimal so schnell wie auf den benachbarten unfruchtbaren Flächen. Es gibt sogar Berichte darüber, dass der Boden nachwachsen soll, wenn man ihn abträgt, um die unfruchtbaren Nachbarflächen zu verbessern.

Das Mysterium dieser amazonischen Schwarzerden beschäftigt Bodenforscher seit vielen Jahren, und nun scheint es, als hätten sie das Rätsel geknackt. Johannes Lehmann von der Cornell-Universität in Ithaca berichtet, dass die Fundstätten der fruchtbaren Flecken in Amazonien immer innerhalb der etwa 2000 Jahre alten Siedlungsräume der Indios liegen. Bodenkundler und Archäologen fanden stets riesige Mengen von Tonscherben, Holzkohle und Spuren anderer menschlicher Hinterlassenschaften innig vermengt mit Bodenmaterial, das identisch war mit dem der benachbarten unfruchtbaren Flächen.

Nach Ansicht von Lehmann trugen die Ureinwohner Amazoniens sämtliche Ernterückstände, Küchenabfälle und sogar Reste von Jagd und Fischerei auf ihren Feldern zusammen, deckten sie mit Erde ab und zündeten sie anschließend an. Diese Verbrennung unter teilweisem Sauerstoffabschluss verwandelte die organischen Reste in Holzkohle.

Asche, die bei offenem Feuer entstehen würde, wird vom Regen sehr schnell ausgewaschen. Die Holzkohle dagegen bleibt Jahrhunderte lang im Boden und gibt die in ihr enthaltenen Nährstoffe erst nach und nach frei. Außerdem hält die Holzkohle leicht Nährstoffe im Boden fest – ein Effekt, den man von Aktivkohle kennt –, sodass sie die Fruchtbarkeit des Bodens in zweierlei Hinsicht verbessert [1].

Diese Art der Müllverbrennung bescherte den frühen Siedlern Amazoniens also ertragreiche Böden, die diese Eigenschaft bis heute nicht eingebüßt haben und das bei extrem hohen Zersetzungsraten, andauernden Niederschlägen und hohen Temperaturen. "Eigentlich kann es, wenn man den Lehrbüchern glaubt, solche Böden in dieser Umgebung gar nicht geben", erläutert Lehmann.

Weil es sie aber offensichtlich doch gibt, ahmte der Bodenforscher die Methoden der Indios nach. Er vermischte Holzkohle mit der unfruchtbaren Tropenerde, pflanzte Reis und Hülsenfrüchte an, und erntete tatsächlich deutlich höhere Erträge als ohne Holzkohle. Durch Zugabe von Dünger konnten die Erntemengen sogar bis auf die fast neunfache Menge gesteigert werden [2].

"Eigentlich kann es, wenn man den Lehrbüchern glaubt, solche Böden in dieser Umgebung gar nicht geben"
(Johannes Lehmann)
Mit diesen Ergebnissen entwickelte er nun eine kühne Vision: Wenn es gelingen könnte, die über 2000 Jahre alten Praktiken der Indios wieder anzuwenden, könnte das der Schlüssel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft in den Tropen sein. Brandrodung und Wanderfeldbau hätten ein Ende, denn einmal gerodete Flächen könnten eine weitaus größere Zahl von Menschen als bisher dauerhaft ernähren. Die Bauern stellten ihren Dünger in Form von Holzkohle selbst her, die Nährstoffe würden im Boden langsam freigesetzt und die Überdüngung der Flüsse ginge endlich zurück [3, 4].

Insofern wären die wieder entdeckten Praktiken der amazonischen Ureinwohner eine wahre Goldgrube und ein Segen für viele Entwicklungsländer. Allerdings nur wenn es gelingt, ausschließlich Bio-Abfälle von den bewirtschafteten Feldern zu verkokeln. Und die Berichte über das Nachwachsen der Terra Preta sind wissenschaftlich noch nicht belegt. Ein Rest des Mythos von El Dorado bleibt uns also doch noch erhalten.

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