Mutualismus: Alarmglocke für die Ameisenpolizei
Den eigenen Nachwuchs unbeschadet durch die Kindheit zu bringen, ist keine leichte Aufgabe. Auch nicht für Buckelzirpen. Die Zikadenart hat sich darum Hilfe gesucht - in Form einer privaten Ameisen-Polizei. Ein Alarmruf genügt, und fresslustige Angreifer werden dingfest gemacht.
Wenn es im Blattwerk raschelt und die schabenden Krallen von sechs dünnen Insektenbeinchen zu hören sind, ist für die Buckelzirpe Publilia concava höchste Wachsamkeit angesagt. Denn die Geräusche könnten von einem Erzfeind stammen, der schon seit vielen Generationen unzähligen Buckelzirpen den Garaus gemacht hat – dem Marienkäfer.
Der von den meisten Hobbygärtnern wegen seines Appetites auf Pflanzensauger beliebte Käfer lässt sich gerne auch den Nachwuchs der Buckelzirpen schmecken. Das weiß anscheinend auch die Zikade, die nach der Eiablage in der Nähe der Zöglinge Wache schiebt, bis die Kleinen groß genug sind, um sich alleine durchzuschlagen.
Alleine jedoch kann die Buckelzirpen-Mama gegen einen gefräßigen Angreifer wenig ausrichten. Darum hat sie sich ganz spezielle Verstärkung geholt: Eine Ameisenpolizei bewacht sie und ihre Brut. Als Gegenleistung füttert die Zikade die Ameisen mit einem Honigtau, den sie über ihren Hinterleib ausscheidet. Doch woher wissen die Helfer, wann ihre Dienste von Nöten sind? Dies haben nun Forscher um Manuel Morales vom Williams College im US-amerikanischen Williamstown herausgefunden.
Mit Bienenwachs befestigten die Wissenschaftler im Labor einen Beschleunigungssensor an eine Goldruten-Pflanze, auf der auch eine Buckelzirpe ihre Brut bewachte. Der Sensor war so eingestellt, dass er auch feinste Vibrationen wahrnehmen konnte. Anschließend ließen Morales und sein Team insgesamt zehn Marienkäfer auf ihre Opfer los. Sobald eine Buckelzirpen-Mama einen Marienkäfer entdeckte, begann sie zu vibrieren. Waren jedoch nur Ameisen auf der Pflanze unterwegs, blieb sie ruhig.
Was hatte es mit den Rüttelbewegungen auf sich? Die Antwort lieferte ein Schüttelgerät, das die Vibrationen der Buckelzirpen nachahmte. Wurde es eingeschaltet, nahm die Aktivität der Ameisen um das Gerät herum schlagartig zu. Auf der Goldrute ausgesetzte Marienkäfer wurden von den Ameisen bei Vibrationen zudem wesentlich häufiger entdeckt als in Ruhezeiten.
Spielten die Forscher jedoch eine andere Vibrationsfolge ab – etwa die Balzsignale der Buckelzirpe – blieb die Aktivität der Ameisen eher mau. Sie reagierten nur auf die charakteristischen Vibrationen, welche ihre Versorger im Angesicht eines Feindes loslösten. Diese Schüttelei, so folgern die Forscher, sei darum schlicht ein Alarmruf. Und die Ameisenpolizei lässt die Alarmglocke nicht lange klingeln – ist sie doch der Garant dafür, auch in Zukunft für den Ordnungsdienst mit leckerem Honigtau entlohnt zu werden.
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