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Gesundheit: Alarmstufe: Staub!

Am Ostersonntag 2005 war es so weit: München riss als erste deutsche Stadt die von der EU auferlegte Emissionshürde für Feinstaub zum 35. Mal. Doch nicht nur Ruß ist daran beteiligt. Daher drohen nun auch ungewöhnliche Gegenmaßnahmen.
Auspuff
Wer an Münchens Landshuter Straße wohnt, hat nicht viel zu Lachen, denn diese mehrspurige Trasse gilt als eine der dreckigsten Deutschlands. Zu Lärm und Gestank der unzähligen vorbei donnernden Lastwagen und Pkw kommt ein Risiko, das bislang weit gehend unbeachtet blieb, weil es nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar ist.

Doch gerade in der Winzigkeit der Gefahrstoffe liegt ihre Tücke: Feinstaubemission heißt der neue Schwarze Peter der Umweltpolitik. Wobei "Schwarz" schon einen gewichtigen Aspekt des Sachverhalts andeutet, denn Rußpartikel tragen einen großen Teil zu den gesundheitsgefährdenden Feinstaubgehalten der Luft bei.

Woher stammen aber all diese Partikel, deren geringe Größe von maximal zehn Mikrometern dem menschlichen Wohlbefinden so viel Schaden zufügen kann? Mit 20 bis 30 Prozent ist allein schon der Straßenverkehr beteiligt, wobei vor allem Dieselmotoren kritisch sind. Heute gibt es zwar kaum mehr jene berüchtigten "Schwarzen Raucher" der Vergangenheit, aber verbesserte Wirkungsgrade und Verbrennungsvorgänge lassen die Fahrzeuge nun überwiegend kleine Partikel ausstoßen, die tief in die Lunge eindringen können.

Diese Problemstoffe lassen sich mittlerweile von modernen Filtern aus den Abgasen auffangen. Die deutsche Autoindustrie hängt allerdings im Vergleich zu ihren französischen Kollegen in der Entwicklung und Produktion der Emissionsbremsen hinterher. Nicht vor dem Sommer wollen die ersten deutschen Firmen die Filter serienmäßig einbauen. Das betrifft jedoch nur Neufahrzeuge, der überwiegende Teil der deutschen Dieselflotte tourt daher auch weiterhin ohne Filter über die Straßen. Über Steuererleichterungen für eine Nachrüstung konnten und wollten sich Bund und Länder noch nicht einigen.

Rückstände aus Verbrennungsmotoren sind aber noch lange nicht alles, was der Verkehr zum Feinstaub beiträgt. Jeder Brems- und Beschleunigungsvorgang schleudert Teilchen in die Luft: durch Aufwirbelungen von gemeinem Straßenstaub oder den Abrieb von Bremsen und Reifen. Weitere große Schadstoff-Ausstoßer sind Kraftwerke, Industrieanlagen und der gewöhnliche Hausbrand, also Jedermanns Heizung. Und schließlich tragen Winde Stäube aus dem Umland ein – etwa aus der Landwirtschaft oder Streusalz.

Einen bedeutenden Anteil an den Emissionen macht allerdings eine ganze Gruppe von Stoffen aus, der man bislang nur relativ wenig Beachtung schenkte: organische Aerosole wie Haarfasern, Hautschuppen, Pflanzenteilchen, Sporen, Pollen und so genannte Proteinkristalle. Sie können Untersuchungen von Ruprecht Jaenicke von der Universität Mainz zufolge 20 bis 40 Prozent der in der Luft vorhandenen Schwebteilchen ausmachen.

Natürlich sind auch diese kleinen Partikel ungleichmäßig in der Atmosphäre und im globalen wie regionalen Maßstab verteilt. Als Kondensationskeime tragen sie maßgeblich zur Wolken- und Niederschlagsbildung bei, sodass sie den gegenwärtig ablaufenden planetarischen Klimawandel mit beeinflussen und in Klimamodellen berücksichtigt werden müssen. Ebenso spielen sie eine Rolle in den Feinstaubgehalten unserer Städte, wo sie aus einer Vielzahl von Quellen wie Gartenarbeiten oder Tierzucht stammen.

Wenn nun aber diese Emissionen so schädlich sind, was kann die deutsche Politik tun, um die Feinstaubgehalte zu senken und die Bürger zu schützen? Gegenwärtig sind überwiegend Fahrverbote im Gespräch, wobei die Palette von der Sperrung einzelner Straßen bis hin zu generellen Zugangsbeschränkungen für Lastwagen und filterlose Autos in den Städten reicht.

Weitere Optionen sind das Benässen von Straßen, sodass weniger Stäube aufgewirbelt werden, die flächendeckende Einführung von Einbahnstraßen, um Verwirbelungen zu vermeiden, und auch das Verbot von benzinbetriebenen, zweitaktigen Rasenmähern steht zur Diskussion.

Restriktionen und Umwandlungen dieser Art stoßen allerdings auf den massiven Widerstand aus Teilen der Politik, der Wirtschaft und der Medien: So verurteilen Industrie, Handwerk und Einzelhandel etwaige Fahrverbote auf das Schärfste, da sie weiteren Konsumverzicht und Arbeitsplatzabbau in innerstädtischen Betrieben und Läden befürchten.

Da in dem gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Klima Maßnahmen gegen Dieselautos nicht durchsetzbar erscheinen, will die besonders betroffene Stadt München nun zumindest verstärkt gegen die Quellen der organischen Feinstaubpartikel vorgehen, wie das Amt für Luftreinhaltung in einer Pressekonferenz am heutigen Tag bekannt geben wird: Zukünftig sollen daher in allen Friseurläden der Stadt die Trockenhauben und Föns mit Absaugvorrichtungen – ähnlich wie bei Tankstutzen an Zapfsäulen – ausgestattet werden, um damit Haarreste und Kopfschuppen aufzufangen. Und auch das Rasenmähen wird betroffen sein – hier sollen Unterdrucksysteme ein Entweichen des Mähguts in die Umgebungsluft verhindern. Verbraucherschutz- und Händlerverbände loben diese Entwicklungen als ein Beispiel für die Innovationsfähigkeit Deutschlands und die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.

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