Ausstellung: Alexander öffnet die Welt
Einst brachte der große Makedonier dem zentralasiatischen Baktrien die hellenistische Kultur nahe. Jetzt soll er Museumsbesuchern in Mannheim die der Baktrer schmackhaft machen.
Ganze elf Jahre dauerte der Feldzug Alexanders des Großen. Er machte Makedonien zum Stammland eines Reichs, das die Grenzen der damaligen Vorstellungskraft sprengen musste. Nur elf Jahre behielt es Makedonien unter seiner Kontrolle. Dann zerfiel es in die Provinzen seiner Nachfolger. Wie das kurze Aufflackern eines Großreichs, das gewaltsame Vordringen der Griechen nach Zentralasien, die dortige Kunst und Kultur dennoch über Jahrhunderte befruchtete, zeigt jetzt eine Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (rem).
"Alexander hat einen gemeinsamen Kommunikationsraum geschaffen", sagt Michael Tellenbach, Zweiter Direktor des rem. Der Makedonier stieß im 4. Jahrhundert v. Chr. nicht nur nach Ägypten und ins Herz der Großmacht Persien vor, sondern weit darüber hinaus in Gegenden, die den Griechen damals keinen Deut besser vertraut waren als uns heute: Baktrien und Sogdien, zwei persische Provinzen im Grenzgebiet zwischen Afghanistan, Usbekistan und Tadschikistan. Durch die Eroberung kam es nicht nur zum Austausch mit dem Erzfeind Persien, sondern auch mit den beiden Regionen im Hinterland. "Die Öffnung der Welt" lautet dazu ganz passend der Untertitel der Schau.
Eine griechische Stadt in Afghanistan
So beschlossen beispielsweise die Parther am Kaspischen Meer wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Knapp hundert Jahre später nahmen sie in einer großen Expansionsbewegung den früheren Platz der Perser ein, herrschten fortan über deren berühmte, mittlerweile ebenfalls hellenisierte Metropolen und wurden dadurch zur dominierenden Macht im Mittleren Osten. Die Gunst der Stunde hatte aber auch der seleukidische Statthalter in Baktrien genutzt und um das Jahr 250 v. Chr. das graeco-baktrische Königreich gegründet.
Funde aus der Stadt Ai Khanoum im heutigen Afghanistan vermitteln einen Eindruck davon, wie sich in Zentralasien die Kulturen mischten. In der von Griechen kurz nach ihrer Ankunft gegründeten Siedlung standen ein Gymnasion, ein Theater, mehrere Tempel und weitere Gebäude, die in Schmuck und Funktion einerseits deutlich an ihre eigentliche kulturelle Herkunft erinnern, andererseits aber immer wieder Elemente orientalischen Ursprungs tragen.
Das "Baktrien der 1000 Städte"
Aus dem reichhaltigen Material haben die Mannheimer unter anderem dort geschaffene Statuen ausgewählt, die deutliche Anleihen bei der westlich-hellenistischen Kunst nehmen. Allerdings fertigten die Einheimischen sie aus ungebranntem Ton und Gips.
Das "Baktrien der 1000 Städte" hieß der einst blühende Landstrich in der Antike, aber nur wenige davon konnten Archäologen bislang ausmachen. Über Jahrtausende siedelten die Menschen an den gleichen Stellen und brachten die für eine sinnvolle Deutung wichtige Schichtung durcheinander. Unbeschädigt – und damit ein Glückstreffer für die Archäologen – blieb neben Ai Khanoum noch ein zentrales Pilgerheiligtum am Oxos. Der heute Amu-Darja genannte Fluss bildete vermutlich einst Baktriens Nord- und Sogdiens Südgrenze.
Unter den Exponaten aus diesem Tempel sticht vor allem eines heraus. Ein kleines bronzenes Figürchen, dessen Inschrift in griechischen Buchstaben Bände spricht: "Einem Gelübde folgend weihte [dies] Atrosokes dem Oxos." Der Eigenname ist persischer Abstammung, Oxos muss der lokale Flussgott sein, und der kleine Flötenspieler und sein Instrument sind griechisch.
Grabungsprojekte im Kriegsgebiet
Gute Beziehungen und langjährige Kooperation mit Forschern in den zentralasiatischen Ländern zahlten sich auch bei einem Ausgrabungsprojekt aus, das die Reiss-Engelhorn-Museen und das Deutsche Archäologische Institut (DAI) im Vorfeld der Ausstellung vorantrieben. Vor einigen Jahren hatten russische Archäologen die kleine Festung Kurgansol im heutigen Usbekistan entdeckt, jetzt wurde sie bis Mitte 2008 unter Federführung der deutschen Forscher vollständig ausgegraben. Eine 3-D-Rekonstruktion und die Nachbildung einer dort gefundenen Badewanne zeigt die Mannheimer Ausstellung.
Zugpferd der Ausstellung
So unpassend die klobige Steinbadewanne zwischen all den Kunstobjekten wirkt, so aufschlussreich war sie für die Wissenschaftler. Es ist die einzige, die weit und breit gefunden wurde – und sie hat eindeutig griechische Ursprünge: mediterrane Lebensart in der Gebirgswelt Usbekistans. Fest überzeugt sind jetzt die Archäologen von rem und DAI, eine der von Alexander gegründeten Garnisonen gefunden zu haben. "Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagt Tellenbach: Zu groß ist das eroberte Gebiet, zu dünn besiedelt und zu schlecht untersucht, als das selbst die überirdisch sichtbaren Ruinen allgemein bekannt wären.
Das Ende für ihr graeco-baktrisches Königreich ereilte die Einwohner diesmal aus dem Osten in Form eines nomadischen Reitervolks. Die Jüeh-Chi – trotz chinesisch klingenden Namens ein indoeuropäisches Volk – drangen in die fruchtbaren Gegenden am Amu-Darja vor und gründeten das Kuschanreich. Die sesshafte Lebensweise nahmen die Nomaden offenbar genauso leicht an wie die hellenistisch geprägte Kultur.
All das ist aus kulturhistorischer und archäologischer Sicht eigentlich hochinteressant, aber all das hat den Machern anscheinend nicht gereicht. Und so muss die "Öffnung der Welt" nach über 2000 Jahren erneut Alexander besorgen. Aber der Feldherr ist zu groß, um sich vor den Karren der Mannheimer spannen zu lassen.
Alexander bleibt blass
Natürlich ist sein Wirken die primäre Ursache für die Hellenisierung Zentralasiens. Aber genauso wenig wie die Präsentation gallorömischer Kunst aus Frankreich zwangsläufig eine Cäsar-Ausstellung ist, verdient die Mannheimer Schau den Titel "Alexander der Große" – zumindest nicht in einem so renommierten Museum wie dem Mannheimer rem. Daran rütteln weder die dem Bereich Zentralasien vorgelagerten Räume zum kulturellen Umfeld Alexanders noch der Exkurs nach Persien und Babylon.
Die ausgestellten Marmorbüsten des Feldherrn beispielsweise sind eine Freude anzuschauen, aber wie viel erschließt sich daraus dem Besucher über Alexander?
Welches Bild sich Griechen, Perser und sogar die Neuzeit von Alexander machte, das erfährt der Besucher in Teilen – Entscheidendes über die historische Person aber kaum. Hat man dies verstanden und die Enttäuschung heruntergeschluckt, kommt jedoch die Einsicht, dass am Ende der Platz für eine didaktisch bessere Aufbereitung des eigentlichen Kernthemas Zentralasien fehlt.
Drei Hälften, kein Ganzes
Eine Auswahl an Exponaten, die einen Schnitt durch die Zeiten repräsentierten, hatte in einer rem-Ausstellung zur Seidenstraße Anfang 2008 vor Augen geführt, wie das Mischen der Kulturen in Zentralasien zu immer neuen Übernahmen fremder Elemente führte.
Stattdessen wurde auf die emotionale Wirkung der Objekte, auf das Staunen, gesetzt. Die Wissensvermittlung tritt gegenüber dem Erlebnis in den Hintergrund. Wer sich daran nicht stört oder am Ende sogar darin den eigentlichen Sinn eines Museumsbesuch begreift, der wird die Alexander-Schau zugegebenermaßen mit Gewinn besuchen: Nahezu sämtliche Schaustücke sind kostbare Raritäten, mit hohem Aufwand und Kosten in Szene gesetzt und von ausgesuchter Qualität.
Beeindruckend ist beispielsweise das Relief eines babylonischen Bogenschützen aus glasierten Ziegeln vom 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr., eine Leihgabe aus dem Louvre, oder das unter großen Schwierigkeiten vom British Museum beschaffte silberne Trinkhorn, ein so genanntes Rhyton, mit der Darstellung eines Flügelgreifen vom 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. – nur: Außer zur Feststellung, dass sich auch Alexander von der hochstehenden persischen Kunst beeindrucken ließ, soll ihre Präsentation zu nichts weiter führen.
In diesem Sinne wirkt "Alexander der Große" so altmodisch wie eine Dauerausstellung im Provinzmuseum, wenn auch auf hohem Niveau: Was die Sammlung an Bedeutsamen hergibt, steht in den Vitrinen, und es ist dem Besucher selbst überlassen, sich darauf einen Reim zu machen. Aus den drei Hälften Alexander, Persien und Zentralasien ergibt sich am Ende kein Ganzes.
Die Ausstellung "Alexander der Große und die Öffnung der Welt – Asiens Kulturen im Wandel" ist noch bis zum 21.02.2010 in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen zu sehen.
"Alexander hat einen gemeinsamen Kommunikationsraum geschaffen", sagt Michael Tellenbach, Zweiter Direktor des rem. Der Makedonier stieß im 4. Jahrhundert v. Chr. nicht nur nach Ägypten und ins Herz der Großmacht Persien vor, sondern weit darüber hinaus in Gegenden, die den Griechen damals keinen Deut besser vertraut waren als uns heute: Baktrien und Sogdien, zwei persische Provinzen im Grenzgebiet zwischen Afghanistan, Usbekistan und Tadschikistan. Durch die Eroberung kam es nicht nur zum Austausch mit dem Erzfeind Persien, sondern auch mit den beiden Regionen im Hinterland. "Die Öffnung der Welt" lautet dazu ganz passend der Untertitel der Schau.
Eine Öffnung, die durchaus in beiderlei Richtung zu verstehen sei, so die Ausstellungsmacher. Zwar hatte es Alexander erhebliche Mühen gekostet, die lokalen Herrscher der persischen Ostprovinzen in die Knie zu zwingen – nirgendwo sonst soll er auf so erbitterten Widerstand gestoßen sein wie in Baktrien. Auch musste er Tausende von Veteranen hier ansiedeln, die den Einheimischen vormachten, was griechische Kultur bedeutet. Doch letzten Endes hieß die Bevölkerung wohl die Exotik aus dem fernen Westen willkommen. Eine zahlenmäßig kleine griechischstämmige Elite prägte künftig die Länder im Osten. Das Münzwesen wurde eingeführt, Kunsthandwerk und Bauwesen nahmen griechische Elemente auf. Vom hellenistischen Zentralasien sprechen Wissenschaftler in der Folge.
Eine griechische Stadt in Afghanistan
Nach Alexanders Tod und der Verteilung des Reichs unter den Diadochen hatte zunächst Seleukos I., einer der begünstigten Generäle aus der Armee des Makedoniers, große Teile des eroberten Gebiets an sich gerissen – darunter auch Baktrien und Sogdien. Das nach ihm benannte Seleukidenreich dehnte sich von der heutigen Türkei bis nach Indien aus, überdehnte sich und büßte schließlich an den Außengrenzen zusehends Gebiete ein.
So beschlossen beispielsweise die Parther am Kaspischen Meer wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Knapp hundert Jahre später nahmen sie in einer großen Expansionsbewegung den früheren Platz der Perser ein, herrschten fortan über deren berühmte, mittlerweile ebenfalls hellenisierte Metropolen und wurden dadurch zur dominierenden Macht im Mittleren Osten. Die Gunst der Stunde hatte aber auch der seleukidische Statthalter in Baktrien genutzt und um das Jahr 250 v. Chr. das graeco-baktrische Königreich gegründet.
Funde aus der Stadt Ai Khanoum im heutigen Afghanistan vermitteln einen Eindruck davon, wie sich in Zentralasien die Kulturen mischten. In der von Griechen kurz nach ihrer Ankunft gegründeten Siedlung standen ein Gymnasion, ein Theater, mehrere Tempel und weitere Gebäude, die in Schmuck und Funktion einerseits deutlich an ihre eigentliche kulturelle Herkunft erinnern, andererseits aber immer wieder Elemente orientalischen Ursprungs tragen.
Das "Baktrien der 1000 Städte"
Aus dem reichhaltigen Material haben die Mannheimer unter anderem dort geschaffene Statuen ausgewählt, die deutliche Anleihen bei der westlich-hellenistischen Kunst nehmen. Allerdings fertigten die Einheimischen sie aus ungebranntem Ton und Gips.
Der Mangel an Marmor habe sie dazu getrieben, erklärt Gunvor Lindström vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Berlin, eine der beiden Projektleiterinnen der Ausstellung. Gleichzeitig habe das leichter zu bearbeitende Material eine expressivere und lebendigere Darstellung ermöglicht. So wurde nicht einfach kopiert, es wurde Neues geschaffen.
Das "Baktrien der 1000 Städte" hieß der einst blühende Landstrich in der Antike, aber nur wenige davon konnten Archäologen bislang ausmachen. Über Jahrtausende siedelten die Menschen an den gleichen Stellen und brachten die für eine sinnvolle Deutung wichtige Schichtung durcheinander. Unbeschädigt – und damit ein Glückstreffer für die Archäologen – blieb neben Ai Khanoum noch ein zentrales Pilgerheiligtum am Oxos. Der heute Amu-Darja genannte Fluss bildete vermutlich einst Baktriens Nord- und Sogdiens Südgrenze.
Unter den Exponaten aus diesem Tempel sticht vor allem eines heraus. Ein kleines bronzenes Figürchen, dessen Inschrift in griechischen Buchstaben Bände spricht: "Einem Gelübde folgend weihte [dies] Atrosokes dem Oxos." Der Eigenname ist persischer Abstammung, Oxos muss der lokale Flussgott sein, und der kleine Flötenspieler und sein Instrument sind griechisch.
Grabungsprojekte im Kriegsgebiet
Dass es nur so wenige Informationen über die Geschichte der Gegend gibt, hat noch ganz andere Gründe. Seit jeher lassen sich, wenn überhaupt, dann nur mit Mühe Grabungen in den früher teils zur Sowjetunion gehörenden und heute vom Krieg in Afghanistan überschatteten Ländern organisieren. Entsprechend schwer war es für die Ausstellungsmacher an einschlägige Leihgaben aus den Museen in Kabul und der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe zu kommen. Zu Verhandlungen reiste Michael Tellenbach eigens nach Afghanistan, die Verantwortlichen vor Ort nahmen im Gegenbesuch an der Ausstellungseröffnung teil. Aber auch den Sammlungen der großen europäischen Museen, wie dem Louvre, der St. Petersburger Eremitage und dem British Museum entstammen Stücke der Mannheimer Ausstellung. Vier Jahre lang hatten Lindström und rem-Mitarbeiterin Nicola Crüsemann rund 400 Prachtstücke und Kostbarkeiten zusammengesammelt.
Gute Beziehungen und langjährige Kooperation mit Forschern in den zentralasiatischen Ländern zahlten sich auch bei einem Ausgrabungsprojekt aus, das die Reiss-Engelhorn-Museen und das Deutsche Archäologische Institut (DAI) im Vorfeld der Ausstellung vorantrieben. Vor einigen Jahren hatten russische Archäologen die kleine Festung Kurgansol im heutigen Usbekistan entdeckt, jetzt wurde sie bis Mitte 2008 unter Federführung der deutschen Forscher vollständig ausgegraben. Eine 3-D-Rekonstruktion und die Nachbildung einer dort gefundenen Badewanne zeigt die Mannheimer Ausstellung.
Unlängst ließen die Wissenschaftler einen dort verbauten Holzbalken datieren und konnten es selbst kaum glauben, wie präzise sie mit ihrer Entdeckung in der Alexanderzeit gelandet waren. Im Jahr 328 v. Chr. wurde der Baum gefällt, also genau ein Jahr nachdem der Makedonier Baktrien erreichte. Schriftliche Quellen berichten von sechs Garnisonen, die er dort anlegte.
Zugpferd der Ausstellung
So unpassend die klobige Steinbadewanne zwischen all den Kunstobjekten wirkt, so aufschlussreich war sie für die Wissenschaftler. Es ist die einzige, die weit und breit gefunden wurde – und sie hat eindeutig griechische Ursprünge: mediterrane Lebensart in der Gebirgswelt Usbekistans. Fest überzeugt sind jetzt die Archäologen von rem und DAI, eine der von Alexander gegründeten Garnisonen gefunden zu haben. "Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagt Tellenbach: Zu groß ist das eroberte Gebiet, zu dünn besiedelt und zu schlecht untersucht, als das selbst die überirdisch sichtbaren Ruinen allgemein bekannt wären.
Das Ende für ihr graeco-baktrisches Königreich ereilte die Einwohner diesmal aus dem Osten in Form eines nomadischen Reitervolks. Die Jüeh-Chi – trotz chinesisch klingenden Namens ein indoeuropäisches Volk – drangen in die fruchtbaren Gegenden am Amu-Darja vor und gründeten das Kuschanreich. Die sesshafte Lebensweise nahmen die Nomaden offenbar genauso leicht an wie die hellenistisch geprägte Kultur.
Bis ins 3. Jhd. n. Chr. hielt ihr Reich, das Baktrien eine zweite Blütezeit bescherte. Auch diese Spätzeit deckt die Ausstellung mit einigen Schaustücken ab, ebenso wie die noch jüngere buddhistische Kunst der Region, der das griechische Erbe völlig neue Aspekte, wie die bildhafte Darstellung Buddhas, verlieh.
All das ist aus kulturhistorischer und archäologischer Sicht eigentlich hochinteressant, aber all das hat den Machern anscheinend nicht gereicht. Und so muss die "Öffnung der Welt" nach über 2000 Jahren erneut Alexander besorgen. Aber der Feldherr ist zu groß, um sich vor den Karren der Mannheimer spannen zu lassen.
Alexander bleibt blass
Natürlich ist sein Wirken die primäre Ursache für die Hellenisierung Zentralasiens. Aber genauso wenig wie die Präsentation gallorömischer Kunst aus Frankreich zwangsläufig eine Cäsar-Ausstellung ist, verdient die Mannheimer Schau den Titel "Alexander der Große" – zumindest nicht in einem so renommierten Museum wie dem Mannheimer rem. Daran rütteln weder die dem Bereich Zentralasien vorgelagerten Räume zum kulturellen Umfeld Alexanders noch der Exkurs nach Persien und Babylon.
Die ausgestellten Marmorbüsten des Feldherrn beispielsweise sind eine Freude anzuschauen, aber wie viel erschließt sich daraus dem Besucher über Alexander?
So wie hier werden auch die meisten anderen Aspekte nur angeschnitten, mit ein paar exemplarischen Funden abgehakt. Drei Helme und eine rekonstruierte Lanze – das ist keine Auseinandersetzung mit der Kriegstechnik des Feldherrn.
Welches Bild sich Griechen, Perser und sogar die Neuzeit von Alexander machte, das erfährt der Besucher in Teilen – Entscheidendes über die historische Person aber kaum. Hat man dies verstanden und die Enttäuschung heruntergeschluckt, kommt jedoch die Einsicht, dass am Ende der Platz für eine didaktisch bessere Aufbereitung des eigentlichen Kernthemas Zentralasien fehlt.
Drei Hälften, kein Ganzes
Eine Auswahl an Exponaten, die einen Schnitt durch die Zeiten repräsentierten, hatte in einer rem-Ausstellung zur Seidenstraße Anfang 2008 vor Augen geführt, wie das Mischen der Kulturen in Zentralasien zu immer neuen Übernahmen fremder Elemente führte.
Die Darstellung einer Entwicklung, die auch dem kunsthistorischen Laien begreiflich macht, wo Elemente aus verschiedenen Kreisen stammen, vermisst man hingegen in der Alexander-Ausstellung.
Stattdessen wurde auf die emotionale Wirkung der Objekte, auf das Staunen, gesetzt. Die Wissensvermittlung tritt gegenüber dem Erlebnis in den Hintergrund. Wer sich daran nicht stört oder am Ende sogar darin den eigentlichen Sinn eines Museumsbesuch begreift, der wird die Alexander-Schau zugegebenermaßen mit Gewinn besuchen: Nahezu sämtliche Schaustücke sind kostbare Raritäten, mit hohem Aufwand und Kosten in Szene gesetzt und von ausgesuchter Qualität.
Beeindruckend ist beispielsweise das Relief eines babylonischen Bogenschützen aus glasierten Ziegeln vom 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr., eine Leihgabe aus dem Louvre, oder das unter großen Schwierigkeiten vom British Museum beschaffte silberne Trinkhorn, ein so genanntes Rhyton, mit der Darstellung eines Flügelgreifen vom 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. – nur: Außer zur Feststellung, dass sich auch Alexander von der hochstehenden persischen Kunst beeindrucken ließ, soll ihre Präsentation zu nichts weiter führen.
In diesem Sinne wirkt "Alexander der Große" so altmodisch wie eine Dauerausstellung im Provinzmuseum, wenn auch auf hohem Niveau: Was die Sammlung an Bedeutsamen hergibt, steht in den Vitrinen, und es ist dem Besucher selbst überlassen, sich darauf einen Reim zu machen. Aus den drei Hälften Alexander, Persien und Zentralasien ergibt sich am Ende kein Ganzes.
Die Ausstellung "Alexander der Große und die Öffnung der Welt – Asiens Kulturen im Wandel" ist noch bis zum 21.02.2010 in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen zu sehen.
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