Alexithymie: Misshandlung macht gefühlsblind
Wer als Kind Missbrauch erlebt, hat später im Leben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen. Auf welchen Mechanismen dieser Zusammenhang beruht, ist allerdings noch nicht komplett erforscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Regensburg untersuchten nun das Phänomen der Alexithymie. Hierbei haben Menschen Probleme damit, ihre eigenen Emotionen zu erkennen und diese zu benennen.
Das Team um den Psychologen und Neurowissenschaftler Lorenz Kick wertete 64 bereits veröffentlichte Studien in zwei separaten Metaanalysen neu aus. Die erste davon ergab, dass Personen, die Gefühlsblindheit zeigen, vermehrt über negative Kindheitserlebnisse berichten. Das betraf vor allem emotionalen Missbrauch sowie körperliche und emotionale Vernachlässigung in der Kindheit. Etwas geringer ausgeprägt, aber ebenfalls deutlich, war der Zusammenhang zwischen Alexithymie und der Erfahrung von körperlicher und sexueller Misshandlung. In der zweiten Auswertung bestätigten die Forscher, dass größere Gefühlsblindheit im Erwachsenenalter mit mehr psychischen Problemen einhergeht.
Die gesamte Ereigniskette von Misshandlung in der Kindheit über die Entwicklung von Alexithymie bis hin zu psychischen Erkrankungen sei bislang in keiner Studie im Längsschnitt nachgezeichnet worden, geben die Forscher zu bedenken. Ihre Auswertung spreche jedoch dafür, dass der Gefühlsblindheit eine Schlüsselrolle auf dem Weg von Kindesmissbrauch zu psychischen Störungen zukommt. Bei der Therapie von Menschen, die früher Misshandlung erlebt haben, sollte Gefühlsblindheit daher berücksichtigt werden. Dies könne auch für den Behandlungsprozess wichtig sein.
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